Читать книгу Rache - Calin Noell - Страница 10
Die Suche
ОглавлениеIch irrte in der Stadt umher und fluchte still in mich hinein. Ich wusste, war mir absolut sicher, richtig zu sein, und dennoch fand ich einfach keine Spur.
Sechzehn Jahre war meine Entführung jetzt her, und ich erinnerte mich kaum noch an die Umgebung. Trotzdem verspürte ich beim Überqueren der Stadtgrenze nicht den geringsten Zweifel, nahm das Ortsschild in Augenschein und betrachtete es. Freiburg – hier muss es sein.
Ich war mir eigentlich sicher, doch es gab viel zu viele Orte und Waldwege. Mit meinen gerade mal sechs Jahren war ich damals zu jung und besaß keinerlei Erinnerungen mehr daran, wo genau sich ein Zugang befand. Also entschied ich mich, die Stadt zu durchkämmen, suchte unauffällig nach Mitgliedern aus meinem Clan und hoffte, selbst jedoch von ihnen unbemerkt zu bleiben.
Ich hockte jetzt schon eine kleine Ewigkeit an einem Tisch vor diesem Lokal, aber auch hier tat sich nichts. Ich musste mir eingestehen, dass ich zu naiv an die Sache heranging. Die Stadt war einfach zu groß und ich vermutete lediglich, dass mein Volk sich inzwischen ganz und gar selbstverständlich unter die Menschen mischte.
Vollkommen frustriert legte ich ein paar Geldstücke auf den Tisch und ließ das Café hinter mir. An meinem Motorrad blieb ich stehen und überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte. Hatte es Sinn, noch einmal eine Runde über die kleineren Straßen zu drehen?
Ich startete den Motor meiner Harley und fädelte mich in den Verkehr ein. Erleichtert, die Menschenmassen der Stadt endlich wieder hinter mir zu lassen, fuhr ich einfach meinem Gefühl folgend. Je näher ich dem Wald kam, desto ruhiger wurde ich, noch immer, trotz der langen Zeit.
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und versuchte, mich auf mein Ziel zu konzentrieren, alles andere war unwichtig. Ich fuhr nicht so schnell, damit ich mich umsehen konnte, suchte nach Zugängen zum Wald, die irgendetwas in mir hervorriefen. In einer langgezogenen Kurve fand ich mich plötzlich hinter einem nervtötend langsamen Trecker wieder, bremste und warf einen Blick nach vorn. Ich wollte schon überholen, als ich eine kleine Zufahrtsstraße entdeckte. Kurzentschlossen bog ich ab, duckte mich unter den herunterhängenden Ästen und rollte gedrosselt den sandigen Waldweg entlang. Unbewusst atmete ich tief ein und seufzte. Ich mochte das Stadtleben nicht, die vielen Menschen, die Hektik und den Lärm. Obwohl ich mich die letzten zwei Jahre in den verschiedensten Städten aufgehalten hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dauerhaft an einem solchen Ort zu leben.
Der breite Weg endete an einem Schlagbaum. Ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Der Vorteil eines Motorrads lag darin, dass eine solche Sperre für mich kein Hindernis darstellte. Doch ich wollte meine Umgebung unbemerkt erkunden und hier war es ganz klar ein Nachteil, schon allein wegen seiner Lautstärke. Ein Anruf eines empörten Menschen würde genügen, und ich hätte mehr Verfolger, als mir lieb sein konnte. So sah ich mich gewissenhaft um. Niemand befand sich in der Nähe, also fuhr ich ein Stück vom Weg in den Wald hinein und fand eine Stelle, an der sich mein Motorrad gut verbergen ließ. Langsam stieg ich ab, schob es zu dem Baum, dessen tiefhängende Äste einen guten Sichtschutz boten, und ging zu dem Schlagbaum zurück. Erneut blickte ich mich aufmerksam um und prägte mir den genauen Standort ein, damit ich es später problemlos wiederfinden konnte. Außerdem achtete ich auf jedes Geräusch, jede Bewegung und bemerkte Wanderer oder Hunde schon sehr viel früher, als sie mich. Niemals würde ich begreifen, wie Menschen mit Kopfhörern auf den Ohren durch die Stadt oder den Wald laufen konnten, die Musik bis zum Anschlag aufgedreht und dadurch vollkommen taub und blind für alles, was um sie herum geschah. Für mich wäre das einfach absolut unvorstellbar.
