Читать книгу Fools in Space - Calin Noell - Страница 13
Der Sänger
ОглавлениеDas letzte Messer. Erschöpft legte ich es zurück in die Schublade. Gewissenhaft verschloss ich die Verriegelung. Alles war wieder ordentlich verstaut. Die vorbereiteten Lebensmittel abgedeckt. Die Arbeitsfläche sauber. So konnte das Abendessen problemlos zubereitet werden. Von der nächsten Schicht.
»Was tust du da?«, schimpfte mein Vorgesetzter. Corporal Ajoris der Küchenchef. Er sah mir direkt über die Schulter. Er stand viel zu nah.
Erschrocken fuhr ich zusammen. Ich schüttelte den Kopf. Er wusste, ich würde nicht antworten.
»Woher hast du das? Was willst du damit?«, schnauzte er dennoch.
Nichtssagend zuckte ich mit den Schultern.
»Sänger, ich sagte bereits, dass dich die Bestandslisten unserer Vorräte nichts angehen. Das ist nicht dein Zuständigkeitsbereich. Kümmere dich um deine eigene Arbeit, damit hast du genug zu tun!« Er griff nach meinem Kommunikator. Zweimaliges Wischen, dreimaliges Tippen. Er löschte die Listen aus meinem System. Das fünfte Mal. »Halte dich raus!« Sein Leib bebte. Er war übergewichtig. Deswegen ging er nicht. Er latschte. Aus der Küche heraus.
Mein Schreck wich nur langsam. Ich wartete einen Moment. Dann verließ ich die Mannschaftsküche über einen der Nebengänge. Wie immer.
Dienstschluss. Ich mochte meine Arbeit. Ein schweigsamer Job. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Niemand störte mich. Niemand wies mich an. Manchmal meckerten einige. Hinterher. Doch ich ignorierte sie. Meistens gelang es ganz gut.
Eilig durchschritt ich den Korridor. Er erinnerte mich an ein Krankenhaus. Auf der Erde. Dieser Gedanke erschreckte mich. Angestrengt lenkte ich meine Erinnerungen auf die Gegenwart. Darauf, was mich hier und jetzt bewegte.
Ich kannte Ajoris’ Warnungen. Trotzdem, ich schlich erneut auf Deck 29. Ein Nebendeck, es grenzte direkt an die Küche. Dort angekommen gab ich den Zugangscode ein. Mit einem leisen Zischen öffnete sich die Tür. Kälte umfing mich, während leichter Dampf aufstieg. Kaum eingetreten, schloss sich der Zugang wieder. Ich blieb stehen, lauschte. Mein Herz klopfte, sonst hörte ich nichts. Die Kammer war zu groß. Unmöglich, alles mit einem Blick zu erfassen. Unzählige Regale, Truhen, Kisten, Gefäße. Teilweise aufeinandergestapelt. Sie befanden sich auf diesem Vorratsdeck. Sie schienen niemals auszugehen.
Ich lief zwischen zwei Stellagen hindurch zu einem Tor. Dort gab es eine Luke, mit den Augen nicht zu durchdringen.
Eine Eisschicht überzog das Glas, hartnäckig. Als hätte es sich über die Zeit eingefressen. Ich erkannte nichts, wie immer.
Mein Berechtigungscode, er funktionierte hier nicht. An dem Panel. Ki war nicht wütend gewesen, beim ersten Mal. Dennoch hatte ich sie deutlich gespürt, ihre Grenze. Ich sollte sie nicht überschreiten. Nicht noch einmal. Dieses Gefühl, es ließ sich nicht festmachen. Vielleicht lag es an dem vagen Unterton. Ich hörte ihn selbst jetzt in meiner Erinnerung. Seitdem sträubte sich alles in mir. Ich durfte es nicht wiederholen.
Deswegen zog ich meinen Kommunikator aus der Tasche. Ich wollte meinen Standort prüfen. Zweimal ins Menü tippen, anschubsen. Es öffnete sich die Karte als Hologramm über dem Display. Den Teil, den ich benötigte, zog ich mit den Fingern auseinander. Er vergrößerte sich.
