Читать книгу Geliebter Prinz - Billy Remie - Страница 12
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ОглавлениеAm nächsten Morgen wurde Desiderius durch den Lärm klirrender Schwerter geweckt, die im Innenhof gegeneinanderschlugen. Rufe und Jubel drangen zu seinem offenen Fenster hinauf.
Desiderius stand auf und tapste verschlafen zu seinem Fenster, vor dem die Vorhänge im milden Frühlingswind wehten.
Langsam wurde es immer wärmer, das war nicht zu leugnen.
Er rieb sich die rot unterlaufenen Augen, da ihm der Wein der letzten Tage an diesem Morgen ziemlich zusetzte. Sein Kopf schmerzte. Es gab eben doch einen großen Unterschied zwischen den teuren Weinen, die die Adeligen tranken, und dem stark verdünnten, billigen Gesöff, das er immer an der Küste zu sich nahm.
Vielleicht rührten seine Kopfschmerzen aber auch daher, dass er gestern den Mann abgewiesen hatte, den er seit dieser einen gemeinsamen Nacht nicht mehr aus seinen Gedanken bekam. Nachts war es am schlimmsten, wenn er von dem jungen Prinzen träumte und die einzige Möglichkeit, Schlaf zu finden, darin bestand, an den schönen Blonden zu denken, während er sich eigenhändig Befriedigung verschaffte.
Es war schwer für Desiderius, auf etwas zu verzichten, das er begehrte und zudem noch ziemlich leicht bekommen könnte. Aber es war für ihn zu gefährlich, also schlug er sich den Prinzen aus seinem Kopf.
Desiderius sah aus dem Fenster und erblickte die königliche Familie und ihre Gefolgschaft im Innenhof. Der Kronprinz und einer seiner Brüder lieferten sich einen Schwertkampf, während die anderen Prinzen und die Prinzessinnen um sie herumsaßen und zusahen.
Ohne sich frisch zumachen und mit zerzaustem Haar, zog er sich ein Leinenhemd über und ging hinaus auf die Mauer, um dem Duell von einem erhöhten Standpunkt aus zusehen zu können.
Er hatte gehofft, dort allein zu sein, doch als er dort ankam, erblickte er den König und seinen treuen Begleiter Bellzazar.
Desiderius drehte sich um, weil er in diesem Aufzug nicht vor den König treten wollte, doch da hatte man ihn schon erkannt.
»Desiderius!«, rief der König erfreut.
Er drehte sich zu ihm um und neigte ehrfurchtsvoll seinen Kopf. »Majestät.«
»Kommt her«, der König winkte ihn heran, »leistet uns Gesellschaft.«
Desiderius zögerte kurz und warf einen sehnsüchtigen Blick zurück auf die Tür, aber dem König widersprach man nicht. Also gesellte er sich notgedrungen zu den beiden.
Desiderius lehnte sich neben den König auf die Mauer und spähte hinunter in den Innenhof. Prinz Karic und sein jüngerer Bruder trugen lediglich zwei leichte Lederhosen und Stiefel. Ihre Oberkörper waren nackt und der Schweiß, der auf ihrer Haut klebte, schimmerte im Schein der Morgensonne. Ganz zu Desiderius‘ Freude, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, während er den stattlichen Männern beim Kämpfen zusehen konnte.
