Читать книгу Fools in Space - Calin Noell - Страница 8

Der Sänger

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Ich betrat die Transformationskammer. Nur zwei Schritte. Dann blieb ich stehen und staunte. Direkt vor mir, da lag ein See. Kristallklar. Er schillerte, als enthielte er Sterne, Tausende.

Wunderschön!

Wir mussten hindurch. Einen Weg um das Wasser herum gab es nicht. Ich würde tauchen. Das ging schneller. Und kostete weniger Kraft.

Hinter dem See begann eine Ebene, ein Feld. Es stieg an und mündete an einem Berg. Ich sah hinauf. Über mir, dort thronten zahlreiche Felsbrocken. Trümmer.

»Kommst du auch endlich?« Darjan der Halbstarke grinste. Ich zog mir die Jacke aus, danach Hemd, Hose und Schuhe. Grinsend tat der Halbstarke es mir nach. Er wusste, dass ich gut war. Nur deshalb war er mein Gegner. Ki achtete auf Fairness. Deswegen suchte sie Gleichaltrige, eigentlich.

Kord und ich, wir traten häufig gegeneinander an. Heute nicht. Nicht jedes Mal. Das wäre langweilig.

Ich sah nicht zu der Anzeige. Ein Blick darauf war überflüssig. Es piepte zweimal, das wäre das Startsignal. Der Halbstarke studierte die Zahlen darauf. Zeiten vorangegangener Wettkämpfe. Mich interessierte das nicht. Nur das Hier und Jetzt.

Piep Piep

Ich sprang mit einem Köpfer und tauchte sofort wieder auf. Vor Schock. Das Wasser war eisig. Ungewöhnlich. Ich zwang mich, Atem zu holen, dann tauchte ich wieder ab. Ich tat es nur für mich. Ein Sieg interessierte mich nicht. Es ging nur darum, es zu schaffen. Das Bestmögliche rauszuholen.

Als ich die Augen öffnete, konnte ich den Grund nicht sehen. Er war dunkel, etwa zwei Meter unter mir. Absolute Finsternis. Dabei hatte der See friedlich ausgesehen. Jetzt klopfte mein Herz, immer schneller. Eine Bewegung vor mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Beinahe hätte ich Luft geholt. Unter Wasser. Ein Felsen kam aus der Tiefe, verharrte kurz unter der Wasseroberfläche. Ich schwamm darauf zu. Er war breit. Drüber hinweg würde schneller gehen. Und ich musste Atem holen. In dem Moment, in dem ich mich darüber schob, schoss er in die Luft. Ich überwand ihn gerade so, fiel ins Wasser mit einem lauten Klatschen. Die Kanten waren scharf. Meine Hand blutete. Ich hatte mich festzuhalten versucht. Ein Fehler.

Der Halbstarke lachte. »Ich weiß schon, weshalb ich meinen Felsen umrundet habe.«

Ich tauchte wieder ab, konzentrierte mich. Und überlegte. Er war nach oben geschossen, als ich ihn berührt hatte. Den nächsten schwamm ich direkt an. Berührte ihn nur mit meinem Finger, schon flog er los.

Ich erreichte den Strand als Erster. Und spürte meine Schwäche. Doch zum Ausruhen blieb keine Zeit. Lediglich trockene Kleidung und ein Becher, sie standen bereit. Ich trank und zog mich an, hastig. Dann lief ich los, zum Kontrollpunkt und stöhnte. Dort standen Federbeine. Meine Schultern sackten hinab. Die Disziplin im Wasser war aufregend gewesen. Das hier erinnerte mich an meine Kindheit. Und das mochte ich nicht. Trotzdem griff ich danach, schnallte sie nacheinander fest, an meinen Stiefeln. Langsam zog ich die Beine an. Ein gezielter Sprung, um auf den Federn zu landen. Der Anfang war schwierig. Doch die Kontrolle zu behalten noch mehr. Man durfte nicht seine ganze Kraft benutzen. Das endete häufig tödlich. Die Sprünge gingen zu weit, zu hoch. Selten landete man dann wieder auf den Federn. Man fiel vornüber. Das tat weh. Ich war nicht empfindlich, aber auch nicht lebensmüde. Genickbruch, die häufigste Todesursache. Ich fragte mich, weshalb Ki ausgerechnet das ausgesucht hatte.

