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ALLE TIERE SCHLAFEN

Wenn ich nicht schlafen konnte, schaute ich mir manchmal Tierfilme an, in meiner Sofaecke in meinem Zimmer in Amsterdam.

Am liebsten welche mit Ottern: Die schwimmen auf dem Rücken, die angewinkelten Pfoten vor der Brust verschränkt, und das Fell an ihrem Bauch zu nassen Strähnen verklebt. Sind sie zu zweit, haben sie sich untergehakt, damit sie nicht voneinander forttreiben. Es gibt einen Film mit einem Otterweibchen, das sich träge auf dem Rücken treiben lässt, während das Junge ausgestreckt auf ihrem Bauch liegt. Das Kleine schläft, gewiegt von der Atmung seiner Mutter und dem riesigen Wasserbett darunter.

Nach schlafenden See-Elefanten musste ich länger suchen, aber auch die lohnen sich: Im Bild sieht man Dunkelblau, schraffiert von schräg einfallenden Sonnenstrahlen, darin schiebt ein See-Elefant seine zweitausend Kilo durchs Wasser. Sobald er tief genug abgetaucht ist und so Orcas und Haie hinter sich lässt, dreht er sich auf den Rücken, faltet die Vorderflossen auf dem Bauch zusammen und lässt sich dann reglos im dunklen Wasser nach unten sinken. The falling leaf phase – die Phase des fallenden Blattes, wie die darüber gelegte Stimme erklärt. Ist das Blatt eine Viertelstunde lang abwärts getrudelt, verwandelt es sich erneut in ein Tier und setzt sich aktiv in Bewegung, schwimmt mit kräftigen Schlägen schnurstracks zum Luftholen nach oben.2

Es gibt Tiere, die im Stehen schlafen können. Die Flamingos im Artis Zoo, an denen ich jahrelang regelmäßig vorbeiradelte, schlafen beispielsweise aufrecht auf einem Bein, während sie das andere zwischen den warmen Bauchfedern verstecken.

Im Grunde wissen wir von keiner einzigen Tierart, die nicht schlafen würde. Sogar ein Delfin, der gar nicht aufhören kann, sich zu bewegen, weil er dann ertrinken würde, kann schlafen: nur mit einer Gehirnhälfte, sodass die andere wach bleibt, und er weiterschwimmen kann. Schlaf ist anscheinend dermaßen unabdingbar, dass er sich zwangsläufig durchsetzt.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Schlaf zeitgleich mit den ersten Lebensformen entstanden sein muss. Er ist eine evolutionäre Konstante, auf die keine Art verzichten kann. Eine Spinne zieht die Beine an, und ihr Stoffwechsel verlangsamt sich. Regenwürmer nehmen eine besondere Schlafhaltung ein: leicht gekrümmt wie ein Eishockeyschläger. Sogar die primitivsten Einzeller kennen aktive und passive Phasen, die auf den Tag-und-Nacht-Rhythmus unseres Planeten abgestimmt sind.3

Und dennoch setzt sich der Schlaf bei sehr vielen Menschen nicht automatisch durch. Wenn Sie sich in eine Supermarktschlange einreihen, dann hat einer von fünf Wartenden vor Ihnen ein Schlafproblem.4 Wenn Sie eine Schulklasse der Mittelstufe betreten, wälzt sich die Hälfte der Teenager vor Ihnen nachts hin und her.5 Und auch sonst erfüllt ungefähr einer von zehn die strengen diagnostischen Kriterien für Insomnie beziehungsweise Schlaflosigkeit.6

Könnte ich es in puncto Schlaf locker mit dem Regenwurm aufnehmen, hätte ich dieses Buch nie geschrieben. Und wenn Sie mühelos schlafen könnten, hätten Sie vermutlich nie danach gegriffen.

Irgendwie hat der Mensch, die einzige Tierart mit Insomnie, das Schlafen zu einer komplizierten Angelegenheit gemacht.7 Zum Beispiel indem er den Schlaf als Zeitverschwendung abstempelt, als Versuchung, der es nicht nachzugeben gilt.

Immer wenn ich wirklich überhaupt nicht mehr schlafen konnte, setzte ich mich aufs Sofa, klappte meinen Laptop auf und sagte mir: Na dann eben nicht. Dann mach ich eben was Sinnvolles. Und da saß ich dann, missgelaunt und zerknautscht. Ein Kind, das sagt: Ich will überhaupt nicht mehr auf deine blöde Party!

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