Читать книгу Zwanzig Zwanzig - Boris Born - Страница 11

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Jannek merkte, wie seine Zunge schwer wurde und der Schwung erlahmte. Er streifte seine halben Fingerhandschuhe ab und rieb seine Hände vor einer der Heizsonnen, die hell-orange leuchtete. Aus einem Oberlicht in zehn Meter Höhe schien winterliches Tageslicht auf Luftpolsterfolie, die er über das gesamte Atelier gespannt hatte. So wärmten die Heizsonnen wenigstens etwas. Das Plastik knisterte wie in einem befremdlichen Kokon. Auf dem Boden lag eine Leinwand. Er nahm ein Bambusrohr und schleuderte schwarze Linien darauf, bis sie damit übersät war und die Farbe ineinanderlief.

‚Nein! Das ist es nicht!‘ dachte er verärgert. Nun müsste er alles trockenföhnen, bis er wieder von vorne anfangen konnte. Erschöpft stellte er den Wasserkocher an, drehte die Kassette in dem alten Radiorekorder um und ließ sich auf einen Stuhl vor eines der Öfchen sinken. Die Krautrock-Musik bildete einen lärmenden Soundteppich und er studierte begeistert die Muster, die die Eisblumen, an den kleinen quadratischen Scheiben des großen Fabrikfensters gebildet hatten. Die Natur war immer noch der beste Maler.

Dieses war Janneks dritter Winter in London und für Dezember war es überraschend kalt. Nicht, dass es so kalt wäre, wie er dies aus Berlin kannte, aber die hohe Luftfeuchtigkeit setzte ihm zu.

Er hatte gerade eine rotbraune Farbe angerührt, als ihn ein Mann erschrak, der unbemerkt in sein Atelier gekommen war. Der schmunzelte verschmitzt und sagte:

„Hi“.

Jannek drehte die Musik leiser und musterte ihn. Seine langen Haare hatte er mit einem kleinen Kopftuch zusammengebunden und als er sich durch seinen schwarzen, imposanten Dreitagebart strich, sagte er:

„Mein Name ist Stephen. Ich habe das Atelier gleich hier nebenan gemietet.“

Das überraschte Jannek, denn es war sehr groß und deshalb sehr teuer und wegen der hohen Decke kaum zu beheizen. Außerdem war es ein ‚Durchgangsatelier‘, von dem Garys und sein Atelier abzweigten, was beim Arbeiten natürlich sehr störend war. Aus diesen Gründen hatte sich noch nie jemand dafür interessiert.

„Ich kann ja eigentlich nicht malen“, fuhr Stephen fort, „aber ich dachte, ich probier‘s mal.“

„Aha“, sagte Jannek immer irritierter, da es in diesen Ateliers ausschließlich professionelle Künstler gab. Die gesamte ehemalige Kosmetikfabrik war von einer Stiftung angemietet worden, die die großen Hallen grob mit Spanplatten-Wänden unterteilt und so fast 300 Künstlern einen bezahlbaren Ateliersaum verschafft hatte.

„Vielleicht kannst du mir zeigen, wie man malt. Ich meine, ich habe echt keine Ahnung“, fuhr Stephen fort, „ach, und kann ich mir mal deinen Besen ausleihen?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er Janneks Besen von einem Nagel und reichte ihn einer Frau, die nun hinter der Zwischenwand aufgetaucht war und ihn entgegennahm.

Jannek hörte, wie sie nebenan die harten Borsten über den Betonboden schrappte. Stephen dagegen betrachtete eindringlich Janneks angefangene Bilder.

„Interessant, wirklich interessant“, sagte er ab und zu, aber Jannek stufte seinen Blick als eher abschätzig ein.

„Nett dich kennenzulernen, ich heiße übrigens Jannek“, sagte Jannek, der ihn jetzt loswerden wollte.

„Bist du Deutscher?“ erwiderte Stephen plötzlich auf Deutsch.

„Hört man das so stark?“ fragte Jannek auch auf Deutsch, der niemals vermutet hätte, dass Stephen auch Deutscher wäre, denn er hatte nicht den geringsten Akzent.

Stephen grinste zynisch. Die Frau nebenan hatte angefangen stark zu husten.