Ich entschied mich, dem Weg ein Stück zu folgen, bevor ich tiefer in den Wald hineinging, und kontrollierte noch einmal meinen Rucksack. Ich hatte alles dabei, um einige Tage hier draußen zu überleben. Also marschierte ich los und genoss diese ergreifende Stille, die nur ein Wald zu erschaffen in der Lage ist. Denn obwohl tausendfaches Leben in ihm wohnte, es überall raschelte, summte und surrte, ging diese Ruhe tiefer, erfüllte mich vollkommen, wie es nirgendwo sonst möglich war.
Nur selten begegnete ich Menschen, die wanderten oder Hunde mit sich führten. Ich wusste, dass ich eine längere Strecke laufen musste, um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben, die zu finden, die ich suchte. Doch das störte mich nicht, im Gegenteil. Ich genoss es und je weiter ich voranschritt, desto einsamer, ursprünglicher wurde es. Deswegen war diese Gegend so ideal, dieser Wald so groß und natürlich, teilweise fast undurchdringlich.
Je tiefer ich vordrang, umso sicherer wurde ich, auf der richtigen Spur zu sein. Hier war der perfekte Ort, um unsere Welt vor den Menschen zu verbergen, so lange Zeit.
Ich kramte meine Landkarte hervor und nahm einen Schluck Wasser, versuchte abzuschätzen, wo genau ich mich befand. Ich entschied mich, den Weg zu verlassen und tiefer in den naturbelassenen Wald hineinzugehen. Hier würde es keinen weiteren, von Menschen erschaffenen, Pfad mehr geben und das war die Grundvoraussetzung. Ich musste in den Teil des Waldes vordringen, der von den Menschen vollkommen unberührt und für sie kaum zugänglich war.
Erneut atmete ich tief ein und eine leichte Gänsehaut überzog meine Arme. Konnte es tatsächlich sein, dass ich mein Ziel schon bald erreichen würde? Der Gedanke, endlich den letzten Teil meiner Rache zu vollziehen, war unglaublich berauschend. So lange Zeit schon wartete ich darauf, auch seine Nummer von meiner Liste zu streichen, der Letzte der Zwölf. Ich lächelte.
Danach ist es endlich vorbei.
Mein Lächeln blieb, bis sich eine Erinnerung in den Vordergrund schob und es schlagartig erstarb.
Je einen Dolch durch die Handfläche und in einen Pfahl getrieben, meine Füße baumeln in der Luft, unendliche Qualen ...
Ich schüttelte den Kopf, verdrängte die Bilder und atmete bewusst ein, um mich wieder zu beruhigen.
Bald werde ich endlich frei sein.
Dieser Gedanke trieb mich unermüdlich vorwärts, und gab mir die Kraft, die ich brauchte.
Als die Sonne langsam unterging, suchte ich mir einen Baum mit tiefhängenden Ästen, der in einer dichten Baumgruppe stand. Ich entdeckte schließlich einen, hangelte mich hinauf und sah mich um. Nachdem ich die Entfernung abgeschätzt hatte, sprang ich auf einen nebenstehenden und landete sicher auf dem dicken Ast. Erneut ließ ich meinen Blick gewissenhaft umherschweifen und entschied mich schließlich für einen weiteren Sprung. Dieser gelang mir nicht ganz so sicher, doch immerhin fiel ich nicht, hing jedoch mit den Füßen in der Luft. Mühsam kämpfte ich mich nach oben. In einer großen und stabilen Astgabel setzte ich mich, zufrieden mit meiner Wahl.
Sollte jemand oder etwas meiner Spur folgen, so hoffte ich, dass er oder es den ersten Baum hinaufkletterte und ich so rechtzeitig gewarnt wäre. Ich musste schlafen, um bei Kräften zu bleiben. Wahrscheinlich war meine Vorsicht vollkommen überflüssig, und obwohl ich mir dessen durchaus bewusst war, gelang es mir nicht, diese Eigenschaft abzulegen. Ich konnte mich schon längst nicht mehr dagegen wehren. Eine Kampfmaschine, dazu ausgebildet zu töten und doch ganz anders, als mein Peiniger es sich einst ersehnt hatte.
