Читать книгу Fools in Space - Calin Noell - Страница 10

Der Sänger

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Währenddessen auf der Secret 2 …

Die Neuen. Sie waren zwei Wochen in Quarantäne gewesen. Heute würden wir sie kennenlernen. Ich mochte es nicht, wenn Neue kamen. Es brachte Unruhe.

Die letzten Nachzügler. Das vermutete ich. Sie hatten das letzte freie Quartier bezogen. Doch das änderte nichts. Vierhundert Personen. Wir waren somit voll belegt.

Es gab schon Wetten. Welche Einheiten würden sie aufstocken? Ich hoffte, nicht die Küchencrew. Ich mochte meinen Bereich, so wie er war.

Meine Spätschicht begann um 1400. Ich wollte vorher noch etwas essen, daher hatte ich mich beeilt. Kord der Elektriker saß bereits an unserem Tisch. Er hatte sich meiner Zeit angepasst. Wie so oft. Er berichtete gerade von seiner neuesten Bastelei. Natürlich ein technisches Gimmick. Das Zischen der Automatiktür unterbrach ihn. Sie öffnete sich. Zwei riesige Kerle traten ein. Aggressive Präsenz, unmöglich zu übersehen. Oder zu ignorieren. Mit grimmigen Mienen kamen sie herein. Der Kleinere, er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Schritte fielen breit aus. Trotz seiner Größe. Die Lippen aufeinandergepresst. Seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Er musterte uns eingehend. Der Größere brauchte nichts davon. Seine gewaltige Statur reichte. Sie schüchterte ein. Seine Hand wollte ich nicht schütteln. Zu gefährlich, dachte ich.

Schlagartig verstummte das Gemurmel. Ki hatte den Zeitpunkt perfekt gewählt. Es war noch sehr leer. Doch die Stimmung kippte sofort. Trotz der wenigen Menschen, die sich hier bisher eingefunden hatten. Sie alle schienen den Atem anzuhalten. Furchtsam.

»Was suchen ausgerechnet zwei Kerle dieses Schlags hier?«, fragte Kord flüsternd.

Ich antwortete nicht. Kord wunderte das nicht.

Es gelang mir nicht, den Blick abzuwenden. Die drei Wartenden schoben sich an, direkt vor der Essensausgabe. Sie wollten dadurch schneller an ihr Essen kommen, fort von den Neuen.

»Ich wünsche euch einen guten Appetit«, erklang Kis Stimme. Sie materialisierte sich nicht. Verwundert sahen wir uns um. Doch sie erschien nicht. Dabei zeigte sie sich gerne.

Die drei Crewmitglieder fürchteten sich. Sie standen noch an der Essensausgabe, liefen aber nun schnell zum Tisch. Sie vergaßen ihren Nachtisch, nahmen ihn nicht von der Auslage.

Die Neuen stellten sich an den Scanner, hielten nacheinander ihren Armring darunter. Sie kannten das wohl.

»Hallo, Ewen der Lagerist, und hallo, Toglan der Gewebezurichter«, grüßte Ki die zwei fröhlich. Ihre gute Laune war unpassend.

Ich hörte ihre Nervosität heraus. Auch das fand ich unpassend. Doch für uns gehörte es zur Normalität. Ki mochte es, gemocht zu werden. Dann ließ sie ihre Emotionen deutlich herausklingen.

»Ruft euch bitte den Essensplan auf eurem Kommunikator auf und füllt ihn aus. Heute bekommt ihr alles, ab morgen das, was ihr bestätigt habt. Jeder isst ausschließlich seine eigene Hauptspeise.« Ihr Tonfall klang warnend. Ki verstand hier keinen Spaß. Das sollte ihnen nun klar sein. Sie konnte sehr wütend werden. Auch das war unpassend. Trotzdem entsprach es den Tatsachen. Den Nachtisch durften wir tauschen. Die Hauptspeise nicht. Warum, wussten wir nicht. Wir waren seit Beginn der Reise dabei. Es war schon immer so.

Kord und ich tauschten einen Blick. Wir waren erleichtert. Bei Kis Vorstellung dachten wir wohl in etwa dasselbe. Wir mussten mit keinem von ihnen zusammenarbeiten.

»Habt ihr irgendwelche Fragen?«, versuchte Ki es erneut. Beide hatten noch kein einziges Wort gesprochen. Das mochte Ki nicht. Sie legte Wert auf Höflichkeit. Und auf Anstand. Man grüßte und antwortete. Das gehörte für sie dazu.

»Nein«, entgegnete der Größere, Toglan der Gewebezurichter. Was sollte das sein? Ich wusste es nicht.