Prinz Karic benutzte einen Zweihänder, dessen eiserne Schwertklinge edel aufblitzte, wenn er es anhob und herum schwang. Sein Kontrahent benutzte ein kürzeres Schwert und einen Schild mit dem königlichen Wappen – einer goldenen Nachtschattenkatze auf weißem Grund und goldenen Umrandungen –. Beide kämpften gut und hatten innerhalb weniger Sekunden Desiderius’ Respekt inne.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, fragte der König stolz. »Ich scheue keine Kosten für die Ausbildung meiner Söhne. Sie müssen nicht nur gebildet sein, sondern auch die besten Schwertkämpfer, die Nohva je gesehen hat.«
»Sie müssen?« Desiderius sah den König belustigt an. »Sie haben keine Wahl?«
»Doch, natürlich«, warf der König milde lächelnd ein. »Aber ich prahle gern damit, dass ich meinen Kindern die beste Ausbildung mit auf den Weg gebe.«
»Und wenn sie nicht so gut sind, wie erhofft?«, fragt Desiderius. Sein Blick fiel unwillkürlich auf eine der aufgestellten Tribünen, zu dem jüngsten Prinzen. Der kleine Blonde wirkte nicht wie jemand, der lange ein Schwert mit seinen dünnen Armen halten konnte. Aber Desiderius machte nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen. In ihrer einzigen, gemeinsamen Nacht hatte er gesehen, dass unter der schmalen Erscheinung stramme Muskeln auf den Einsatz warteten.
Als hätte er den Blick bemerkt, hob Prinz Wexmell seinen Kopf und sah hinauf zu Desiderius. Ihre Blicke verhakten sich ineinander und für den Bruchteil eines Augenblicks schien die Zeit still zu stehen. Diese Augen waren zu blau, dieses Gesicht zu schön, um einen Mann bei klarem Verstand zu halten. Voller Erwartung und Sehnsucht sah der Prinz zu ihm hinauf und Desiderius konnte seine Augen nicht von ihm nehmen.
Er hätte ihm gern gegeben, was er sich ersehnte, aber er konnte nicht.
»Mein Sorgenkind«, seufzte der König, dem nicht entgangen war, wohin Desiderius‘ Gedanken abgeschweift waren. »So viel Potenzial, so wenig Gelegenheit, sich zu beweisen.«
»Wieso?«, fragte Desiderius und blickte den König neugierig an. »Es finden sich immer Gelegenheiten, sein Können unter Beweis zu stellen. – Jetzt, zum Beispiel.«
Doch der König schüttelte entschieden den Kopf. »Mein jüngster Sohn war eine Weile schwer krank, es ist ein Wunder, das er überlebt hat. Ich will nicht, dass er sich überanstrengt.«
»Welchen Weg seht Ihr für ihn vor, Eure Majestät?«, fragte Desiderius, dessen Blick wieder auf Prinz Wexmell ruhte.
Neugierig und sehr aufmerksam verfolgte der junge Prinz das Duell zwischen seinen beiden Brüdern. Er wirkte unglücklich, wie er so abseits bei seinen Schwestern sitzen musste.
»Die Kirche in Dargard ist wild darauf, einen meiner Söhne bei ihnen willkommen zu heißen«, erklärte der König. »Ich werde Wexmell wohl Ihrer Ausbildung überlassen.«
Schockiert fuhr Desiderius herum. »Ihr wollt Euren Sohn zu einem Priester ausbilden lassen?«
Der König antwortete mit unglücklicher Stimme: »Er ist sehr klug, er wird es dort weit bringen. Vielleicht wird er das Oberhaupt der menschlichen Kirche.«
»Aber die Kirche gehört zur menschlichen Kultur«, warf Desiderius schockiert ein. »Ein Luzianer, der vor den Göttern kniet? Das könnt Ihr doch nicht ernstlich in Betracht ziehen!«
»Umso wichtiger ist es, dass sich einer meiner Söhne in die Hände der Kirche begibt. Es zeigt dem Menschenvolk, das ich ihre Riten achte. Es wird mein Bündnis zu den Menschen in den Ebenen stärken.«
Desiderius konnte es kaum glauben. Er wandte den Blick ab und sah wieder hinunter zu dem jungen Prinzen, der mit hängenden Schultern zwischen seinen Schwestern saß und seine zarten Fingerchen knetete.
Vielleicht hatte Desiderius sich in ihm getäuscht. Ja, er war verwöhnt, das bedeutete aber nicht, dass der Prinz es so gewollt hat. Er wurde ungewollt in Watte gepackt.
