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ОглавлениеNach drei Wochen hatte sich Desiderius sehr gut eingelebt und erkannte nun auch die vielen Vorzüge des Lebens am königlichen Hof. Nicht nur die Bediensteten, sondern die regelmäßigen warmen Mahlzeiten, der köstliche Wein aus allen Bereichen Nohvas, die Schneider, die jedes Loch in seiner Rüstung flicken konnten, die großen Ställe und die grünen Weiden, in und auf denen sein Rappe ein herrliches Leben genoss. Es war geradezu perfekt. Außerdem mochte Desiderius, dass auch seine Schwester Silva hier war und sie nun endlich ungestört Zeit miteinander verbringen konnten.
Oft begleitete er sie, wenn sie auf den Markt ging, oder spazierte mit ihr durch die Palastgärten und hörte sich an, wie sie von Prinz Karic schwärmte. Sie war aufgeweckt, fröhlich und so ganz anders als ihre Mutter. Sie sagte auch oft, wie sehr sie Desiderius mochte und wie froh sie war, dass er bei ihr war. Es machte ihn immer glücklich, das von ihr zu hören, auch wenn er es nie zugeben würde.
Auch zu Prinz Karic hatte Desiderius ein gutes Verhältnis aufgebaut. Es war nicht schwer den zukünftigen König zu mögen. Er war charmant wie sein Vater, doch in strategischen Fragen überragte er den derzeitigen König. Prinz Karic hatte etwas radikalere Ansichten. Nichts, was einem Sorgen machen könnte, aber er scheute keine moralisch fragwürdigen Aufträge, wenn es um die Sicherheit Nohvas ging. Und er war fest entschlossen, die Gesetze zu ändern, sobald er König war, obwohl sein Vater ihm davon abriet.
Desiderius unterstützte ihn dabei und hatte Prinz Karic versichert, dass er, sobald er den Orden aufgebaut hatte, jeden Auftrag im Namen der Freiheit ausführen würde. Er war zuversichtlich, dass er mit Prinz Karic ein freieres Nohva erschaffen konnte. Selbst wenn sie Krieg führen mussten. Sie waren sich beide einig, dass es sich lohne, für die Freiheit aller Ausgestoßenen zu kämpfen. Freiheit für alle, die das gleiche Geschlecht liebten, für alle, die anders aussahen, Freiheit für alle ohne Herkunft und Namen, und Freiheit und mehr Rechte für Bastarde und Frauen.
Diese Ansichten missfielen vielen im Palast, vor allem dem König und der Königin, die sich um die Sicherheit ihres Sohnes sorgten. Desiderius konnte ihre Einwände verstehen und wusste um die Gefahren, die ihr Vorhaben mit sich brächte. Aber Karic und er waren zuversichtlich, wenigstens ein Stückchen Kultur der ursprünglichen Luzianer aufleben zu lassen.
Er und Prinz Karic waren auf einer Wellenlänge.
Als Desiderius den Kronprinzen vor einigen Wochen gefragt hatte, warum er sich so sehr dafür einsetzte, obwohl er selbst nicht betroffen war, erklärte Prinz Karic: »Ich will nicht eines Tages auf dem Thron sitzen und gezwungen sein, die Hinrichtung meines eigenen Bruders anzuordnen. Außerdem sollte jede Seele in Nohva das gleiche Recht haben, unabhängig davon, wie jemand aussieht, woher er stammt, wer ihn oder sie geboren hat – und vor allem will ich niemals die Ermordung einer Person gutheißen, deren einziges Verbrechen es war, zu lieben.«
Diese Erklärung hatte Karic Desiderius’ uneingeschränkten Respekt eingebracht. Desiderius war sich sicher, wenn jemand auf den Thron gehörte und eine Krone tragen sollte, dann war es dieser junge Prinz. Es war, als hätten die Götter ihn ganz bewusst zum Erstgeborenen des Königs gewählt. Es war die Antwort der Götter darauf, weshalb sie nichts gegen die Ungerechtigkeit unternahmen. Der Gott des Lebens hatte Karic in diese Welt gesandt, damit dieser sie von falschen Religionsgesetzen befreite.