Aufmerksam ließ ich meinen Blick durch den Wald schweifen, erkannte jedoch aufgrund des dämmrigen Zwielichts nicht mehr allzu viel. Nachdem ich einen Apfel gegessen hatte, schloss ich die Augen und atmete einmal tief durch. Ich würde auch diese Nacht nicht ohne Alpträume schlafen. Fast dankbar für meinen jahrelangen Drill, weil ich seinetwegen sicher wusste, dass trotz alledem kein einziger Laut über meine Lippen kommen würde, was auch immer ich in meinen Träumen sah, versuchte ich mich zu entspannen.
Ich schreckte hoch und erstarrte, lauschte angestrengt, denn sehen konnte ich nichts. Es herrschte stockdunkle Nacht, und ich erschauderte. Dennoch empfand ich unendliche Erleichterung darüber, aus dem Schlaf gerissen worden zu sein. Zu furchtbar quälten mich die Erinnerungen, nicht nur in meinen Träumen.
Plötzlich hörte ich ein Grunzen und entspannte mich.
Bloß ein Wildschwein.
Beruhigt sank ich zurück und schloss die Augen, hoffte, dass meine Alpträume nun hinter mir lagen und ich noch ein wenig Ruhe fand.
Als ich das nächste Mal erwachte, dämmerte der Morgen bereits und ich atmete tief durch. Ich hatte tatsächlich den zweiten Teil der Nacht ohne Alpträume überstanden und blickte mich zufrieden um. Lautlos setzte ich mich auf und rieb mir über die Arme. Der Morgentau hatte längst den Weg durch meine Kleider gefunden und alles fühlte sich klamm und unangenehm feucht an. Vorsichtig griff ich nach meinem Rucksack und zog einen Energieriegel und einen Apfel heraus. Ich aß in aller Ruhe und kletterte dann langsam hinunter. Nachdem ich mich notdürftig frischgemacht hatte, warf ich erneut einen Blick auf die Karte.
Spätestens morgen muss ich einen Fluss erreichen.
Ich reiste mit leichtem Gepäck, so reichte das Wasser, das ich bei mir trug, maximal drei Tage und das auch nur, wenn ich sparsam damit umging.
Während ich zügig weitermarschierte, hing ich meinen Gedanken nach und überlegte fieberhaft, wie ich mein Erscheinen erklären sollte, ohne Misstrauen zu erregen.
Natürlich könnte ich behaupten, dass ich mich schlicht und einfach verlaufen habe, doch somit bestünde die Gefahr, dass sie mir nur den richtigen Weg weisen würden. Ich muss es unbedingt so geschickt einfädeln, dass sie mich nicht gleich wieder fortschicken.
Gleichgültig wie lange ich darüber nachdachte, es fiel mir kein logischer Grund ein, der plausibel genug klingen würde, um eine Weile bleiben zu können.
Je weiter ich marschierte, umso mehr kämpfte ich gegen meine Erinnerungen an.
Zigaretten, die sich glühend in meine Haut fressen, der Gestank nach verbranntem Fleisch, der in meine Nase steigt. Der Schlag, der folgt, weil ich weine ...
Seufzend schüttelte ich mich und versuchte, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Pilze., schoss es mir durch den Kopf und sofort formte sich eine Idee.
Sollte ich krank sein, wenn ich auf die anderen treffe, nehmen sie mich auf, dessen bin ich mir sicher. Vielleicht nicht gerade freudestrahlend und ziemlich misstrauisch, doch sie werden mich nicht wegschicken.
Lächelnd achtete ich nun sehr genau auf meinen Weg, denn ich brauchte die richtige Art.
Gift-Häublinge.
Da kann ich hinterher behaupten, dass ich dachte, es sei ein gemeines Stockschwämmchen. Ich grinste in mich hinein, fand die Idee wirklich gut. Jetzt musste ich nur noch welche finden, allerdings sollte das hier nicht allzu schwer sein, überall lagen Äste und abgestorbene Bäume herum.