Einerseits stimmte die Aussage des Königs, es würde das Bündnis wahrlich stärken, jedoch auf Kosten des Glücks des jungen Prinzen.
»Wenn ich Euch einen Rat geben dürfte, Majestät«, begann Desiderius mit Blick auf Prinz Wexmell. »Wenn Euch das Glück Eures jüngsten Sohnes etwas bedeutet, dann verlangt das nicht von ihm. Lasst ihn sich beweisen und findet eine Aufgabe für ihn, die ihn, und nicht Euch, glücklich macht.«
Der König betrachtete lange und nachdenklich Desiderius’ Gesicht, der es seinerseits nicht wagte, nach dieser Anmaßung, den Kopf zu drehen.
Bellzazar, der neben dem König stand und das gesamte Gespräch wortlos mit angehört hatte, räusperte sich nun. »Der Bursche hat Recht, mein König, es ist nicht in deinem Sinne, deinen Lieblingssohn in einer Kirche versauern zu lassen.«
Schwer seufzte der König: »Ich weiß. Ich will ihn nur beschützen und lasse ihn nur ungern aus den Augen.«
»Er wird nie das Gefühl haben, von dir und seinen Brüdern respektiert zu werden, wenn du nicht anfängst, ihn wie einen Mann, statt wie ein Mädchen zu behandeln«, sprach Bellzazar auf den König ein. »Er war krank, jetzt ist er aber auf dem Weg der Besserung. Lass ihm etwas von seinem Stolz und erlaub ihm, seine Ausbildung aufzunehmen.«
Doch der König schüttelte seinen hängenden Kopf. »Er ist noch nicht soweit.«
Die Besorgnis des Königs war nachzuvollziehen. Kein Vater wollte das Leben einer seiner Söhne riskieren. Erst recht nicht, wenn es schon einmal wegen einer Krankheit in Gefahr gewesen war. Dennoch war Desiderius nicht seiner Meinung.
Desiderius hatte den Eindruck, dass die Zukunft des jüngsten Prinzen schon oft Gespräch war. Aber was ihn viel neugieriger machte, war die unbeantwortete Frage, woran der junge Prinz erkrankt war.
Jegliche Überlegung dahingehend wurde jedoch brüsk unterbrochen, als ein kriegerischer Aufschrei ertönte und Prinz Karic das Duell beendete, indem er seinen jüngeren Bruder überwältigte, auf den Rücken schmiss und einen Fuß auf dessen schweißnasse Brust stellte.
Die Umstehenden klatschten, und bejubelten ihren Kronprinzen, der sich nur zu gerne feiern ließ.
Nur einer jubelte nicht. Prinz Wexmell, der mit seiner Rolle, die man ihm aufzwang, reichlich unglücklich war. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass er sich danach sehnte, auch mit einem Schwert in der Hand sein Können zu beweisen. Seine Männlichkeit zu beweisen.
Desiderius konnte es ihm nachfühlen, er käme sich ebenso wertlos vor, wenn man ihm als Mann das Kämpfen verbieten würde. Jeder sollte das Recht haben, ein Schwert in die Hand nehmen zu dürfen. Ob Mann oder Frau.
Und wenn der König all seinen Söhnen eine Kampfausbildung finanzierte, dann auch seinem jüngsten Sohn, egal, wie krank er einmal war. Prinz Wexmell sollte selbst entscheiden dürfen, ob er seinem Körper zutraute, sich anzustrengen.
Die Menge verstummte, und als Desiderius den Blick von Prinz Wexmell nahm, fiel ihm auf, dass alle zu ihm hinauf starrten und erwartungsvoll den Atem anhielten.
In der Mitte des Innenhofs stand der stolze Kronprinz und zeigte mit der Spitze seiner Schwertklinge auf Desiderius.
