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Die Kräutermischung, die der Heiler ihm verabreicht hatte, hatte Desiderius einen ganzen Tag lang schlafen lassen. Es war ein traumloser, tiefer Schlaf gewesen, der jeden Muskel in seinem Körper entspannt hatte.

Erholt erwachte er langsam aus seinem Tiefschlaf und musste einige Male blinzeln, bis er die dunkle Kammer erkannte, in der er noch immer lag.

Es war wieder dunkel geworden, vermutlich mitten in der Nacht, und nur eine Kerze brannte neben seinem Lager. Sie war fast abgebrannt, und weißer Wachs tropfte von dem niedrigen Tisch hinab auf den morschen Holzfußboden, durch dessen Rillen er das flackernde Licht aus dem Raum unter ihm wahrnehmen konnte.

Ein Geräusch ließ ihn zu Bewusstsein kommen. Desiderius drehte sich auf den Rücken und sah sich im Raum um. Augenblicklich war er hellwach.

Er hätte jeden an seinem Bett erwartet, nur nicht jene Person, die auf einem kleinen Hocker saß und ihn unbeirrt waschen wollte.

»Oh, du bist wach«, erkannte sein Bruder wenig erfreut. »Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr aufwachen.«

Desiderius zog sich die Pelze über seine Blöße, als er zurückgab: »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.«

Arerius schnaubte verachtend, doch er wich gekonnt Desiderius` fragenden Blicken aus.

Unbeirrt griff er nach den Pelzen und wollte sie mit seinen dicken, wulstigen Fingern von Desiderius’ Beinen reißen.

»Was hast du vor?«, fuhr Desiderius ihn schockiert an.

»Wonach sieht es denn aus?«, fragte Arerius gelassen. »Ich möchte deine Wunde waschen und neu verbinden.«

»Wo ist der Heiler?«, wollte Desiderius wissen.

»Er hat andere Sorgen«, erklärte Arerius und schmunzelte Desiderius daraufhin mit einem hinterlistigen Funkeln in den Augen an. »Du bist nicht der einzige, der sich gestern etwas übernommen hat.«

Ein bitterer Geschmack breitete sich auf Desiderius’ Zunge aus. Er schluckte laut, bevor er sich befürchtend erkundigte: »Meinst du etwa Prinz Wexmell?«

»Es heißt, er liege mit Fieber im Bett und ist sogar zu schwach, um die Augen zu öffnen«, berichtete Arerius triumphierend. »Meine Gratulation, Bruder, du hast es geschafft, einen Prinzen fast ins Grab zu bringen.«

Desiderius‘ Herz raste voller Schuld in seiner Brust. Er richtete sich eilig auf, ignorierte den Schwindel in seinem Kopf, und wollte aufstehen.

Aber Arerius stieß ihn zurück auf das Bett und säuselte listig: »Oh nein, geliebter Bruder, du darfst nicht aufstehen. Anordnung des Heilers. Ich soll deine Wunde neu verbinden und dir dann wieder deinen Schlaftrunk verabreichen. Frühestens morgen Abend darfst du das Bett verlassen, wir wollen ja nicht, dass du dich überanstrengst.«

»Lass den Unsinn und geh beiseite!«, zischte Desiderius. Er wollte aufstehen, doch er kam nicht gegen seinen Bruder an, weil sein Körper sich noch nicht von der Erschöpfung und den Kräutern erholt hatte.

Sein bulliger Bruder stützte sich auf ihn und presste ihn damit auf die Pelze. Säurehaltiger Atem schlug ihm entgegen und ließ ihn beinahe würgen. Angewidert drehte er das Gesicht fort, um dem Geruch zu entkommen.

»Ich bring dich um, wenn du mich nicht gehen lässt«, drohte Desiderius wütend. Er hatte nur noch Gedanken daran, nach dem jungen Prinzen zu sehen. Egal, was er am Vortag zu Wexmell gesagt hatte, nun gab sich Desiderius die Schuld, weil der junge Prinz krank wurde.