„Sorry, ich muss helfen“, sagte er. Er löste sein Kopftüchlein und band seine Lockenmähne mit einem Gummiband zusammen. Das Tuch knotete er vor den Mund und ging hinüber.

Jannek konnte sich nun nicht mehr konzentrieren. Er hatte die ganze Zeit den Becher mit der Farbe gehalten und stellte ihn erst einmal ab.

Als Stephen und seine Freundin eine Pause machten, um dem aufgewirbelten Staub zu entkommen, und vor der Tür herumschäkerten, huschte er hinüber zu Gary und klopfte an die mit Papier abgeklebten Scheiben seiner Ateliertür. Janneks Atelier hatte keine Tür, Gary hatte seine irgendwann aus einem Müllcontainer gefischt und eingebaut. Jannek war von der Weitsichtigkeit beeindruckt.

Gary rief von innen, er solle hereinkommen.

„Hast du gesehen, wir haben einen neuen Nachbarn“, sagte Jannek empört zu Gary, der eine Leiter von einem aus Baugerüstbrettern selbst gezimmerten Zwischenboden hinuntergeklettert kam.

„Echt?“ sagte er erstaunt und zeigte seine Zahnlücke. Er hatte sich kürzlich einen Backenzahn ziehen lassen müssen, da er nicht mehr zu retten gewesen war. Jannek setzte sich auf ein wackeliges, dreibeiniges Höckerchen. Gary hängte Teebeutel in zwei Becher mit abgesprungenen Stellen, übergoss sie mit kochendem Wasser und schüttete etwas chinesischen Pflaumenwein in kleine Metallbecherchen, die man eigentlich im Pub als Messbecher für Schnaps verwendete. Seit dem Streit mit seiner Galeristin hörte Gary nur noch eine CD: ‚Meddle‘ von Pink Floyd, so auch jetzt. Jannek hatte ihm einige Male CDs von anderen Bands gegeben, aber die hatte er höchstens einmal aus Höflichkeit abgespielt. Durch die neue Zwischendecke war der Raum noch dunkler geworden. Es drang nur etwas Licht durch ein mit Werkzeug und Holzlatten zugestelltes Seitenfenster. Eine große Leinwand stand an eine Wand gelehnt. Auf ihr war ein kleines Mädchen mit einem anzüglichen Gesichtsausdruck gemalt. Es hatte über der Mundpartie verschmierten, roten Lippenstift und trug Kniestrümpfe mit einem kurzen Rock. Es streckte ein Knie vor und in einer Hand hielt es einen roten Hula-Hoop-Reifen. Auf die im Hintergrund gemalte Wand war im Stil von Graffitis ein Schmetterling gesprüht. Das Mädchen stand so davor, als wolle sie den Eindruck erwecken, dass die Flügel zu ihr gehörten.

Jannek kannte das Bild gut, weil Gary schon lange versuchte, es zu verbessern.

„Ist doch okay“, nickte Jannek aufmunternd.

„Nein, es ist Mist und nicht mehr zu retten“, erwiderte Gary, „es sieht irgendwie so aus wie mein alter Stil, ist es aber nicht. Es hat alles eingebüßt, seine Kraft, Lebendigkeit und Spontanität. Es ist das krasse Gegenteil davon.“

Jannek lächelte mitleidig, denn er hatte Recht. Aber er wusste nicht, wie er ihm helfen konnte. Als er Gary hier in den Ateliers kennengelernt hatte, hatte er ihn sofort gemocht. Er erinnerte ihn an einen Jugendfreund, zu dem er den Kontakt verloren hatte. Beide waren sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich: Sie trugen die Haare kurz geschoren, weil sie schon etwas kahl wurden, waren braunäugig, kräftig, etwas gedrungen und in jeder Hinsicht praktisch und patent. Beide hatten auch ein Faible für tarngrüne Cargo-Hosen, in deren ausgeleierten Taschen sie allerlei Nützliches aufbewahrten wie Zigaretten, Feuerzeug, Portmonee und Multifunktionswerkzeuge, beziehungsweise Taschenmesser. Wegen der Nähe der beiden Personen hatte Jannek immerzu das Gefühl gehabt, er kenne Gary schon seit langer Zeit.