»Nein, was?«, hakte Ki nach.

»Nein, wir haben keine Fragen«, ergänzte er stirnrunzelnd.

»Ich kann für mich allein sprechen«, fuhr der Kleine ruppig dazwischen.

»Und, hast du Fragen, Ewen der Lagerist?«

»Nein.«

»Nein, was?«

Sie sahen sich irritiert an.

»Wir hier auf der Secret 2 werden eine geraume Zeitspanne miteinander verbringen«, erklärte Ki. Wir kannten sie bereits auswendig. Wir hörten nicht weiter zu. Ki hielt ihre Standpauke. Anstand und Manieren. Sie betonte, dass es nicht bedeutungslos sei. Keine Phrasen.

»… wir sind höflich und freundlich zueinander, selbst wenn wir uns ganz anders fühlen, denn dein Gegenüber kann nichts für deine Gemütslage«, schloss sie. Die anderen sprachen den letzten Satz laut mit. Leises Gelächter erklang im Anschluss. Immerhin hatte Ki es damit geschafft, die Stimmung wieder anzuheben.

»Also?«

»Nein, danke?«, versuchte es der Gewebezurichter fragend.

»Gerne. Ich wünsche dir einen guten Appetit.«

Der Lagerist wandte sich ebenfalls ab. Wortlos. Ki reagierte nicht darauf.

»Wo ist Ki?« Kord sprach das aus, was ich dachte. Sie würde Neulinge hier nicht allein lassen. Niemals.

Ich zuckte mit den Schultern, aufrichtig besorgt. Ki ließ sich solche Gelegenheiten nicht entgehen. Der erste Eindruck ist entscheidend. Aber nicht das Maß aller Dinge. Das betonte sie oft. Trotzdem zeigte sie sich nicht.

Die zwei setzten sich. Sie wählten einen Tisch an der Seite. Der Lagerist wischte das Häkeldeckchen von der Platte, angewidert. »Sind wir hier in einem Heim für senile Idioten?«

»He!«, schrie Dora die Sensible getroffen. Sie weinte. Ben, der neben ihr saß, versuchte sie zu beruhigen.

»Hast du ein Problem, Püppchen?«, rief der Lagerist abfällig. Dora schüttelte hastig ihren Kopf. »Dann ist ja gut. Aber wenn du willst, darfst du mir nachher gerne Gesellschaft leisten.«

»Lass sie in Ruhe, A-a-arschloch!«, schrie Ben.

Mit wutverzerrtem Gesicht erhob sich der Lagerist, sein Stuhl kippte um. »Was hast du gesagt, du Missgeburt?«

»Ewen der Lagerist, setz dich hin, sofort!« Kis Stimme hallte über das Deck, unheilvoll. Trotzdem ignorierte er Ki, ging einfach weiter. Direkt auf Ben und Dora zu.

Augenblicklich sprangen der Traurige, der Näher, der IT-Spezi und der Spieler auf. Die Mutige zögerte einen Moment, dann trat sie dazu. Sie stellten sich vor Dora und Ben, schützend. Kord und ich erhoben uns ebenfalls, griffen jedoch nicht ein. Ki würde das regeln. Jetzt. Sofort.

Aber sie kam nicht.

»A-arschloch!«, schrie Ben erneut. Er tat das nicht mit Absicht, doch das wussten die beiden Kerle nicht. Die Situation war angespannt. Und Bens Kommentare verschlimmerten es.

Unvermittelt flackerte das Licht. Ich sah mich um, hektisch. Und besorgt.

Der Knochenhauer stellte sich vor die Gruppe.

»Ki?«, rief Kord. Es folgte keine Antwort. Nicht einmal eine Reaktion.

»Oh, scheint so, als könnte sie euch nicht helfen.« Grinsend sprang der Lagerist nach vorne. Er griff nach einem Stuhl und hob ihn hoch. Gewaltsam zerschmetterte er ihn auf dem Rücken vom Knochenhauer. Der hatte sich im letzten Moment weggedreht. Sonst wäre es sein Kopf gewesen. Er sackte auf der Stelle zu Boden.

Es dauerte, bis ich begriff, was ich sah. Ein Besteckmesser glitt aus dem Ärmel des Lageristen. Es folgte ein ruckartiger Ausfallschritt und er stach zu. Der Spieler schrie, gefolgt von dem Näher. Er hatte sich auf den Lageristen gestürzt. Nun sackte der Näher zu Boden. Blut floss aus seiner Wunde, in einer eigentümlichen Linie.