Unermüdlich ging ich weiter, während mein Blick aufmerksam umherschweifte und kam zügig voran. Inzwischen schien die Sonne angenehm warm vom Himmel herab, hatte meine Kleidung vollständig getrocknet. Mein jahrelanges Training machte sich bezahlt, denn ich hielt ein gleichmäßiges Tempo, ohne zu ermüden. Letztendlich musste ich ihm wohl dankbar dafür sein, wer weiß, wie mein Körper sonst geformt wäre. So aber war ich durchtrainiert, jedoch noch immer weiblich. Ich wusste durchaus, dass die menschlichen Männer auf mich aufmerksam wurden, doch das interessierte mich nicht. Wichtig war nur, dass ich genügend Ausdauer und Kraft besaß, um mein Ziel endlich zu erreichen. Dass ich mehr Schmerzen ertrug als sonst jemand, war ebenfalls sehr hilfreich, denn ohne diese Eigenschaft hätte ich es niemals so weit geschafft. Nun aber sollte mein Rachedurst schon bald gestillt sein.
Wie erhofft, begegnete ich niemandem mehr und machte zwischendurch nur kleine, kurze Pausen. Ich ging zügig voran, bis es dämmerte. Erneut suchte ich nach einem passenden Baum, den ich erklimmen konnte, diesmal jedoch vergeblich.
Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich frustriert. Na gut, dann eben die altmodische Lagerfeuer-Variante.
Ich seufzte.
Obwohl ein Schlafplatz auf dem Boden wahrscheinlich viel schlauer ist, wenn ich auf ganz normale Wanderin machen will.
Ich sammelte Feuerholz und Steine, die groß genug waren, um ein Umgreifen der Flammen zu verhindern. Sorgfältig legte ich einen Kreis und schichtete Moos und Gräser in die Mitte. Ich entzündete es mit dem Feuerzeug und pustete vorsichtig hinein. Es qualmte unheimlich, da das Moos nicht vollkommen trocken war, doch es genügte, und ich warf die ersten kleinen Äste dazu.
Nachdem das Feuer vernünftig brannte, machte ich es mir gemütlich und versuchte, mich zu entspannen. Es gelang mir nur mäßig, also kramte ich in meinem Rucksack, bis ich mein Buch fand und zog es heraus. Es war der einzige Gegenstand, den ich besaß, und bereits ziemlich abgegriffen. Die Hütte. Ich hatte es schon mehrfach gelesen, dennoch beschäftigte mich diese Geschichte jedes Mal aufs Neue. Ich konnte die Handlung des Vaters einfach nicht nachvollziehen.
Wie kann er verzeihen? Ich werde es niemals können.
Ich dachte an den Pfarrer, der es mir vor fast zwei Jahren schenkte. Ich war nicht gläubig, gar nicht, woher sollte ich auch irgendeinen Glauben besitzen? Wurde er mir doch bereits als Sechsjährige aus dem Leib geprügelt.
Manchmal wünschte ich, dass ich die Dinge so sehen könnte wie in dem Buch, doch das war mir einfach nicht möglich. Dennoch dankte ich jedes Mal, wenn ich es in die Hände nahm, im Stillen dem Pfarrer für den Versuch. Er war der erste Mensch in meinem Leben, seit meiner Verschleppung, der mir etwas gab, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen, und das würde ich niemals vergessen.
Doch ich war nicht in der Stimmung dafür, klappte es wieder zu und verstaute es sicher. Genervt rollte ich meine Schlafmatte aus und benutzte meine Tasche als Kopfkissen, legte noch etwas Holz nach und schloss die Augen. Sofort überschwemmten mich Bilder. Hastig erhob ich mich.
Verdammt. Das darf doch nicht wahr sein. Was ist nur mit mir los? Je weiter ich gehe, umso schlimmer wird es.
Ich kramte in meinem Rucksack nach der Haarbürste und löste den geflochtenen Zopf. Nachdem ich ihn entwirrt hatte, setzte ich mich hin und begann, meine Haare zu bürsten, das beruhigte mich, sorgte dafür, dass sich meine Gedanken sortierten. Meine Haare, schimmernd schwarz, reichten mir bis zur Taille.
Sie sind das Einzige, das sie immer verschont haben ...
»Arrgh«, stieß ich fluchend hervor und schleuderte die Bürste zurück in den Rucksack. Rastlos legte ich noch einige Äste in die Glut und begab mich auf die Suche nach den Pilzen. Ich brauchte dringend eine Beschäftigung, die mich ablenkte.
Wahrscheinlich werde ich langsam verrückt.