Bald hatten sie die Flasche mit dem Pflaumenwein geleert und dazu mehrere Tassen Tee getrunken. Von Stephen und seiner Freundin war schon länger nichts mehr zu hören gewesen. Sie mussten wohl gegangen sein. Deshalb inspizierten sie nun das Atelier. Es gab aber nichts zu sehen, außer dass der Raum von irgendwelchen Kartons und anderem Müll befreit worden war und der Staub gleichmäßig in der Luft schwebte. Sie durchschritten ihn in verschiedene Richtungen, als hätten sie ihn noch nie zuvor gesehen.

Ein anderer Künstler aus dem Stockwerk darunter erschien. Er suchte Gesellschaft und lud sie zu Rotwein ein. Er zeigte ihnen seine neusten Bilder, die er in renommierten Galerien ausstellte und gut verkaufte. Jannek fand sie unendlich eintönig und konnte überhaupt nicht verstehen, wie man damit Erfolg haben konnte. Der Künstler aber klagte, was für ein beschissenes Jahr 1999 gewesen sei, denn dass er viele Bilder verkauft habe, sei ihm völlig gleichgültig, ja regelrecht zuwider, denn was bedeute ihm schon Geld. Was er wolle, sei internationale Anerkennung und er könne deshalb gar nicht abwarten, bis endlich das neue Jahrtausend beginne, denn da, und da wäre er sich absolut sicher, würde er seinen wirklichen Durchbruch schaffen.

Als der Wein alle war, verabschiedete sich Jannek, ging rauf in sein Atelier, säuberte seine Pinsel, verschloss die Farbgläser, verstaute sie in einer Styroporkiste, die, wie er hoffte, sie vor Frost schützte und verließ das Fabrikgebäude.

An der Bushaltestelle schlug er durchgefroren den Kragen an seiner amerikanischen Marinejacke hoch. Ein einsetzender Schneeregen traf ihn mitten ins Gesicht. Im trüben Himmel war es mehr Schnee, auf der Straße mehr Regen. Alle Scheiben des Haltestellenhäuschens waren zertrümmert, der Bus mit der Nummer 276 wie immer sehr unzuverlässig. Manchmal kamen mehrere kurz hintereinander und dann wieder für eine Stunde kein einziger. Mit seinem Stiefel rührte er in einer schwarzen Pfütze, in der öliger Schneematsch herumschwamm. Preschten Autos oder Lastwagen heran, sprang er schnell zurück bis an die Steinwand der Fabrik. Trotzdem traf ihn ab und zu der Matsch und er fluchte.

Als ihm das Warten zu lang wurde, machte er sich zu Fuß auf den Weg und durchquerte den Industriegürtel bis nach Hackney Wick. Die Nässe hatte seine Stirn eiskalt werden lassen und der Alkoholrausch etwas nachgelassen. Obwohl für viele Feierabend sein musste, war außer ihm niemand zu Fuß unterwegs. Ein Wagen mit Altmetall raste zu einer Alteisenhandlung. Ein Laster mit einem Müllcontainer hinterher. Der verlor groben Schotter. Hinter einer Mauer türmte sich eine zehn Meter hohe Pyramide aus alten Waschmaschinen, im Gelände daneben ein Hügel aus Kühlschränken, dann Autoreifen, danach eine weitere gigantische Schrotthandlung. Ein orangefarbener Kran durchschnitt mit gleißendem Scheinwerferlicht den schmuddeligen Abend. Mit einem starken Elektromagneten ausgestattet lud er tonnenweise Eisen in eine Presse, die sich langsam, quietschend aber ungebremst schloss und Würfel aus Metall ausspuckte. An einer Fabrikhalle, die als Kirche diente und in der sonntags schwarze Familien, die Frauen in bunten afrikanischen Batikkleidern, die Männer in ihren feinsten Anzügen, die Kinder frisch frisiert, ein jeder mit einer Bibel ausgestattet, Gospellieder sangen, scheuchte Jannek drei Graffiti-Sprüher auf. Sie rannten mit ihren Rucksäcken um eine Ecke und er selbst wechselte vorsichtshalber die Straßenseite.