»Was ist nun?«, fragte Prinz Karic und grinste herausfordernd. »Wollt Ihr mir und den Umstehenden beweisen, das Eure Kampfkünste so gut sind, wie Bellzazar behauptet?«
Desiderius mochte es nicht, derart herausgefordert zu werden. Es waren Spielereien, die er nicht nachvollziehen konnte. Wenn er und Bellzazar aufeinandertrafen, kämpften sie, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Nur für sich, weil sie füreinander eine echte Herausforderung darstellten, und nicht, um möglichst viel Jubel zu erhalten. Prinz Karic war offensichtlich nur auf den Applaus der Menge aus. Das widerstrebte Desiderius.
Schmunzelnd gab er freundlich, aber gleichwohl höhnisch zurück: »Ich möchte Euch nicht blamieren, mein Prinz.«
Desiderius sah in den Augenwinkeln, wie Prinz Wexmell zu ihm auf schmunzelte.
Der Kronprinz war nicht beleidigt, er erwiderte gelassen: »Ich wage zu bezweifeln, dass Ihr mich schlagen könnt, Desiderius. Bei allem Respekt, aber ich wurde von den besten Schwertkämpfern Nohvas ausgebildet, und Ihr habt Eure Künste auf Reisen gelernt, um Euch vor wilden Tieren zu schützen. Vergebung, aber ich fürchte, ich werde Euch blamieren.«
Angespanntes Schweigen entstand, während die Menge darauf wartete, dass Desiderius eine Entscheidung traf.
Desiderius’ Blick schweifte kurz zu Prinz Wexmell der mit leicht geöffneten Lippen und voller Spannung zu ihm aufsah. Das war ein Kampf, den der junge Prinz sehen und mit voller Begeisterung verfolgen wollte.
Plötzlich kam Desiderius eine Idee. Er grinste und deutete in Prinz Karics Richtung eine Verbeugung an: »Mit dem größten Vergnügen, Euer Gnaden!«
Er ging am König und Bellzazar vorbei, um in den Innenhof zu gelangen, doch da packte Bellzazar seinen Arm und flüsterte ihm warnend zu: »Verletzt ihn nicht, das würde dem König nicht gefallen.«
»Wir werden sehen«, gab Desiderius zurück und löste sich mit einem entschlossenen Ruck aus dem Griff des Halbgottes.
Unten im Innenhof angekommen, kam auch schon ein junger Bursche angerannt und reichte ihm sein Schwert.
Desiderius zog es aus der Scheide und schwang es einige Male. Die Klinge zerschnitt die Luft und ließ sie pfeifen. Jemand musste sie bereits für ihn geschärft haben, denn er erinnerte sich nicht, sie in einem so guten Zustand zurückgelassen zu haben. Ohnehin erinnerte er sich nicht, sie in die Waffenkammer gegeben zu haben. Er vermutete, dass sein Vater dahintersteckte.
Desiderius brachte sich vor dem Prinzen in Position.
»Wollt Ihr Euer Hemd anbehalten?«, fragte Prinz Karic.
Desiderius nickte. »Es behindert mich nicht beim Kämpfen.«
»Wie Ihr meint«, nickte der Prinz. »Wollen wir?«
Desiderius nickte. Und das Duell begann.
Der Kampf war nicht ansatzweise so spektakulär wie jener zwischen Desiderius und Bellzazar vor einigen Tagen, doch trotzdem verlangte er Desiderius einiges an Können ab. Der Prinz war wendig und seine Schwerthiebe waren kräftig. Er hatte eine gute Technik, nur leider durchschaute Desiderius seine Taktik nach wenigen Augenblicken.
Das Problem bei edlen Schwertkämpfern war nun mal ihre Ehre. Anders als Desiderius und Bellzazar, kämpfte der Kronprinz ehrenhaft. Und Ehre war leicht durchschaubar. Leider.