Der Halbstarke hingegen schien Spaß zu haben. Er lachte. »Das haben wir früher auch immer gemacht.«

Ein kurzer Sprung. Ich landete auf den Füßen, wie erhofft. Stillstehen ging nicht mehr. Ich hüpfte auf der Stelle, zweimal, dreimal, dann legte ich mehr Kraft hinein. Der Halbstarke war schon gestartet. Übermütig. Ich fluchte und folgte ihm, langsamer, bedachter. Eine rote Fahne signalisierte den nächsten Kontrollpunkt. Beim dritten Absprung ließ ich die Kraft weg, ich kam zu hoch. Stoppte dadurch die ansteigende Geschwindigkeit. Verringerte sie. Ein Loch im Boden. Das hatte ich nicht gesehen, nicht rechtzeitig. Es brachte mich beinahe zu Fall. Ich erwischte den Rand, strauchelte, ruderte mit den Armen. Nur knapp hielt ich das Gleichgewicht. Der Halbstarke aber lag auf dem Boden.

Er rieb sich über die Stirn, lachte jedoch. »Ki möchte anscheinend nicht, dass wir einen direkten Weg nehmen. Wir sollten es mit Schlangenlinien versuchen.«

Ich sah zurück. Und wieder nach vorne. Er hatte recht. Jetzt sah ich sie. Die Löcher im Boden. Ich nickte. Und wartete. Er hatte mir geholfen, jetzt würde ich mit ihm starten, zeitgleich. Andere hätten den Vorteil genutzt. Ich war nicht wie sie. Wäre es nie.

Mit einem Sprung erhob er sich, gekonnt, musste ich zugeben. Ich nickte. Wir sprangen voran. Meine Oberschenkel, sie schmerzten. Doch nun war es simpel. Wir wichen den Löchern aus und erreichten den Kontrollpunkt. Der Halbstarke vor mir. Etwa drei Sekunden. Wir standen am Fuße eines Berges. Ich grinste. Das mochte ich. Ich schnallte mir die Federbeine von den Füßen, eilig. Trank den Becher leer. Dann besah ich mir den kleinen Beutel. Er lag neben meinem Becher. Der Halbstarke hielt sich nicht damit auf. Er schnallte ihn sich um und hastete los.

Verwundert besah ich mir den Laserstift. Was sollte ich damit? Ich legte ihn zurück in den Beutel und befestigte ihn an meinem Gürtel. Dann stellte ich mich direkt vor das Gestein. Es war vollkommen schwarz. Der Halbstarke lag bereits zwei Körperlängen vorn, über mir. Ich machte mir keine Sorgen. Hier gewann ich immer.

Hastig folgte ich ihm, achtete jedoch auf einen sicheren Griff. Und Tritt. Ich zog schnell gleich. Zwei Linien kennzeichneten die Routen. Jeder blieb auf seiner.

»Was ist denn das?« Der Halbstarke klang erstaunt. Dann stöhnte er. »Ki, ist das dein Ernst?« Er schüttelte den Kopf. »Immerhin ist das eine Kindergartenzeichnung.« Trotz seiner Worte zog er lächelnd seinen Laserstift hervor.

Ich sah auf meine Markierung. Dort erschien ein Baum. Kindergarten, ja genau! Wütend zog ich meinen Laserstift heraus und schaltete ihn ein. Ich begann mit dem Baum. Das Abbild brannte sich in den Fels. Daneben zeichnete ich ein Haus, darüber die Sonne. Was waren wir hier? Ich kam mir vor wie ein Idiot. Meine Freude war dahin.