Vor ihm lag eine Bungalow-Siedlung, in der die Straßenlampen nicht funktionierten. Außer in einigen Küchenfenstern brannte kein Licht. Er eilte hindurch, sah sich mehrfach um, prüfte, wo ihm jemand auflauern könnte, bis er die nächstgrößere Straße mit dichtem Feierabendverkehr erreichte und erleichtert seinen Schritt wieder verlangsamte. Auspuffgase türmten sich auf zu bauschigen Wolken.

Ein Pub neben einem Wettbüro roch ranzig, aber die Lichter waren warm und gedimmt und Jannek schlug eine angenehme Welle an Hitze, Rauch und Ausgelassenheit aus der Tür entgegen und er trat ein. Auf den aufgehängten Fernsehern liefen Fußball- und Rugbyspiele. Zwei Betrunkene spielten Billard. Einige der Wettlustigen von nebenan hofften bei plörrigem Bier auf das richtige Ergebnis. Jannek bestellte sich ein dunkles Bitterbier und trank es gierig, um seinen Alkoholpegel wiederaufzufrischen. Im Spiegel über der Theke, sah er eine Frau, die überhaupt nicht in diese Kneipe passte und die ein besonderes Schicksal hierhin verschlagen haben musste, die in einer Ecke auf einer Holzbank saß und rauchte und an einer Ecke ihres PLO-Tuchs knibbelte. Er entdeckte auch, dass er grüne Farbe im Gesicht hatte. Die Farbe an seinen Händen, die sich in den kalten Manteltaschen angelöst hatte, hatte schon sein Bierglas von außen verschmiert. Also ging er sich notdürftig waschen und bestellte ein zweites Bier. Sein Blick fing wieder die Frau ein, die das Tuch abwickelte und einen bestimmt vierzig Zentimeter langen Hals entblößte.

‚Dass es so etwas wirklich gibt“, dachte Jannek fasziniert, weil er sich an die überlangen gemalten Hälse Modiglianis erinnert fühlte. Sie hatte sein Starren nun bemerkt und lächelte ihn verschmitzt an. Er nahm sein Glas und setzte sich zu ihr. Ihre Ohren stellten sich wie ledrige, wohlgeformte, fast kreisrunde rote Blätter auf. Auf ihrer Wange hatte sie einige, ungeschickt überschminkte Pickel. Zwei unsinnige Minireißverschlüsse verzierten die Schulterpolster ihres Kleides. Ihr Nacken war flaumig behaart und ihre Haare mündeten in einem geschwungenen Zopf. Sie verströmte einen strengen Geruch, ein Gemisch aus Eiche und Jasmin. Als sie ihn fragte, was er mache, antwortete er bescheiden, aber zugleich auch ein wenig stolz, dass er ein erfolgloser Maler sei. Sie erzählte etwas von einem japanischen Film, den sie am Nachmittag mit ihrem Freund gesehen habe und der von einer Frau gehandelt habe, die in einer Sanddüne lebe und einem Mann, einem Schmetterlingsfänger, der zu ihr hinuntergelassen worden sei. Dort habe er als Gefangener mit der Frau gegen die Sandmassen der Wanderdünen ankämpfen gemusst.

„Kurz vor Schluss ist er einfach aus dem Kino herausgelaufen“, sagte sie über ihren Freund, „und er ist einfach nicht mehr zurückgekommen. Ich habe wie ein Idiot bis zum Schluss dagesessen und mir Sorgen gemacht. Nach dem Film war er auch nicht vor dem Kino. Er war einfach weg. Kannst du dir das vorstellen? Aber es war seine Methode gewesen, mich zu verlassen. Kurzerhand. Und ich kann mir nun überlegen, warum er das gemacht hat und was ich falsch gemacht habe. Was für eine armselige Rache.“

Jannek überlegte, welchen Grund er wohl gehabt haben könnte, sich zu rächen, und tröstete sie ungeschickt:

