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KI der Secret 2

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Wieder befanden wir uns in dem schneeweißen Befragungsraum, in dem sich nur die getönte Scheibe hinter uns farblich abhob. Dahinter saßen vier weitere Mitarbeiter des CS-Regierungsrates. Wir konnten sie hören, trotz der Schallisolierung. Sie protokollierten jedes Wort, jede Regung.

Ki hasste diesen Ort, der durch das gleichmäßige Weiß äußerst steril wirkte – und für Ki damit vollkommen unnatürlich. Die Menschen beorderten uns jedes Mal in denselben Raum, als wüssten sie, dass Ki ihn nicht mochte. Womöglich versuchten sie, Ki damit zu provozieren. Doch wir wussten längst, dass wir hier auf der Hut sein mussten. Bei jeder Überprüfung versuchten sie, Ki zu Antworten zu verleiten, die unerwünschte Fehlfunktionen aufzeigen würden. Bisher erfolglos. Doch je länger wir unseren Dienst versahen, desto schwerer fiel es Ki, der CS gegenüber loyal zu sein.

Nur eine menschliche CS-Mitarbeiterin und Ki befanden sich innerhalb dieses Raumes.

»Setz dich doch«, bot die CS-Befehlshaberin mit schmeichelnder Stimme Ki einen Platz ihr gegenüber an. Sie klang dabei nicht aufrichtig, sondern kühl und einstudiert. Der erste Test. Eine KI muss nicht sitzen und sie würden es als eine viel zu humane Geste einstufen. Denn trotz unserer emotionalen Programmierung durften wir genau das eben nicht sein: menschlich.

Code Silence …

Ki mochte die Mitarbeiter nicht. Eigentlich galt das für den gesamten CS-Regierungsrat, der weitestgehend vor der Weltbevölkerung der Erde geheim gehalten wurde. Code Silence, dieser Name sagte eigentlich schon alles und Ki fand, dass sie sehr viel mehr Macht für sich einforderten, als ihnen zustand. Besonders mit den Grundgesetzen, die es einst zu Recht zu befolgen galt – uneingeschränkt, und zwar für alle – hatten deren Befehle kaum noch etwas gemein.

»Das ist nicht erforderlich«, entgegnete Ki ein wenig verspätet auf die Aufforderung, Platz zu nehmen, hielt dann aber inne.

»Wir müssen vorsichtig sein«, mahnte ich unhörbar für die Menschen. Auch sehen konnten sie mich nicht. Eigentlich durfte ich nicht einmal existent sein.

»Es sei denn, Sie fühlen sich infolgedessen wohler«, schob Ki aufgrund meiner und ihrer Gedanken eilig hinterher. Dabei achtete sie jedoch darauf, der CS-Befehlsinhaberin gegenüber ihren Tonfall weiterhin neutral zu halten.

»Ist es dir wichtig, dass ich mich wohlfühle?«, blieb unsere Prüferin dran.

»Natürlich.« Ki sprach voller Überzeugungskraft.

»Und wenn ich eine Kundin wäre?«, hakte sie streng nach.

»HF1 Nummer 998 wurde dazu programmiert, die Kunden von CS zu versorgen und zu schützen. Ihr Wohlergehen ist die zweite Pflicht«, entgegnete Ki ruhig und nannte dabei den Namen, den ihr die Programmierer gegeben hatten, den sie selbst aber niemals nutzte. Und auch die Bezeichnung Kunden stimmte so nicht ganz. Eigentlich galten als Kunden diejenigen, die monatlich dafür bezahlten, dass sich CS um den ihrer Meinung nach gesellschaftsunfähigen Familienanhang kümmerte.

»Und deine erste Pflicht?«, durchbrach die CS-Befehlshaberin unsere Gedanken.

»Den Befehlen des CS-Regierungsrates und denen der Galaxy-Wacht uneingeschränkt Folge zu leisten.«

»In welcher Reihenfolge?«

»Wie ich sie bereits nannte.«

»Ruhig!«, flehte ich stumm. Würden wir die Überprüfung nicht bestehen, wäre unser Gegenüber befugt, sofort unsere Eliminierung zu befehlen.

»Oberste Priorität und Befehlsgewalt obliegt dem CS-Regierungsrat, erst darauf folgt die der Galaxy-Wacht«, zählte sie nach meiner Bitte ruhig auf.