Desiderius spielte das Spielchen eine Weile mit, um das Publikum nicht zu enttäuschen. Er wehrte Schwerthiebe ab, tänzelte um den anderen herum, wich mehr aus, als dass er angriff. Dabei spürte er die brennenden Blicke des jüngsten Prinzen auf sich und genoss die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde. Desiderius hoffte, dass der Kleine nicht nur seinen Körper betrachtete, sondern auch genau seine Kampftechnik beobachtete. Er würde diese Informationen gleich benötigen.
Prinz Karic witterte bereits einen Sieg, und Desiderius ließ ihn in diesem Glauben. Der Kronprinz hob mit einem Aufschrei sein Schwert und schlug damit nach Desiderius. Doch Desiderius trat gelangweilt einen Schritt zur Seite, er senkte seine Schwertklinge, duckte sich kurz dabei und benutzte sein Schwert als Stolperfalle.
Die Menge verstummte schockiert, als der Kronprinz fiel.
Prinz Karics Stiefel wurden zerschnitten und seine Beine leicht verwundet, allerdings waren es nur leichte Kratzer. Er fiel vorn über zu Boden in den Dreck und verlor sein Schwert.
Desiderius ging zu ihm, trat die Klinge außer Reichweite und stellte sich dann mit einem Fuß auf den Rücken des Prinzen.
Keuchend versuchte dieser, aufzustehen, schaffte es aber nicht. Schließlich ergab er sich und hob lachend seine Hände vom Erdboden.
Erst als sicher war, dass der Kronprinz über seine Niederlage amüsiert war, atmeten auch ihre Zuschauer auf und klatschten.
Desiderius stieg von dem Kronprinzen herunter, der sich gleich darauf hustend auf den Rücken drehte und mit einem frechen Grinsen zu ihm aufsah.
»Vergebung«, keuchte der Prinz, »ich habe Euch unterschätzt.«
»Ein Fehler, den Ihr kein zweites Mal begeht.« Desiderius lächelte zurück. »Unterschätzt niemals einen Gegner, mein Prinz.«
Desiderius reichte ihm seine Hand, der Prinz schlug ein und ließ sich aufhelfen. Sie klopften sich brüderlich auf die Schulter.
»Ein guter Rat, ich werde ihn nicht vergessen, danke«, lächelte der Prinz und humpelte dann zu seinem Schwert.
Desiderius hob den Blick zu den Tribünen und erwiderte den intensiven Blick des jüngsten Prinzen, der ihn anhimmelnd betrachtete.
So angesehen zu werden, schmeichelte ihm zutiefst, und er konnte nicht verhindern, dass er das Lächeln des jüngeren Mannes erwiderte. Was er nicht bemerkte, waren die drei Prinzessinnen, die ihn ebenso anhimmelten und glaubten, sein lüsterner Blick würde ihnen gelten.
»Meint Ihr, Ihr könnt auch mich besiegen?«, ertönte eine herausfordernde Stimme.
Desiderius drehte sich um und erkannte einen der anderen Prinzen – Zorrtan, wenn er sich recht entsann – der ihn provozierend anstarrte.
»Stell dich hinten an, Zorrtan«, rief ein anderer Prinz. »Ich will zuerst gegen ihn antreten.«
Gleich darauf standen auch die anderen Prinzen auf und wollten sich alle mit ihm messen. Sie griffen schon nach ihren Schwertern.
»Euer Angebot ehrt mich«, rief Desiderius in das Stimmengewirr und unterbrach damit das Wortgefecht. Er verbeugte sich leicht in Richtung der Prinzen. »Ich würde mich gerne mit den ehrenwerten Prinzen messen, doch ich stelle fest, dass jeder einzelne von euch schon mindestens zwei Kämpfe hinter sich hat.« Er lächelte freundlich, nachdem er auf die dreckigen und verschwitzten Gesichter aufmerksam gemacht hatte. »Vergebung, aber mich dürstet es nach einem frischen Gegner ... «
Die Brüder sahen ihn verwundert an, als er sich abwandte.
Mit einem Schmunzeln auf den schmalen Lippen sah er die Tribüne hinauf direkt zu Prinz Wexmell, dessen Gesichtszüge versteinerten.