„Vielleicht hat er aber auch einen Anruf bekommen und musste dringend irgendwo hin.“ Sie schüttelte den Kopf, war den Tränen nahe und er ging an die Theke, um sich ein neues Bier und ihr einen weiteren weißen Hauswein zu bestellen. Zusätzlich kaufte er zwei Whiskys und kaum hatte er die vier Gläser auf dem Tisch abgestellt, da war sie ganz verändert und fragte ihn frivol:

„Willst du mit mir schlafen?“

Er runzelte die Stirn und lächelte verlegen, erwog sogar eine Sekunde lang zuzustimmen, was ihn selbst überraschte, aber dann entgegnete er:

„Äh, lieber nicht. Da setzt du auf den Falschen. Für derartige körperliche Aktivitäten bin ich zu müde. Ich würde sicherlich gleich einschlafen.“

„Aber als du gekommen bist, hast du mich begehrt“, empörte sie sich, „und nun bin ich dir zu betrunken. Aber ich bin in Wirklichkeit nicht betrunkener als du, aber du hast Angst vor dir selbst und alles ist nicht gerecht.“

„Mag sein“, sagte er abwehrend.

Sie legte ihre kalte Hand auf seine Wange und durchbohrte seine Augen, dann lächelte sie und fuhr fort:

„Ich will dich - wirklich.“ Dieser Situation fühlte Jannek sich nicht mehr gewachsen. Mühsam entwand er sich, stand auf und stammelte steif:

„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich möchte jetzt wirklich gehen.“

Er torkelte an einer kleinen Stadtteilbücherei vorbei. Sie war geöffnet und er wunderte sich, dass es noch so früh war. Durch die Scheiben sah er, wie Teenager sich um Computer drängten. Gegenüber bei einer Bushaltestelle ging er hinter ein Stromhäuschen und pinkelte dort in den Schlamm. Es war weiterhin ein aggressiver Verkehr im Gange, Autos schlingerten durch den Schneeregen, streuten weit ihr Licht. Jannek machte einen unkontrollierten Schlenker, warf seine nass gewordene Kippe weg, die sowieso seinen Schwindel nur gesteigert hatte, und hob sein Gesicht nach oben. So lange er konnte, hielt er die Augen geöffnet, beobachtete die vom Straßenlicht graugelben Schneeklümpchen und wie sie in sein Gesicht fielen. Er dachte an den Saturn, der irgendwo hinter diesem dichten Berg aus Watte lag und bestimmt auch gelblich glomm.

Zu Hause kochte er Spagetti und wärmte eine Fertig-Tomatensoße auf. Sein Mitbewohner kam von der Arbeit. Jannek und er hatten sich in einer WG kennengelernt und als es dort unerträglich wurde, hatten sie sich zusammen diese kleine Wohnung genommen. Sie war gerade so bezahlbar, aber zu eng für zwei, die kein Paar waren. Es gab zu viele Reibungspunkte. Der Mitbewohner hatte einen Freund mitgebracht. Sie setzten sich im Wohnzimmer vor den Fernseher, zogen ihre nassen Sportschuhe aus und ein unangenehmer Gestank verbreitete sich bis in die Küche. Jannek aß schnell, wusch flüchtig das Geschirr ab und zog sich in sein Zimmer zurück, wo er sich auf das Bett legte und zur Ausnüchterung Pfefferminztee trank. Er fühlte sich unwohl, kam sich irgendwie zu alt vor für diese Art Leben und dachte darüber nach, ob es nicht an der Zeit wäre, Veränderungen vorzunehmen. Veränderungen, die die Lebensqualität erhöhten und die Ungewissheiten auf ein kalkulierbares Maß zurückschraubten.

In den frühen Morgenstunden erwachte er mit einem Kater, lief unruhig, barfuß und in Unterhose durch die Wohnung, trat im Wohnzimmer in ein ekliges, weißes Pulver, versuchte es wieder abzutreten, aber es war überall und bildete Klümpchen. Auf dem Fensterbrett entdeckte er eine leere Dose auf der stand: ‚Carpet Odour Destroyer - Improved Formula - Super Fresh‘. Auf der Straße beobachtete er den jamaikanischen Opa aus dem Haus nebenan, der von einer Sause, die offenbar ganze Nacht angedauert hatte, die Straße entlangtorkelte.

Zwanzig Zwanzig

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