Prinz Karic war der einzige der königlichen Kinder, mit dem Desiderius viel zu tun hatte. Prinz Wexmell sprach ihn nie an, er beobachtete ihn gelegentlich aus sicherer Entfernung mit sehnsüchtigen Blicken. Zwei der anderen Prinzen waren vor einigen Tagen abgereist, sie gingen gemeinsam zur Armee und wurden zu Kämpfern ausgebildet. Der Rest ging ihm aus dem Weg oder er ihnen. Vor allem vor den Prinzessinnen musste er sich oft in Acht nehmen, da sie ihn, sobald sie ihn erwischten, nicht mehr in Ruhe ließen.
Das Angebot, eine von Ihnen zu ehelichen war glücklicher Weise erloschen, nachdem er beschlossen hatte, kein Lord zu werden. Egal wie gut der König ihn leiden konnte, seine Töchter würden dennoch an wohlhabende Landbesitzer verheiratet werden, und sicher nicht an einen skrupellosen Mann, der im Palast wohnte und fragwürdige Aufträge auszuführen hatte. Zu denen auch zählte, Adelige bei Nacht und Nebel in den eigenen Betten zu töten, sollten sie eine Bedrohung darstellen. Für Desiderius war das kein Problem, aber der König würde dennoch keine seiner Töchter einem Mörder anvertrauen.
Desiderius war das nur Recht. Weder wollte er eine der Prinzessinnen, noch eine andere Frau, und ganz sicher keine Ehe oder auch nur so etwas, das im Entferntesten damit zu tun hatte. Er war der einsame Wolf, der immer einsam bleiben würde. Das hörte sich vielleicht traurig an, aber er hatte es lieber so, als jemals wieder den Schmerz der Enttäuschung durchstehen zu müssen. Man hatte ihn zu grob aus seiner kindlichen Naivität gerissen, als dass er in der Lage wäre, einem anderen Menschen derart zu vertrauen.
Er konnte einer anderen Person eine Klinge in die Hand drücken und mit ihr Seite an Seite oder Rücken an Rücken kämpfen, aber er würde niemals wieder jemand emotional an sich heranlassen.
Um seine Gedanken daran zu vertreiben, tauchte Desiderius unter Wasser und genoss das kühle Nass, das seinen Köper streichelte. Wie so oft, schwamm er im See.
Die beste Seite an seinem neuen Leben stellte der Dargardsee dar, der sich direkt neben der gleichnamigen Hauptstadt befand.
Die hohen Mauern der Stadt erstreckten sich am Rande des Sees, sodass Desiderius die Möglichkeit hatte, jeden Morgen oder Abend, je nach Zeitplan, von der hohen Mauer in die Gewässer des tiefen und gewaltigen Sees zu springen und zu entspannen. Der See hatte kein richtiges Ufer, er war eher ein Loch ohne Boden, das sich mit Wasser gefüllt hatte. Ein langer Fluss, der am südlichen Meer begann, floss direkt in den See.
Die zahlreichen Fischarten im grünschimmernden Wasser versorgten Dargard mit Vorräten. Sie waren der Grund, weshalb so viele kleine Fischerboote auf dem See unterwegs waren. Desiderius hielt sich immer weit entfernt der Boote auf, damit er den Fischern nicht ihre Beute vertrieb.
Schon einige Male hatte er auf dem Markt die Fische probieren dürfen und konnte verstehen, warum so viele Menschen eine Menge Taler dafür ausgaben. Aber er war eher der Fleischliebhaber, er liebte die Eintöpfe aus der Palastküche. Dort kamen nur die besten Stücke der Hirsche hinein, die in, oder besser gesagt, außerhalb von Dargard gezüchtet wurden.
Die Ebenen waren für die Hirschzucht bekannt. Das Fleisch und die Felle der Tiere wurden in anderen Gegenden teuer gehandelt.
Nachdem er sich an diesem Morgen genug abgekühlt und beim Schwimmen einen freien Kopf bekommen hatte, hievte sich Desiderius aus dem kühlen Wasser auf einen verlassenen Bootssteg. Er hatte Hemd und Schuhe auf der Mauer gelassen, aber seine Hose hing schwer an seinen Beinen.
