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PRAXISANLEITUNG: DAS LEBENDIGSEIN SPÜREN

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Diese Praxis unterstützt Sie dabei, mit der lebendigen Qualität, die in jedem Augenblick in Ihnen vorhanden ist, stärker in Kontakt zu kommen. Sie ist nicht dazu da, irgendeinen bestimmten Energiezustand herzustellen oder zu fördern.

Schritt 1.

Wählen Sie irgendeine alltägliche Betätigung, wie zum Beispiel das Geschirrspülen, das Aufräumen Ihres Arbeitsplatzes oder das Unkrautjäten im Garten. Bevor Sie beginnen, achten Sie darauf, wie sich Ihr Körper anfühlt (angespannt, müde, energiegeladen, träge, dumpf...). Spüren Sie Ihre Füße auf dem Boden, strecken Sie Ihre Finger aus, reiben Sie Ihre Hände aneinander und atmen Sie ein paar Mal tief durch. Wenn Sie mit Ihrer Tätigkeit beginnen, achten Sie darauf, wie jeder Gegenstand, den Sie berühren, sich in Ihren Händen anfühlt. Beachten Sie seine Beschaffenheit, sein Gewicht und seine Form. Beginnen Sie, ein Gefühl für diesen Gegenstand zu entwickeln – mögen Sie den Teller, den Sie gerade waschen? Kommt Ihnen, wenn Sie den Besen halten, Ihre Mutter in den Sinn? Ärgern Sie sich darüber, nicht genug Platz für all Ihre Papiere zu haben? Würden Sie bei der Gartenarbeit lieber Handschuhe tragen oder gefällt Ihnen das Gefühl von Erde auf der Haut?

Schritt 2.

Halten Sie während der Betätigung regelmäßig inne und achten Sie darauf, wie sich die Energie in Ihrem Körper anfühlt. Wie ist Ihr Atem: flach, verhalten, entspannt, tief? Was ist mit Ihrer Konzentration? Fällt es Ihnen leicht, sich zu konzentrieren oder neigt Ihr Verstand dazu, abzuschweifen, so dass Sie leicht abgelenkt werden? Spüren Sie beim Arbeiten irgendeine bestimmte Emotion? Fühlen Sie sich besorgt, traurig, hoffnungsvoll, erregt, friedlich, ängstlich, schuldig? Wie fühlt sich in diesem Moment Ihr eigenes Lebendigsein oder dessen Abwesenheit an?

Schritt 3.

Lassen Sie nun Ihr körperliches und emotionales Gefühl für sich selbst mit in Ihre Beschäftigung einfließen. Sie arbeiten weiter und sind sich gleichzeitig Ihres Energiezustandes bewusst. Wird die Erfüllung Ihrer Aufgabe durch dieses Gewahrsein erleichtert oder erschwert? Eine gute Praxis, um während einer Routinearbeit Ihre eigene Lebendigkeit zu spüren, besteht darin, Ihrem Atem zu folgen. Wenn Sie aktiv auf Ihr Ein- und Ausatmen achten, hindert das Ihre Aufmerksamkeit daran, sich zu fixieren, zu verschließen oder zu erstarren.


Wenn die Seele in starren Identifikationen mit anderen und der Welt gefangen ist, macht sie das unzufrieden. Jede Seele besitzt einen Drang zur Wahrheit, eine innewohnende Sehnsucht, sich erfüllt, echt und frei zu fühlen. Obwohl es viele Menschen nicht vermögen, dieser Sehnsucht erfolgreich nachzugehen, ist uns allen der Antrieb gegeben, das Selbst zu verwirklichen. Das beginnt mit den ersten kleinen Bewegungen des Bewusstseins und zieht sich – ob wir uns dessen direkt bewusst sind oder nicht – durch unser ganzes Leben. Dieser Antrieb taucht spontan im Bewusstsein als wichtige Aufgabe eines psychologisch und spirituell reifenden menschlichen Wesens auf. Wenn die Reife bei einem sich optimal entwickelnden Menschen zur Weisheit wird, beginnt diese Aufgabe in seinem Leben eine Vorrangstellung vor allen anderen einzunehmen und allmählich zu dem Zentrum zu werden, welches sein Leben ausrichtet, unterstützt und ihm Bedeutung verleiht, bis es schließlich die Gesamtheit seiner Existenz umfasst.

A. H. Almaas, The Point of Existence, S. 16


Frank wälzte sich im Bett auf die andere Seite und öffnete die Augen. Sonnenlicht strömte durch das Fenster, und die Luft war frisch und klar. Ihm fiel ein, dass heute Samstag war und er vormittags keine festen Termine hatte. Er lächelte und drehte den Kopf zur Seite um seine Frau Sue anzuschauen. In diesem Moment spürte er unvermittelt den Schmerz im Nacken. Sein Lächeln schwand und die Stimmen in seinem Kopf setzten ein:

Da hast du’s. Das kommt davon, wenn man bis Mitternacht mit verspanntem Nacken im Bett lesen muss. Du warst doch gestern erst beim Chiropraktiker, und jetzt kannst du vor Montag nicht wieder hin – da wirst du also das ganze Wochenende einen steifen Hals haben. Wann begreifst du das endlich?

Das ist aber nicht allein meine Schuld. Dieser Typ kriegt meinen Nacken einfach nicht eingerenkt. Ich glaube, der hat sein Händchen verloren. Ich habe jahrelang im Bett gelesen, ohne dass es meinem Nacken geschadet hat. Außerdem habe ich gestern gar nicht gelesen; ich habe verdammt nochmal Fernsehen geguckt.

Es ist deine Schuld – du bewegst dich einfach nicht genug. Du sitzt den ganzen Tag nur rum.

Du hast recht. Ich bin faul.

Frank atmete tief durch und seufzte. Zeit zum Aufstehen. Sue schlief noch immer. Er verspürte den Drang, sich zu ihr herüberzubeugen und ihr einen Kuss zu geben.

Lass das lieber sein, du weckst sie sonst noch auf. Du weißt doch – letzte Nacht hat sie wegen ihrer Schlaflosigkeit kaum ein Auge zugetan. Wenn du sie jetzt aufweckst, wird sie wieder mal schlechter Laune sein.

Das kann ja sein, aber was ist, wenn sie mich nachher fragt, warum ich an meinem einzigen freien Morgen nicht mit ihr im Bett geblieben bin? Wenn ich sie nicht wenigstens küsse oder umarme, dann wird sie mir das den ganzen Tag vorwerfen.

Mann, Frank, du hast wirklich ein Problem. Die ganze Zeit denkst du nur darüber nach, wie du vermeiden kannst, dass sie sauer wird. Du liebst sie doch gar nicht wirklich – oder wieso machst du dir solche Gedanken darüber, immer der Nette sein zu müssen?

Frank setzte sich auf die Bettkante und streckte seinen Rücken, wobei er den Schmerz im Nacken spürte. Er fragte sich, was ihm dieser Tag noch groß bringen konnte... schon jetzt fühlte er sich zerknautscht und ruhelos. Der Morgen, der sich gerade noch so frisch und leuchtend angelassen hatte, erschien ihm nun allzu banal und niederdrückend. Na okay, dann esse ich mal was. Frühstück war etwas, was er immer mochte. Er stand auf, zog seinen Morgenmantel an und huschte leise aus dem Zimmer, wobei er die Tür hinter sich zuzog.

Befreiung vom inneren Richter

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