Die Pläne für dieses Militärschiff, es hatte gedauert, an die richtigen zu kommen. Es sind inoffizielle, die eigentlich gar nicht existieren dürften. Die offiziellen, die jeder einsehen kann, sie sind anders. Dennoch frei zugänglich, abgelegt im Netz. Die hier hingegen zeigten drei Decks hinter diesem Tor. Doch es gab kein Verzeichnis, keine Auskunft darüber, was genau sich dahinter verbarg. Auch verstand ich den Grund dafür nicht. Weshalb ließen sie uns Pläne sehen, die nicht stimmten? Ich stand an der korrekten Stelle, daran bestand kein Zweifel.
Mit den Fingern versuchte ich wider besseres Wissen, das Eis von der Luke zu kratzen. Vergeblich. Frustriert stieß ich ein Brummen aus. Abrupt hielt ich inne und lauschte, angestrengt. Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn.
Ich hatte lange darum gekämpft, in der Küche zu arbeiten. Ich wollte nicht in die Putzkolonne. Doch das müsste ich, wenn mich jemand erwischte. Meine Fragen, ich sollte sie ignorieren, ganz so, wie alle es taten.
Ein letzter Blick auf das Hologramm. Ich schloss es. Den Kommunikator schob ich in die Hosentasche. Leise schlich ich zurück an den Regalreihen entlang zum Ausgang. Meine Kleidung fühlte sich inzwischen steif an. Ich fröstelte. Eilig schritt ich durch die Lichtschranke. Sie öffnete die Tür, aber nur von dieser Seite automatisch. Es erleichterte uns das Durchgehen, voll beladen, mit Wagen und so.
Ich ärgerte mich über mich selbst. Verschwendete Zeit, fand ich. Fast drei Wochen waren es gewesen. Das Eis, es müsste runter. Kratzen ginge, aber nicht ohne Messer. Doch das traute ich mich nicht. Ki bemerkte solche Dinge. Immer. Zur Vermeidung körperlicher Auseinandersetzungen. Niemand durfte etwas Scharfes einstecken. Wie in einem Straflager. Vermutlich nicht unüblich. Vierhundert völlig fremde Menschen, zusammengepfercht für eine Mission, eine gemeinsame. Eine lange Reise.
398, korrigierte ich mich. Zwei waren gestorben. Ich wusste nicht, ob das überall so gehandhabt wurde. Das Weltall. Es war meine erste Reise. Ich hatte nie gedient, keine Ahnung davon.
Die Ressourcen wurden knapp auf der Erde. Unsere Mission ergab daher durchaus Sinn. Das ließ sich nicht bestreiten, auch nicht von mir.
»He, Blain!«, rief mich Calv der Zänker.
Ich erschrak und fuhr zusammen. Ich befand mich auf dem Hauptgang im ersten Bereich, in dem blauen Korridor. Ich reagierte nicht auf seinen Ruf, ignorierte Calv. Tat, als hörte ich ihn nicht. Ständig suchte er Streit. Er hatte große Probleme und davon zu viele. Der Versuch, von ihnen abzulenken, er war sinnlos.
»Sing ein Lied für uns, komm schon, Sänger!«, brüllte er mir hinterher.
Ich verdrängte ihn, den Ärger auf den Zänker.
Das sanfte, leicht bläuliche Schimmern, das der Beleuchtung, es strahlte von den weißen Wänden ab. Deshalb nannten wir ihn so, diesen Korridor. Futuristisch, so sah er aus, seltsam. Und fehl am Platz, hier auf der Secret 2. So hieß dieses Raumschiff. Es war eher praktisch gehalten, steril, gar nicht so wie hier.
Deck 12, ich betrat es. Deswegen arbeitete ich in der Mannschaftsküche. Lebensmittel suchten keine Unterhaltung. Für mich war das perfekt. Ich redete nicht gern. Tatsächlich nie. Zumindest nicht im eigentlichen Sinn. Jedenfalls nicht mehr.