Desiderius hob sein Schwert und zeigte damit auf den jungen Blonden. »Wie sieht es mit Euch aus, Prinz Wexmell, kämpft Ihr gegen mich?«
Wexmell starrte ihn an, Herausforderung glitzerte in seinen blauen Augen, doch sein Blick schnellte befürchtend hinauf zu seinem Vater.
Als Desiderius dem Blick folgte, erkannte er das sorgenvolle Gesicht des Königs. Dieser wollte gerade zu Desiderius warnend den Kopf schütteln, als Bellzazar ihm einlenkend eine Hand auf die Schulter legte und den König zurückhielt.
Grinsend wandte sich Desiderius wieder dem jungen Prinzen zu: »Ich fragte Euch, und nicht den König, mein Prinz. Bedenkt, ich, ein Bastard, habe Euren Bruder, den Kronprinzen, besiegt. Wollt Ihr diese Schande wirklich auf Eurem Haus liegen lassen?«
Prinz Wexmell erwiderte seinen Blick. Ein Augenblick verstrich, in dem die Umstehenden gespannt darauf warteten, was geschehen würde.
Dann erhob sich Wexmell und kam mit einem leicht federnden Gang die Tribüne hinunter.
Desiderius drehte sich um und überquerte den staubigen Innenhof, ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen.
Prinz Karic, der am Rande saß und dessen Wunden verarztet wurden, rief begeistert einem Knappen zu: »Hol ein Schwert für meinen Bruder!«
»Nein!«, mischte Desiderius sich ein. Er achtete nicht auf die verwunderten Blicke, sondern eilte zu den anderen Prinzen und nahm einem von Ihnen das Kurzschwert aus der Hand.
Er begab sich in die Mitte des Innenhofs. Dort blieb er stehen und warf Prinz Wexmell das Schwert vor die Füße in den Staub.
Prinz Wexmell schmunzelte amüsiert: »Ist das Euer Ernst? Ihr seid mir mit einem Langschwert weit überlegen.«
»Vergesst das Langschwert«, warf Desiderius mit der strengen Stimme eines Lehrers ein. Er konnte die Unsicherheit in den Augen des Jüngeren lesen und senkte seine Stimme soweit hinab, dass nur Wexmell ihn hören konnte: »Es ist zu schwer für dich und würde dich vorzeitig außer Atem bringen. Vertrau mir! Nimm das Kurzschwert und mach mit Schnelligkeit wett, was dir an Stärke fehlt.«
Wexmell sah ihm ernst in die Augen und nickte einmal bestätigend. Er war dankbar für den Rat.
Desiderius drehte sich um und nahm Abstand, während Prinz Wexmell das Schwert aufhob. Als er sich wieder zu Wexmell umdrehte, fragte er: »Bereit?«
Wexmell nickte entschlossen.
Sie richteten die Schwertspitzen aufeinander und gingen leicht in die Knie, während sie einen Fuß neben den anderen stellten und langsame Kreise umeinander zogen.
Desiderius schmunzelte, als er erkannte, dass der junge Prinz klüger vorging als dessen ältester Bruder. Wexmell war schlau, er griff nicht sofort an, wollte nicht den ersten Schritt machen, um Desiderius keine Gelegenheit zu geben, seine Taktik zu durchschauen. Wexmell beobachtete, wollte abwarten, abwehren, bis er Schwächen fand.
Kluger Mann, dachte Desiderius respektvoll.
Eisblaue Augen verengten sich, während sie ruhig abwarteten. Wexmell hatte es nicht eilig.
Er hatte Potenzial, das sah Desiderius, er war kein hirnloser Junge, der einfach nur drauflos kämpfte. Wexmell hatte den Verstand eines klugen Kämpfers, aber hatte er auch dessen Stärke, Wendigkeit und dessen Ehrgeiz?
Desiderius würde es gleich herausfinden.