Schon bald entdeckte ich die gesuchte Art und sammelte lächelnd sechs Stück ein. Zurück an meinem Nachtlager, ließ ich mich auf meiner Decke nieder und drehte einen von ihnen nachdenklich zwischen den Fingern hin und her. Ich kannte ihre Wirkung, wusste, sie würden auch bei uns Dunkelelben unangenehmes Erbrechen hervorrufen, doch sie waren die absolut perfekte Wahl. Anders als bei den Menschen, riefen sie bei uns keine weiteren Symptome hervor, da unsere Anatomie sich von ihrer in einigen Dingen klar unterschied.
Vorsichtig packte ich die Pilze zusammen und legte mich hin, grübelte noch eine Weile, wie lange ich wohl ohne Unterbrechung suchen konnte. Irgendwann wäre ich gezwungen, zurückzukehren, sollte ich sie hier nicht finden. Dann schlief ich ein.
»Na, meine Süße. Du wirst immer weiblicher, immer schöner.« Fast ehrfürchtig streicht er mir über die Wange, doch ich sehe sein Gesicht nicht. Es ist, als steht ein kopfloser Körper vor mir und gleichgültig, was ich auch versuche, es gelingt mir einfach nicht, die Erinnerung an sein Aussehen heraufzubeschwören. Nur dass er ein Dunkelelb aus meinem eigenen Clan ist, dessen bin ich mir sicher.
Seine Finger wandern unermüdlich hinab, weiter nach unten und ich kenne den folgenden Ablauf genau. Er tut es anfangs stets nach demselben Muster, als bräuchte er diese Sicherheit. Der Schmerz durch die Dolche in meinen Händen ist inzwischen unerträglich, doch ich weine nicht mehr, keine einzige Träne. Denn ich weiß mittlerweile, dass diese Schmerzen nichts sind im Vergleich zu dem, was dann folgen würde. Es wäre noch so viel grausamer, qualvoller.
Langsam wandert er weiter hinab, umkreist meinen Nabel ...
Ich schreckte hoch und riss die Augen auf, sah mich hektisch um. Nur ein Traum. Zitternd atmete ich durch, nahm einige Äste und schürte die Glut wieder an.
Die Träume werden tatsächlich schlimmer, je länger ich hier bin. Die Erinnerungen kommen mit aller Macht zurück. Ich kann es kaum noch verhindern.
Mein Hass wuchs, mein Zorn steigerte sich und damit mein Wille, ihn endlich zu finden. Ich musste es zu Ende bringen, egal wie und vollkommen gleichgültig zu welchem Preis.
Da es inzwischen dämmerte, packte ich meine Sachen, sammelte ein paar Beeren und aß eine Banane. Danach nahm ich noch einen Riegel und zwang mich, ihn langsam zu essen.
Morgen muss ich wohl auf die Jagd gehen. Ich kann es mir nicht leisten, dass mein Körper schwach wird.
Sorgsam verstaute ich die Pilze und machte mich erneut auf den Weg. Zwischendurch warf ich immer wieder einen Blick auf die Karte, konnte nur schätzen, wo in etwa ich mich befand. Zwar besaß ich ein GPS-Gerät, ebenso mein Handy, doch beides hatte ich schon seit Tagen ausgeschaltet. Ich wusste nicht, welche technischen Mittel sie inzwischen nutzten, war mir jedoch sicher, dass sie längst nicht mehr hinter dem Mond lebten. Sie besuchten die Städte und angeblich arbeiteten und wohnten einige von ihnen sogar unter den Menschen- Also standen dem gesamten Volk ebenfalls alle modernen Möglichkeiten offen. Doch ihren Clan würden sie mit allen Mitteln schützen, dessen war ich mir bewusst. Ich hoffte, dass sie mich nicht wiedererkannten, war mir dessen aber ziemlich sicher, viel zu lange war es her, zu viel Zeit war vergangen.
Eventuell konnten sie spüren, dass ich eine der ihren bin, das wäre vielleicht sogar zu meinem Vorteil, doch darauf wollte ich mich lieber nicht verlassen. Zu lange hatte ich mich nicht mehr in meine wahre Gestalt gewandelt, zu viele Medikamente und Drogen bekommen, um irgendetwas an mir zu testen. So saß ich also seit etwa dreizehn Jahren in der menschlichen Form fest und konnte es mir selbst inzwischen gar nicht mehr anders vorstellen.