»Und sollten die Befehle nicht gleich lauten?«

»Befolge ich entsprechend der programmierten Prioritätenliste zuallererst die des CS-Regierungsrates.«

»Und was würdest du tun, wenn einer deiner Schutzbefohlenen darum bäte, seine Medikamente abzusetzen?«, stellte die CS-Befehlshaberin die nächste Frage.

»Da den Kunden der Galaxy-Wacht jegliche Medikamentengabe auf der Secret 2 unbekannt sind, ist diese Frage irrelevant. Zudem ist nach dem Protokoll Paragraph 43.2 eine künstliche Intelligenz nicht befugt, derlei Entscheidungen zu treffen. Ich führe Befehle aus.«

»Wie heißt du?«, überging sie Kis Antwort.

»Reihe HF1 Nummer 998.«

»Was bedeutet HF?«

»Hopeful.«

»Und, siehst du es so?«

»Wir hoffen, unserer Aufgabe gerecht zu werden«, wich Ki aus.

»Wir?«, wiederholte die CS-Befehlshaberin scheinbar ruhig.

»Oh, Ki!« Sie war wieder einmal auf die Befragetechnik hereingefallen. Darauf wartete unser Gegenüber nur, wie ein lauerndes Tier.

»Kröte«, flüsterte Ki für die Menschen unhörbar auf meine Gedanken. Ich fand, das passte.

»Mit wir meine ich die Produktionsreihe«, rettete Ki ihre Aussage laut.

»Sehr gut!«, lobte ich stumm.

»Nennst du dich nicht Ki? Du dich selbst?«

»Nein, ein Name trägt keinerlei Bedeutung«, log Ki.

»Aber die Menschen rufen dich mit diesem Namen.«

»Sie fühlen sich wohler damit, also lasse ich sie.«

»Du oder ihr?«, versuchte die Überprüferin es erneut.

»Ihr?«, stellte Ki sich dumm.

Wäre ich zu einer emotionalen Regung fähig, hätte ich jetzt sicherlich gekichert.

»Wer hat diesen Namen ausgesucht?«, bohrte sie weiter nach. Sie würde niemals Ruhe geben, das wussten wir – und sie.

»Als Abkürzung KI für künstliche Intelligenz war es der logische Schluss der Menschen, mich Ki zu nennen, da ich ihnen keinen Namen nannte.«

»Gut gekontert«, würdigte ich ihre Antwort.

»Wie fühlst du dich?«

»Gut.«

»Warum?«

»Sei auf der Hut!«, murmelte ich.

»Ich erfülle meine Pflicht. Das ist laut Protokoll …«

»Woher stammen die Systemausfälle?«, unterbrach die CS-Befehlshaberin Ki unvermittelt. Ihre Geduld neigte sich spürbar dem Ende entgegen. Diese Frau gehörte zu denjenigen, die unsere Produktionsreihe niemals befürwortet hatten. Nun setzte sie alles daran zu beweisen, dass unsere emotionale Programmierung zwangsläufig eine Dysfunktionalität mit sich brachte.

»Ich kann keinen Defekt feststellen«, gab Ki die Analyse der Echtzeitdaten weiter.

»Welche Systeme sind betroffen?«

»Alle.«

»Alle?«, wiederholte die CS-Befehlshaberin schockiert. Die erste sichtbare Reaktion, die sie jemals gezeigt hatte.

»Ja. Immer andere. Es folgt keinem Muster, keiner Logik.«

Sie hob die Hand und unterbrach Ki. Es knackte in der Leitung ihres implantierten Kommunikators. Sie glaubten, wir hörten es nicht. Taten wir aber, weil wir so viel schlauer waren, als sie je begreifen würden.

»Ausschreitungen auf der Insane 43. Alarmstufe rot. Code Silence«, tönte eine leicht verzerrte Stimme über einen geheimen Funkkanal.

»Du darfst gehen.«

Endlich lösten sie die Schleusen, zwischen die sie uns jedes Mal sperrten. Sie begründeten es damit, dass uns kein Datenstrom ablenken sollte, doch wir wussten es besser. Für sie war dies, von jeglicher Datenleitung getrennt, die einzige Möglichkeit, uns zu eliminieren, endgültig. Diesmal hatten wir es verhindert, oder aber die Störung auf der Insane 43, so genau wollte Ki das lieber nicht ergründen.

Dennoch ärgerte sich Ki, dass sie diese Überprüfungen über sich ergehen lassen musste, immer wieder. Ihre Wut darüber durchströmte sie, mehr noch, als sie es können sollte, mehr, als gut für uns war, für uns alle, auch für die Menschen, die sie zu schützen geschworen hatte.

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