Er machte den ersten Schritt auf Wexmell zu und griff ihn mit schnell aufeinander folgenden Schwerthieben an.
Der junge Prinz war klug, er versuchte gar nicht erst, mit seiner kurzen Klinge die Hiebe zu parieren. Wendig wie ein Äffchen, aber mit der Eleganz einer Raubkatze wich er den Hieben aus. Duckte sich und rollte sich über den staubigen Boden außerhalb von Desiderius’ Reichweite.
Ein erstauntes Raunen ging durch die Menge.
Desiderius‘ schwere Hiebe gerieten ins Leere, weshalb er kurz ins Straucheln geriet. Anerkennend schmunzelnd nickte er Wexmell zu, der nach seinem Manöver etwas mehr Vertrauen in seinen Körper gefasst hatte; das sah man an seiner Haltung und an seinem aufgeregten Blick.
Desiderius sprang erneut auf ihn zu. Diesmal legte er weniger Wucht in seine Schläge, konnte dafür aber mehrfach und schneller ausholen. Er passte seine Technik der Ausweichmethode des anderen an.
Wexmell hatte diesmal mehr Mühen, der Klinge auszuweichen, die sich schnell auf ihn zu bewegte. Er wich rückwärts aus und lehnte sich dabei weit zurück. Es verhinderte jedoch nicht, dass Desiderius’ Schwertspitze das leichte Leinenhemd aufschnitt und einen langen Kratzer auf der Brust des Prinzen hinterließ.
Wexmell zog scharf den Atem ein und drehte sich weg.
Die Umstehenden stießen erschrockene Laute aus, aber davon ließen sich die Kämpfenden nicht ablenken.
Wexmell, der sich die Hand an den Brustkorb presste, richtete sich wieder auf und sah sich das Blut in seiner Hand an. Er grinste frech in Desiderius’ Richtung, der das Grinsen erwiderte, während er darauf wartete, dass es weiterging.
Desiderius hätte den Kampf längst beenden können, noch bevor er überhaupt begonnen hatte, aber ihm ging es nicht darum, zu gewinnen.
Der Schnitt in Wexmells Brust war mit purer Absicht nur ein harmloser Kratzer geworden, damit die Menge nicht glaubte, Desiderius würde sich zurückhalten.
Dieses Mal war es Wexmell, der in die Offensive ging. Er schlug mit dem Schwert nach Desiderius, der nicht damit gerechnet hatte, dass sein Kontrahent derart flink war. So schnell wie ein Pfeil im Wind, sauste die Klinge immer wieder auf ihn zu.
Wexmell war zu schnell, um die Schläge abzuwehren oder zu parieren. Desiderius musste ausweichen, aber er war wegen seines muskulösen Körpers nicht ganz so beweglich wie Wexmell und geriet deshalb immer wieder ins Wanken. Wexmell erlangte daraufhin einen Treffer an Desiderius’ Arm. Blut durchdrängte den Ärmel seines Leinenhemds.
Nun erklang wieder Staunen aus dem Publikum.
Keuchend wischte sich Desiderius mit dem Handrücken den Schweiß von der Oberlippe.
Mokant schmunzelte Wexmell: »Was dir an Schnelligkeit fehlt, mach mit Stärke wieder wett.«
Desiderius lachte auf, erwiderte aber nichts.
Er brachte sich wieder in Ausgangsstellung und zeigte mit der Schwertspitze in Wexmells Richtung. Der junge Prinz tat es ihm gleich. Sie sahen sich einen kurzen Moment lang in die Augen. Dann griffen sie gleichzeitig an.
Ein wahrlich unterhaltsamer Tanz entstand, der sich aus Schwerthieben und Ausweichtechniken zusammensetzte. Zwei junge und flinke Männer, die mehr um einander herumsprangen und auf dem Boden herumrollten, als dass sie versuchten, sich zu verletzen. Es ging nur darum, den anderen an die Grenzen seiner Ausdauer zu bringen. Es war ungerecht, wenn man bedachte, dass Wexmell lange krank war und nicht hatte kämpfen können, das merkte man auch schnell. Dennoch wollte der kleine Blonde nicht aufgeben, er kämpfte unermüdlich weiter. Es war ein Beweis dafür, dass ein mutiges Herz in seiner Brust schlug. Er gewann damit Desiderius’ Respekt.