»Zum Glück mag Ki weder die alten noch die neuen Künstler. Stell dir vor, wir hätten was von Picasso oder Starglow zeichnen müssen.« Er lachte. Ich überlegte, ob ich abbrach. Ich hasste das. Als wären wir verblödet. Trotzdem kletterte ich weiter. Meine Anzeige leuchtete grün, also durfte ich es.

Der Halbstarke folgte. »Ich bin gespannt, was Fero, Hagen und Idar dazu sagen. Die bekommen wahrscheinlich nicht einmal einen Baum hin.« Er reckte eine Faust in die Luft, laut grölend.

Der Aufstieg war leicht, obwohl es senkrecht hinaufging. Es gab genügend Vorsprünge und Ritzen. Viel zu einfach, fand ich.

Die nächste Station. Hier sollten wir ein Haus zeichnen. Ich tat es. Genervt. Und kletterte weiter. Doch meine Wut behinderte mich. Ich rutschte ab. Nur meine linke Hand hielt mich, mein Gewicht. Hastig suchten meine Finger einen Halt. Ihn brauchte ich, um auch irgendwo meine Füße aufzusetzen. Als ich endlich einen ausreichenden Vorsprung fand, schwitzte ich. Schwer atmend hielt ich inne. Warum tat Ki das? Sie behandelte uns wie kleine Kinder und das tat sie oft. Ich aber war erwachsen. Schon lange.

»Alles in Ordnung, Blain der Sänger?« Kis Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Dein Puls ist erhöht.«

Sie wusste, dass ich nicht antwortete. Also kletterte ich weiter nach oben. Ich konzentrierte mich auf den Weg hinauf, nur darauf. Nichts sonst. Der dritte Stopp, ich dachte nicht darüber nach. Zeichnete die Sonne. Einen Kreis mit vielen Strichen durch die Rundung. Sonnenstrahlen. Als wäre ich drei. Die Lampe sprang auf Grün. Dann erreichte ich den Gipfel. Ich hatte keine Lust mehr. Oben erwartete mich ein Hoverboard. Ich seufzte. Das machte total Spaß. Eigentlich. Mir aber war er vergangen. Der Halbstarke hingegen jubelte, sprang auf das Brett. Seine Stiefel rasteten ein. Er flog davon. Durch die Trümmer hindurch. Er johlte. Ohne Unterlass.

»Willst du ihm nicht folgen, Blain der Sänger?«

Ich hieß Blain Kaptar, doch das interessierte hier niemanden. Mich schon. Es nervte. All diese Bezeichnungen, die als Namen dienten. Nicht als Ergänzung. Sie wurden ein Teil von einem. Meinen wollte ich unbedingt vergessen. Das ging nicht. Ki hatte dafür gesorgt, mit ihrer blöden Idee. Blain der Sänger, das war ich nicht mehr, schon sehr lange nicht mehr.

Ich griff nach dem Board. Jetzt ein Wort hervorbringen zu müssen, nichts wäre schlimmer. Also handelte ich. So musste ich nicht antworten. Mein Kommunikator lag draußen. Er war hier verboten. Ich stellte mich auf die Markierung, die für die Füße. Sie umschlossen im selben Moment meine Stiefel. Das Gewicht nach hinten verlagert. Es startete. Ich hob ab. Es erschien eine diffuse Linie. Sie ließ mehrere Möglichkeiten. Ich folgte ihr durch zwei Trümmer hindurch. Der Anblick, er war atemberaubend. Meine Wut verflüchtigte sich. Unter mir befand sich das Gebirge. Es sah viel höher aus von hier. Das Tal. Leichter Wind bewegte die Gräser. Es sah aus wie ein Meer und Wellen. Ich umflog ein dickes Trümmerteil. Ki hatte selbst die Sterne simuliert. Ich flog mitten hindurch. Da hörte ich den Halbstarken schreien und laut lachen. Ich umrundete zwei Felsen, dann sah ich ihn. Ein seltsam geformter Stein, ähnlich einer Rampe. Der Halbstarke hing kopfüber an dessen Ende. Er schwebte in der Luft, obwohl sein Board aus war. Eine rote Markierung an dem Stein signalisierte zweierlei. Ein Kontrollpunkt, den man absolvieren musste. Er hatte es nicht geschafft.