»Keine Sorge«, sagte sein Bruder und ließ von ihm ab, »der Prinz ist bald wieder gesund, es ist nur die Erschöpfung, weil er die Nacht und den ganzen Tag vor deinem Zimmer gewartet hat, bis er schließlich auf dem kalten Boden eingeschlafen ist.«

Der Unterton in der Stimme seines Bruders gefiel Desiderius gar nicht. Alarmiert sah er Arerius an und beobachtete ihn genau.

Auf dem runden Mondgesicht seines Bruders zeichnete sich triumphierendes Wissen ab. Arerius setzte sich wieder auf den Hocker neben Desiderius’ Lager und verschränkte die Arme über seinem ausladenden Bauch, der fast sein dunkelblaues Seidenhemd zum Platzen brachte.

Desiderius schielte zur Tür, doch der Körper seines Bruders versperrte ihm den Weg.

»Es ist doch erstaunlich, dass niemand das Offensichtliche erkennt«, sagte Arerius und blinzelte gespielt unschuldig. »Aber mittlerweile habe ich dich durchschaut, geliebter Bruder.«

Statt etwas zu erwidern, starrte Desiderius ihn grimmig an.

»Dein drohender Blick nützt dir nichts«, grinste Arerius. »Du bist im Moment schwach und keine Bedrohung.«

»Du solltest gehen«, warnte Desiderius. »Und zwar sofort.«

Arerius überging das und begann im Plauderton zu erzählen: »Weißt du, ich glaubte ja schon immer, dass du Männer bevorzugst, die Tatsache, dass du oft an der Küste bist, war Grund genug für diese Annahme.«

»Alle Heimatlosen Bastarde sind dort, egal, wen oder was sie ficken«, warf Desiderius verärgert ein. »Ich war immer dort, weil deine Mutter mir nicht erlaubte, hier zu sein.«

»Das könnte man dir ja fast schon abkaufen, Bruder, wirklich gut gespielt, das solltest du bei deiner Verhandlung vortragen!«

»Was hast du vor?«, wollte Desiderius wissen, dem fast das Herz stehen blieb.

»Ich tue nur meine Pflicht als Bürger«, erklärte Arerius in einem Tonfall, der Glauben schenkte, er wäre wirklich davon überzeugt, das Richtige zu tun. »Unsere Gesetze nehmen es mit Männern wie dir eindeutig, geliebter Bruder. In den menschlichen Schriften steht geschrieben, dass es eine Sünde ist, einen anderen Mann zu besteigen oder sich besteigen zu lassen.«

Desiderius zog seine Augenbrauen hasserfüllt zusammen, sagte aber nichts.

»Siehst du, es ist eine Sache, wenn du es mit diesen dreckigen Gesetzlosen an der Küste treibst, aber eine gänzlich andere, wenn du einen Prinzen zur Sünde verführst«, grinste Arerius hinterhältig.

Desiderius war versucht, ihm seine geballte Faust direkt in das Mondgesicht zu rammen, doch er war zu gelähmt dafür. Er konnte nicht fassen, was sich gerade zutrug.

Lachend stellte Arerius fest: »Es ist so offensichtlich, wie du und er umeinander herumkreisen. Ich habe es erst nicht verstanden, aber als ich gestern sah, wie der junge Prinz nicht von deiner Tür weichen wollte, obwohl man ihm verboten hatte, zu dir hinein zu gehen, wusste ich, was zwischen euch ist.«

»Du weißt gar nichts!«, zischte Desiderius, doch innerlich war er wie betäubt.

Das bedeutete wohl das Ende, es sei denn, ihm fiel schnell etwas ein, um Arerius’ zum Schweigen zu bringen. Wenn er ihn aber umbrächte, würde man ihn trotzdem hinrichten.