Es verwunderte ihn nicht, dass er, sobald er den Blick hob und die Mauer hinaufsah, eine Gestalt auf der Mauer entdeckte, die neben seinen Sachen hockte.
Die angezogenen Beine mit den Armen umschlungen und das lange, schmale Kinn auf die Knie gestützt. Der Wind oben auf der hohen Mauer zerzauste sein gelocktes Haar, das im Schein der Sonne golden schimmerte.
Desiderius wandte sich ab und ging auf das Seil zu, das an der Mauer hinunter hing. Er selbst hatte es vor wenigen Wochen befestigt, damit er nicht immer die halbe Stadt in nassen Kleidern durchqueren musste.
Die aufmerksamen Augen des jungen Prinzen, die ihn verträumt betrachteten, kümmerten ihn nicht mehr. Prinz Wexmell beobachtete ihn immer, wenn er schwimmen ging. Erst hatte Desiderius nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte. Es war ihm unangenehm gewesen, bei dem einzigen, was ihn entspannte, verfolgt zu werden. Aber mittlerweile war er daran gewöhnt, dass er, sobald er aus dem Wasser auftauchte, Prinz Wexmell auf der Mauer erblickte. Er musste zugeben, dass er es sogar ein bisschen genoss, dass ihm so viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, obwohl sie körperlich Abstand hielten.
Die Anstrengung, an einem Seil die hohe Mauer hinauf zu klettern, betrachtete Desiderius als willkommene Übung für zukünftige Aufträge. Er war schon nicht mehr ganz so sehr außer Atem als die letzten Male, als er oben bei Prinz Wexmell ankam.
Sie sprachen nicht, sahen sich nur kurz an, ohne ein Gefühl preiszugeben.
Wie jedes Mal reichte Wexmell ihm stumm das Hemd hinauf, blieb noch, bis Desiderius sich angekleidet hatte und blickte wieder verträumt in die fernen Weiten hinaus, als Desiderius fertig war und sich zum Gehen umwandte.
Doch an diesem Morgen berichtete Wexmell ihm, bevor er gehen konnte: »Es kam ein Botenvogel für dich. Er hatte eine Nachricht.«
Desiderius drehte sich wieder zu Wexmell um und fragte: »Was für eine Nachricht?«
Es konnte sich nur um die Antwort auf seine Fragen bezüglich der Gerüchte über den Aufenthalt der Männer handeln, nach denen er suchte.
Wexmell zuckte mit seinen knochigen Schultern, die aber mittlerweile etwas breiter und muskulöser geworden sind. Es schien, als wäre der augenscheinlich schmächtige Kerl eigentlich um einiges muskulöser, wenn er nicht so lange krank gewesen wäre. Sein Körper schien sich erst nach und nach richtig zu erholen.
Noch immer grübelte Desiderius darüber, welche Krankheit dem jungen Prinzen fast das Leben gekostet haben mochte, aber er fragte nicht nach solchen Sachen. Wexmell würde es schon erzählen, wenn er denn wollte, dass Desiderius davon erfuhr.
Es ging ihn ja auch eigentlich nichts an.
Desiderius wandte sich um und wollte schnellstens nachsehen, welche Nachricht ihm zugeschickt wurde. Er hoffte auf gute Neuigkeiten.
»Ich habe sie hier«, hielt Wexmell ihn auf und hob plötzlich eine Hand, in der ein eingerollter Zettel steckte.
Desiderius kam zurück. Er nahm ihm kommentarlos das vergilbte Röllchen aus der Hand und rollte es auseinander.
Während er las, kam Wexmell auf die Beine und richtete seine Kleidung. Er ging jedoch nicht, er blieb mit verschränkten Armen vor Desiderius stehen und wartete ab.
Es war tatsächlich eine Nachricht von Cliff. Selbst ohne seine Unterschrift hätte Desiderius seine kindliche Handschrift und die vielen Schreibfehler erkannt. Dennoch verstand er den Inhalt der Nachricht. Gut. Sehr gut sogar. Er grinste verschmitzt.
»Gute Neuigkeiten?«, hakte Wexmell nach. Er wirkte unglücklich.
