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SANDUHR UND UHR

Es kann sein, dass bei schlechten Schläfern etwas schiefläuft bei Körperprozessen, die das Einschlafen ermöglichen. Unser Körper nutzt von Natur aus zwei Instrumente, um dafür zu sorgen, dass wir schlafen und wann wir schlafen. Man könnte sie als «die Uhr» und «die Sanduhr» bezeichnen.

Die Uhr ist die biologische Uhr (der circadiane Rhythmus). Dank dieser inneren Uhr folgt alles Mögliche in unserem Körper wie Körpertemperatur, Konzentration, Hungergefühl und Hormonproduktion einem bestimmten Rhythmus, der auf den Planeten abgestimmt ist. Unsere biologische Uhr sorgt dafür, dass wir tagsüber hellwach sind und abends schläfrig. Falls Sie schon mal einen Jetlag hatten, wissen Sie, wie es sich anfühlt, wenn dieser Rhythmus durcheinanderkommt.

Das zweite System, das unser Körper nutzt, um dafür zu sorgen, dass wir abends einschlafen, ist der homöostatische Prozess. Man kann ihn mit der bereits zuvor erwähnten Sanduhr vergleichen. Ab dem Moment des Aufwachens beginnt unser Gehirn Adenosin zu produzieren, das sich mit jeder Stunde anhäuft wie Sand in einer Sanduhr. Anhand dieses Stoffs misst unser Körper, wie lange wir bereits wach sind und erhöht stetig den Schlafdruck. Je mehr Adenosin sich aufgebaut hat, desto stärker ist unser Drang, ins Bett zu gehen. Erst wenn wir wieder einschlafen, wird der Stoff abgebaut und die Sanduhr geleert.

Eigentlich wäre es naheliegend zu denken: Wenn jemand Einschlafprobleme hat, stimmt vielleicht etwas mit seiner inneren Uhr oder der Sanduhr nicht. Eus van Someren hat auch dazu jahrelang geforscht: Was läuft bei diesen beiden Schlafregulierungsprozessen schief bei chronisch Schlaflosen? «Aber eigentlich gab es da nichts zu entdecken», berichtet er. «Die wenigen Menschen, bei denen tatsächlich was mit der inneren Uhr oder Sanduhr nicht stimmt, haben zwar häufig Schlafprobleme. Aber damit ist der überwiegenden Mehrheit der Schlaflosen nicht geholfen: Die haben nämlich eine prima funktionierende Uhr und Sanduhr. Und trotzdem schlafen sie schlecht.»

Es gibt noch andere gesundheitliche Faktoren, die einem den Schlaf rauben können, darunter eine gestörte Atmung (Schlafapnoe) oder Muskelzuckungen (das Restless-Leg-Syndrom). Aber auch sie betreffen nur einen kleinen Teil der Schlaflosen und erklären die Probleme der überwiegenden Mehrheit nicht.

Van Someren und sein Team mussten also woanders suchen. Sie wussten, dass Schlaflosigkeit teils erblich bedingt ist: Kommt man aus einer Familie mit vielen schlechten Schläfern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man selbst auch unruhig schläft. Und tatsächlich fanden sie eine Reihe von Genen, die mit dem Risiko für Schlaflosigkeit einhergehen.

Was für Gene sind das, und welche Prozesse steuern sie? Der logischste Ansatz, um das herauszufinden, war, diese Gene mit jenen zu vergleichen, von denen bekannt ist, dass sie irgendwie mit dem Schlaf in Verbindung stehen. Vielleicht gab es ja eine Überschneidung mit solchen, die für andere Schlafaspekte verantwortlich sind. Zum Beispiel dafür, ob man eher eine Lerche (Frühaufsteher) oder eine Eule (Nachtmensch) ist, wie lange man schläft, ob man gerne Nickerchen macht oder schnarcht … Auch diese Dinge sind vererbt.

Aber Van Someren und sein Team machten eine erstaunliche Entdeckung, wie er erzählt. «Diese Überschneidungen sind eigentlich vernachlässigbar. Die Gene, die mit Schlaflosigkeit zu tun haben, stehen in keinem Zusammenhang mit denen, die den Schlaf regeln.» Mit anderen Worten: So sehr er auch in unseren Genen und Schlafregelungsprozessen suchte, er fand nichts, was chronische Schlaflosigkeit erklären würde.

Das ist hochinteressant, denn Körperprozesse sind genau das, worauf die meisten Schlaftipps abzielen. «Schlafhygiene» bezieht sich genau auf die Gewohnheiten, die die innere Uhr und die Sanduhr stören können: Kaffeetrinken stellt die Sanduhr auf den Kopf, zu viel blaues Licht zu später Stunde bringt die biologische Uhr durcheinander. Aber bei chronisch Schlaflosen scheinen diese Dinge gar nicht das Problem zu sein, insofern bringt die richtige Schlafhygiene keine echte Lösung. Klar, wenn man zehn Tassen Kaffee am Tag trinkt und abends länger zum Einschlafen braucht, kann es helfen, den Kaffeekonsum zu verringern. Aber wie auch Eus van Someren konstatiert: «Chronisch Schlaflose haben all das ohnehin längst ausprobiert. Nur hilft es ihnen nicht.»

Wir unfreiwilligen Nachteulen sind nicht einfach bloß zu «unhygienisch», um ins Bett zu fallen, und brauchen auch niemanden, der uns was von Schlafhygiene erzählt – genauso wenig wie Baldrianpillen, ein noch weicheres Kissen oder noch blickdichtere Vorhänge. Unser Problem ist womöglich nicht im Schlaf selbst begründet, sondern irgendwo anders.

Van Someren formuliert es noch drastischer: «Ich gelange immer mehr zu der Überzeugung, dass die ganze Vorstellung, Schlaflosigkeit wäre eine Schlafstörung, ein Irrtum gewesen ist.»

Schon meine Therapeutin hat gesagt, dass ich mich nicht auf meinen Schlaf konzentrieren soll. Das habe nicht nur keinen Sinn, sondern mache es bloß noch schlimmer. Nun hörte ich auch aus dem Mund eines Neurowissenschaftlers: Nicht der Schlaf ist das Problem.

Diese Vorstellung versetzte mir einen Schock, so wie wenn man einen Thriller liest, lange Zeit den Falschen verdächtigt und plötzlich erkennt, dass man auf dem Holzweg war. Plötzlich muss man nach einem anderen Täter Ausschau halten. Und genau wie in jedem guten Thriller versteckte sich die Auflösung dort, wo ich sie am wenigsten erwartet hätte: Nicht in der Nacht, sondern im Tag, hidden in plain sight.

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