»Ich weiß jedenfalls, dass ihr euch bei jedem Mahl Blicke zuwerft«, konterte Arerius. »Ich weiß, wie er dich angesehen hat, an dem ersten Abend, ich weiß auch, wie er jede Gelegenheit nutzte, um mit dir allein zu sprechen. Ich habe gesehen, wie ihr getuschelt habt, an dem Abend des Fests, und ich weiß, dass der junge Prinz nicht mit auf dem Ausritt war, weil er darauf warten wollte, dass du aufwachst. Und als wir zurückkamen, wart ihr beide lange Zeit verschwunden ... «

»Wir haben uns verlaufen!«

»Aber ihr wart zusammen«, warf Arerius ein. »Stets wart ihr zusammen.«

Desiderius schlug einen anderen Weg ein: »Willst du wirklich den jüngsten Prinzen unterstellen, er sei ein Sodomit?«

Arerius lachte auf, als er antwortete: »Natürlich nicht.«

»Was hast du vor?«, fragte Desiderius mit dunkler Vorahnung.

Sein Bruder hob an und tat, als spreche er vor einer Versammlung: »Mein eigener Bruder ist der Sünde verfallen, ich habe es selbst gesehen! Und er hat in seinem Wahn, den unschuldigen Prinzen verführt und geschändet.«

Desiderius schlug wütend mit der Faust auf sein Lager. »Das ist eine Lüge!«

»Wem wird man mehr glauben?«, fragte Arerius hochinteressiert. »Einem Bastard oder dem ehelichen Sohn des Lords? Glaubst du, dein Prinz wird bei einer Anklage etwas anderes behaupten, um deine Strafe abzumildern? Glaubst du wirklich, er hält selbst den Kopf hin, damit deine Hinrichtung nicht noch grausamer vollstreckt wird, als sie sowieso schon sein wird?« Arerius schüttelte bedauernd seinen Kopf. »Nein, natürlich nicht. Er wird behaupten, du hättest Magie verwendet, Zaubertränke, und damit wäre er fein raus.«

Desiderius’ Gesicht wurde dunkel vor Hass auf seinen Bruder.

»Oder sollte ich lieber fragen, ob du denn riskieren willst, dass nicht nur du, sondern auch dein kleiner Liebhaber hingerichtet wird?«

Desiderius spürte, wie ihm bei diesem Gedanken die Galle hochkam. Noch vor wenigen Nächten hatten er und Wexmell zusammen in purer Leidenschaft das Lager geteilt. Ihre Körper aneinander gerieben, sich geküsst und sich vereint. Nun konnte er nur noch daran denken, wie sie gemeinsam nebeneinander knien würden und sich ansahen, während die Menge brüllte und darauf wartete, dass man ihnen die Köpfe abschlug.

»Dachte ich mir doch, dass du das nicht willst«, stellte Arerius triumphierend fest.

Hasserfüllt fuhr Desiderius ihn an: »Was willst du

»Das, was mir schon immer gehört hat, was du mir aber weggenommen hast!«, zischte Arerius wütend zurück.

Darum ging es hier also, erkannte Desiderius. »Du willst Lord werden?«

»Tut mir leid, geliebter Bruder«, säuselte Arerius falsch, »aber wenn es um meinen Titel geht, verrate ich dich gerne.«

»Und du meinst, Vater lässt dich Lord sein, wenn du mich hinterhältig an den König verrätst?« Desiderius sah ihn zweifelnd an. »Du weißt, Vater hasst es, wenn du andere zu deinen Gunsten verpetzt.«

»Versuch nicht, mich zu manipulieren!«, warnte Arerius. »Sonst gehe ich noch heute Abend zum König.«

»Der König wird wohl kaum seinen eigenen Sohn bloßstellen«, warf Desiderius ein. »Er würde wohl eher dich töten, um das Geheimnis zu bewahren!«

Gelassen stand Arerius auf und schob den Hocker Beiseite. »Ich gebe dir genau zwei Tage Zeit, das Erbe zu meinen Gunsten abzulehnen. Tust du es nicht, erfährt jeder, dass du ein Sodomit und Sünder bist.«

Desiderius stieß fassungslos den Atem aus. »Du erpresst mich damit?«

»Weißt du, mir wäre es gleich, mit wem du dein Lager teilst«, erklärte Arerius scheinheilig, »aber leider muss ich an meine Zukunft denken, und dein Geheimnis ist nun mal ein gutes Druckmittel.«

»Du hast keine Ehre, mein Bruder«, warf Desiderius ihm vor.