Eine Schockstarre erfasste die Gruppe. Diese Gelegenheit nutzte der Lagerist. Er holte ein weiteres Mal aus und schlug die Mutige nieder, äußerst brutal. Der Gewebezurichter erhob sich. Er nickte uns zu und schlenderte zu der Gruppe. Eilig folgten wir ihm.

»Ki!«, rief Kord erneut. Wir lauschten, hofften, doch sie reagierte nicht.

»Bastler, drück den Alarm!«, schrie Ben, mit Blick zur Tür. Vaast der Bastler war gerade erst eingetreten. Der leuchtend rote Alarmknopf, er befand sich direkt neben ihm an der Wand. Er tat es, drückte, ohne zu zögern.

Laut schrillte die Sirene und hallte durch das Deck.

Grinsend hob der Lagerist einen weiteren Stuhl hoch über den Kopf. Ruckartig ließ er ihn nach vorne schnellen. Ein Stuhlbein traf den Bastler mitten ins Gesicht. Sein Schrei voller Qualen. Er tat mir in der Seele weh – und im Herzen. Kreischend taumelte er zur Seite. Es musste ihn schlimm erwischt haben.

Der Lagerist lachte. Doch erst als er den Stuhl anhob, da sah ich es, das Loch. Es befand sich dort, wo vorher sein Auge gewesen war, sein linkes.

Dora die Sensible schluchzte laut und hockte sich neben ihn. Seine Hand in ihrer. »Es tut mir so leid, hörst du? Es wird alles wieder gut.«

Mit einer schnellen Bewegung bückte sich der Lagerist. Er ergriff zwei abgebrochene Stuhlbeine, die er vor sich gestreckt hielt. Sobald sich jemand bewegte, schlug er zu. Wir umtänzelten einander, doch seine Reaktionen folgten flink. Es schien unmöglich, ihn zu erwischen. Also griff ihn niemand an, wir wagten es nicht, waren keine Kämpfer und das wusste er ebenso wie wir.

Der Gewebezurichter hatte dem Lageristen nicht geholfen. Doch nun standen sie Rücken an Rücken, umringt, eingekesselt von uns allen. Und während er beide Hände hob, hatte sein Freund offensichtlich sehr viel Spaß daran.

»He, wir können das beenden. Warum setzen wir uns nicht einfach wieder?«, versuchte der Gewebezurichter es ruhig.

Der Lagerist spuckte auf den Boden. »Mach doch, du Weichei. Ich hätte es vorher wissen müssen, dass du so ein verdammter Feigling bist.«

»Schluss jetzt!«, unterbrach Ki ihn unvermittelt. Zeitgleich traten acht Mitglieder der Sicherheitscrew ein, Elektroschocker in der Hand.

Erleichtert atmete ich auf.

Der Kreis öffnete sich sofort und endlich sahen wir sie wieder, Ki oder vielmehr ihren Kopf, der sich genau in diesem Moment materialisierte.

Der Gewebezurichter, er behielt seine Hände erhoben und kniete sich hin. Ein Zeichen, dass er sich ergab. Der Lagerist hingegen, er stürzte sich erneut auf uns. Ausgerechnet diesen Augenblick hatte sich der Knochenhauer ausgesucht. Er erhob sich, und befand sich plötzlich zwischen uns. Das blutige, abgebrochene Stuhlbein, es durchstieß seine Brust. Kein Schrei drang aus seinem Mund, obwohl er offen stand. Entsetzt starrten wir alle das Stück Holz an. Es war in seinem Oberkörper steckengeblieben.

»Nicht!«, schrie Ki noch, jedoch zu spät. Der Knochenhauer hielt das Ende bereits gepackt und zog es heraus. Voller Unglauben weiteten sich seine Pupillen. Sein Blick folgte dem pulsierenden Strom des Blutes, der aus seinem Körper floss, ehe er wie ein gefällter Baum umkippte. Das seltsam klingende Gurgeln, es hallte selbst Sekunden danach in meinem Geist wider. Schockiert sahen wir ihn an. Ich hatte noch nie einen Toten gesehen.

»Legt euch lieber nicht mit mir an!«, kreischte der Lagerist. Dann streckte ihn endlich ein Stromstoß nieder.

Der Knochenhauer und der Bastler, sie verstarben an diesem Tag. Die Mutige, der Spieler und der Näher befanden sich in einer Schlafkapsel und niemand wusste, ob sie überlebten.

Doch all das, es hatte auch bei uns Schäden hinterlassen. Ich betete, dass sie keine Neuen mehr schickten, niemals wieder.

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