»Cliff weiß nicht, wo alle Männer sind, aber er weiß, wo ich einen von ihnen finden kann«, erklärte Desiderius und steckte den Zettel ein. Grinsend fügte er hinzu: »Und dieser eine kann mir helfen, die anderen zu finden.«
Unglücklich verzog Wexmell sein Gesicht. »Dann gehst du.«
Desiderius ließ die Schultern hängen und lächelte milde, als er die traurigen Augen erblickte, die ihn schmerzlich vermissen würden.
»Ich komme wieder«, versprach Desiderius. »Bald schon.«
Wexmell nickte. Doch er sagte noch bekümmert: »Es wäre wohl zu viel verlangt, dich zu bitten, dass ich dich begleiten darf, oder?«
Desiderius warf ein: »Selbst, wenn ich wollte, würde dein Vater es erlauben?«
Wexmell verneinte kopfschüttelnd. »Nein«, seufzte er zustimmend.
»Ich komme wieder!« Getrieben von Enthusiasmus warf er jede Vorsicht Beiseite und packte den jungen Prinzen an den Schultern. Er lächelte ihn aufmunternd an und versicherte: »Es wird nicht lange dauern. Ein paar Wochen, höchstens! Ich verspreche es!«
Wexmell wirkte wenig überzeugt.
Desiderius umfasste mit zwei Fingern kurz das schmale Kinn des Prinzen und zwinkerte ihm noch einmal gut gelaunt zu. Er war über die Nachricht so glücklich, dass ihn nicht einmal die Tatsache zusetzen konnte, dass er sich selbst das verbat, was er am meisten begehrte.
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab, er würde sofort aufbrechen. Doch er hörte den jungen Prinzen, den er zurückließ, noch murmeln: »In der zwischen Zeit kann viel passieren.«
Desiderius wusste nicht, was Wexmell für Sorgen plagten, aber er würde den jungen Prinzen nicht dazu drängen, ihm zu erklären, was er befürchtete.
Vielleicht fürchtete er auch überhaupt nichts, sondern war einfach nur traurig darüber, dass Desiderius eine Weile noch unerreichbarer war als sonst. Seine Laune würde sich bestimmt wieder heben, sobald Desiderius wieder da war und er ihn wieder heimlich anhimmeln konnte.
Als Desiderius sich am Ende der Mauer noch einmal zu Wexmell umdrehte, stand dieser noch immer mit verschränkten Armen auf der Mauer und blickte in die Ferne hinaus. Er wirkte in sich gekehrt und nachdenklich. Etwas belastete seine Seele.
Vielleicht war es die Tatsache, dass er trotz seiner Fähigkeiten der einzige Spross des Königs war, dessen Zukunft noch offenstand. Prinz Karic würde König werden und Wexmells andere Brüder würden Hauptmänner, Kommandanten oder Lords anderer Ländereien werden, seine Schwestern würden wohlhabende Männer heiraten. Aber was aus Wexmell werden würde, war noch nicht beschlossen.
Von Karic hatte Desiderius erfahren, dass Wexmell früher immer davon geträumt hatte, eines Tages die Soldaten anführen zu dürfen, die am Rande der südöstlichen Wildnis Erkundungsexpeditionen durchführten und den Luzianer Gebirgspass, der Nohva von der Wildnis trennte, vor Bestien und wilden Stammesvölkern schützten. Aber der König hatte seinem jüngsten Sohn das Kämpfen verboten und ließ sich erst einmal nicht umstimmen.
Noch nicht, warf Desiderius in Gedanken ein. Wenn es wieder ein Lächeln in Wexmells Gesicht zaubern würde, dann würde Desiderius nach seiner Rückkehr alles Erdenkliche unternehmen, um den König umzustimmen. Dann wären er und Wexmell zwar wieder überwiegend getrennt, aber vermutlich war der junge Prinz in der Wildnis weniger in Gefahr als in der Hauptstadt. Und das obwohl in der Wildnis brutale Bestien und kampferprobte Stammeskämpfer lauerten, und in der Hauptstadt nur Menschen.
Mit Besorgnis um den jungen Prinzen wandte sich Desiderius ab und beschloss, seine Reise schnell anzutreten, damit er ebenso schnell wieder hier sein konnte.