»Genau wie du«, konterte Arerius und wandte sich dann zur Tür um.

Hoffnungslosigkeit breitete sich in Desiderius aus, nachdem sein Bruder ihn allein gelassen hatte. Erst erfuhr er, dass Wexmell mit Fieber im Bett lag – was wohl irgendwie auch seine Schuld war –und dann geschah das, wovor er all die Jahre solche Angst gehabt hatte. Sein Geheimnis war längst kein Geheimnis mehr und es wurde Zeit, fort zu gehen.

Für immer.

***

Desiderius stützte sich auf den Stock, der ihm als Gehhilfe diente, um das Bein mit seiner Wunde zu entlasten, und humpelte im Lichtkegel der Fackeln auf den dunkelhaarigen, großen Mann zu, der auf den Zinnen unter dem Sternenhimmel lehnte.

»Wie geht es ihm?«, fragte Desiderius, als er in Hörweite war.

Bellzazar sah ihm entgegen und antwortete: »Prinz Wexmell geht es gut, keine Sorge. Er schläft und morgen wird er uns alle wieder mit seinem herzlichen Grinsen beglücken.«

»Schön zu hören«, erwiderte Desiderius desinteressiert, doch innerlich seufzte er beruhigt auf.

Unter dem forschenden Blick des Halbgottes, lehnte er sich auf die Zinnen und blickte hinauf zu dem klaren Sternenhimmel.

»Wie geht es Euch?«, fragte Bellzazar. »Solltet Ihr nicht schlafen?«

»Ich war noch nie so ausgeruht«, antwortete Desiderius darauf. »Aber gut geht es mir trotzdem nicht.«

»Was ist passiert?«, wollte Bellzazar wissen und musterte ihn kritisch. »Ihr strahlt eine Aura puren Hasses aus.«

»Ja«, seufzte Desiderius und legte den Kopf in den Nacken.

»Wollt Ihr erklären, wieso?«

Statt zu antworten, fragte Desiderius: »Wann habt Ihr vor, aufzubrechen?«

»Ihr meint, um den Auftrag des Königs zu erfüllen, den Ihr ausgetüftelt habt?« Bellzazar grinste ihn an und antwortete dann: »Ihr und ich wollten aufbrechen, sobald der König die Heimreise antritt, aber ich habe das Gefühl, dass sich Eure Pläne geändert haben.«

»Ich hatte vor, noch heute Nacht zu verschwinden, wenn Ihr also meine Hilfe benötigt, dann müssen wir jetzt aufbrechen.«

Der Halbgott stellte keine Fragen darüber. Stattdessen sah er an ihm hinab und wollte wissen: »Könnt Ihr mit der Wunde reiten?«

»Vermutlich besser, als ich mit ihr laufen kann«, erwiderte Desiderius. »An der Küste werde ich mir jemand suchen, der mir sein Blut gibt, dann ist die Wunde verheilt und wir können ohne Verzögerung weiter.«

Bellzazar nickte und richtete sich schließlich auf. »Mir gefällt unsere Zusammenarbeit schon jetzt, Desiderius. Ihr redet nicht viel, handelt dafür schnell.«

»Ist das ein Ja?«

Der Halbgott grinste: »Ich verabschiede mich vom König, humpelt Ihr schon mal zu den Ställen und lasst die Pferde satteln.«

Geliebter Prinz

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