»Ein Looping«, rief der Halbstarke. »So cool, aber ich war zu langsam.« Ein Ruck mit seinem hinteren Bein. Das Hoverboard reagierte. Er drehte sich. »Willst du zuerst?«

Ich wusste, warum er mir das anbot. Er hatte Angst. Ich auch. Zumindest Herzklopfen. Ich nickte. Der Stein glich einer Spirale in klein. Man brauchte Schwung, um sie zu überwinden. Ich flog ein Stück zurück, dann drehte ich, lehnte mich ein wenig nach vorne und beschleunigte. Allein meine hintere Hacke tat das. Ich mochte Hoverboarden, nicht jedoch mit Höchstgeschwindigkeit. Hier blieb mir aber keine Wahl. Ich ging in die Hocke. Der Einlauf, ich musste ihn perfekt erwischen. Es gelang beinahe. Am Rand schlitterte ich etwas, dennoch behielt ich das Tempo bei. Dann saß das Board perfekt in der Rinne. Ich schlitterte über den Stein, drehte mich kopfüber. Der Looping war geschafft, so schnell. Ich grinste. Ein Hochgefühl erfüllte mich. Bis ich den Felsen von unten kommen sah. Die Nächsten waren gestartet und mit ihnen die Trümmer, die durch die Wasseroberfläche brachen. Ich war viel zu schnell.

»Stopp!«, schrie Ki nur eine Handbreit, bevor ich auf das Trümmerteil schlug. Er war direkt vor mir stehen geblieben. Der plötzliche Ruck, er riss mir das Board von den Füßen. Mir war schlecht. Mein Herzschlag raste. Dennoch lebte ich, unversehrt. Doch diese Erkenntnis, sie dauerte.

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Ki. Ich wusste, warum. Ihre Planung hatte eine Schwäche aufgezeigt, eine große. Das Gestein, sein Geruch kitzelte meine Nase, so nah war ich ihm. Doch ein Gedanke von Ki reichte. Er war fort. Nun lag sie vor uns, die freie Bahn, die nach dem Looping folgte, zumindest ab jetzt.

»Mann, Sänger, das war ja unglaublich. Ich dachte schon, du würdest an den Felsen klatschen. Autsch, das hätte sicher mehr als nur wehgetan.«

»Geht es?« Kis sanfte Stimme beruhigte mich ein wenig. Ich nickte trotz meiner Unsicherheit. »Wollt ihr zu Ende spielen?«

Der Halbstarke und ich, wir tauschten einen Blick. Zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf. Ich ebenfalls. Ich hatte genug.

»Tut mir wirklich leid«, wiederholte Ki.

Ich blinzelte, schon standen wir unten direkt vor dem Ausgang.

»Ihr könnt trotzdem noch baden, wenn ihr wollt.« Ich sah nach oben. Dort hatte Ki sich materialisiert, zumindest ihr Gesicht. Sie sah traurig aus. Ihre Augen schimmerten, als müsste sie gleich weinen. Was lächerlich war. Trotzdem nickte ich, gegen meinen Willen.

»Sänger, sieh dir das an. Es gibt eine Party!« Ich folgte dem Blick des Halbstarken. Dort gab es einen zweiten See. Sein glitzerndes Wasser ließ einen weit sehen, bis auf den Grund. Lampions hingen überall. Libellen surrten umher, Bienen und Schmetterlinge. Auf der Erde gab es sie kaum noch, nicht in freier Wildbahn. Ich zog mich aus und die Badehose an. Es war warm, hier in diesem Teil der Kammer und so legte ich mich in den Sand. Mit geschlossenen Augen konnte ich es mir vorstellen. Ich lag an einem Strand, irgendwo am Meer auf der Erde. Mia war auch hier, hier irgendwo. Diese Lüge, sie war besser als die Wahrheit. Besser als dieses Netz aus Lügen gewoben, hier auf diesem Schiff, dessen Sinn ich immer weniger verstand.

Fools in Space

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