Desiderius schwang auf Höhe von Wexmells Brust die Schwertklinge, um ihn zurück zu drängen, doch statt wie üblich zurückzuspringen, bog Wexmell den Rücken durch, damit die Klinge über ihn hinweg glitt.
Als er sich wiederaufrichtete, war er nahe genug an Desiderius heran, um mit der kurzen Klinge nach ihm zu schlagen, und erwischte dessen Rücken, als dieser sich schnell außer Reichweite bringen wollte.
Desiderius brüllte auf, als ihm das Schwert längs über seine Rückseite gezogen wurde. Der Schnitt war nicht tief, aber überraschend gekommen.
Er sprang nach vorn, machte eine Rolle im Staub und kam wieder auf die Füße. Er drehte sich um und schlug mit der Klinge nach Wexmells Beinen, aber der junge Prinz sprang einfach über den Hieb hinweg und ging dann wieder auf Abstand.
Als Desiderius ihn ansah, bemerkte er jedoch, dass die Ausdauer des jungen Prinzen schwand. Er schwitzte stark, war außer Atem und wurde zunehmend blasser. Ein Hinweis darauf, dass sein Körper noch nicht bei bester Gesundheit war.
Desiderius beschloss, den Kampf zu beenden.
Als Wexmell das nächste Mal auf ihn zusprang, wich er absichtlich den Hieben immer weiter nach hinten aus und ließ zu, dass die Klinge seine streifte. Er gab seine Deckung auf und ließ sich nach hinten fallen. Ungesehen griff er nach Wexmell und riss ihn mit zu Boden, für die Umstehenden sah es allerdings so aus, als habe Wexmell ihn zu Boden geworfen.
Desiderius ließ sein Schwert los, das außerhalb seiner Reichweite zum Erliegen kam. Sein Rücken knallte auf den Boden, und Wexmell landete auf Desiderius. Die Klinge des Kurzschwertes bohrte sich direkt neben seinem Hals in den Boden und hinterließ einen roten Kratzer auf seiner Haut, direkt neben den zwei Einstichen einer abheilenden Bisswunde.
Raunen ging wieder durch die Umstehenden.
Verwundert starrte Wexmell auf ihn herab.
Desiderius schmunzelte: »Ihr habt mich wohl besiegt, mein Prinz.«
Letzteres sprach er mit einem leisen, animalischen Knurren aus, das nur Wexmell hören konnte, auf dessen Lippen daraufhin ein leichtes Lächeln lag.
Nach kurzem Zögern begann die Menge zu klatschen und Wexmell erhob sich langsam von Desiderius. Begeisterung breitete sich aus und sofort sprangen Wexmells Brüder auf ihn zu und nahmen den jungen Prinzen für sich ein, der aus dem Lächeln gar nicht mehr herauskam.
Prinz Wexmell hatte gesiegt, wo der Kronprinz versagt hatte. Nie wieder würden die Brüder ihn von einem Duell ausschließen, weil er angeblich zu schwach wäre.
Desiderius kam auf die Beine und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Sein Blick glitt hinauf zu König Wexmell Airynn und dem Halbgott Bellzazar. Der König sah voller Stolz auf seinen Sohn hinab, während Bellzazar wissend Desiderius anstarrte. Nach einem Moment nickte der Halbgott anerkennend. Er wusste, was Desiderius für den jungen Prinzen getan hatte und er schätzte diese Geste.
Zufrieden mit sich selbst wandte Desiderius sich ab. Er hob sein Schwert auf und ließ die königliche Familie und ihr Gefolge für den Rest des Tages allein.