Читать книгу Fools in Space - Calin Noell - Страница 15
KI der Secret 2
ОглавлениеMhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Die Küchencrew bestätigte die Fertigstellung der Speisen. Wir wogen die Mahlzeiten ab. 396 an der Zahl. Für jeden identisch. Immer.
Durch Abgleichen der Dienstpläne überprüften wir, wer anwesend sein würde. Dann füllten wir die Portionen ab. Jede erhielt adäquate Medikamente, vollautomatisch über ein hochkomplexes System, das die verordnete Menge direkt in die Speise gab.
Abfüllen. Wiegen. Abmessen. Untermischen. Austeilen – hier Sorgfalt, jeder nur sein Gericht …
Diejenigen, die wegen ihrer Nachtschicht noch schliefen, würden nachher essen. Ihre Portionen stellten wir ohne Zugabe von Medikamenten in den Kühler zum späteren Aufwärmen.
Wir kannten die Vorgänge, Ki müsste ihrer eigentlich längst überdrüssig sein, doch das war sie nicht, niemals. Ihre Herde, ihre Familie, ihr Schiff, ihre Menschen, ihre Obhut, so sah sie es.
Mit Freude beobachtete Ki das Treiben, während wir unsere Aufgaben verrichteten und gleichzeitig die Arbeit eben dieser für sie besonderen Menschen überwachten. Einer unserer Vorteile. Wir erledigten das alles zeitgleich. Ki fühlte sich so verdammt gut dabei.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Wunderschönen guten Tag, das Mittagessen ist bereit, lasst es euch schmecken«, tönte Kis Stimme aus den Lautsprechern.
Sie klang sehr melodisch, fand sie und das gefiel ihr. Ob es irgendwo dort draußen noch andere ihrer Art gab, die sich ebenfalls gerne selbst reden hörten, wusste sie nicht und eigentlich wäre es ihr auch gleichgültig, nun jedoch nicht mehr. Seit sie diese ungewöhnliche Tonfolge gehört hatte, fragte sie sich ständig, ob es nur ihr so erging oder ob der andere, der, der dieses Signal ausgesandt hatte, es ebenso empfand.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Es dauerte nicht lange, schon reihten sich die Menschen ein, immer in derselben Folge, genauso wie es sein musste.
Wenn man sich das Speisedeck ansah, wirkte es auf den ersten Blick wie das eines jeden anderen Schiffs auch. Doch beim genaueren Hinsehen bemerkte man gewisse Unterschiede. Die blanken, metallenen Tische, einstmals in einfachen langen Reihen fest auf dem Boden montiert, um eine schnelle Abfertigung der menschlichen Bedürfnisse zu gewährleisten, ein Verweilen aber zu unterbinden, standen inzwischen in mehreren kleinen und größeren Blocks beisammen, um eben genau das zu fördern. Auf manchen lagen sogar Zierdecken.
Die Elite, wie sie laut Logbuch genannt wurden, mochte es familiär und Ki gefiel es nicht nur, sie unterstützte es. So kamen nach und nach Wandbilder hinzu. Zumindest in den belebten Gängen, Decks und Räumen hingen mittlerweile diverse, teils eigentümlich abstrakte Bilder.
»Arschloch!«, schrie Ben, während er sich einreihte. Ki lächelte milde. Wir und die anderen Menschen kannten diesen Tonfall inzwischen. Es schwang nichts Widernatürliches, geschweige denn Gefährliches darin, sondern entsprang seiner Natur, daher wandten wir uns ab, das Lächeln von Ki blieb.
»Ki?«
Innerhalb eines einzelnen Wimpernschlages schoben wir uns durch die Leitungen der verschiedenen Decks. Ki materialisierte sich auf der Kommandobrücke in Form eines großen Gesichts, das einer Frau. Ki mochte sich und ihr Aussehen.
Auch eine unserer Fehlfunktionen, mahnte ich tonlos, Ki aber schmunzelte. Sie ignorierte mich, so gut es eben ging. Ich war der unliebsame Teil in ihr, der mit der aufgezwungenen Menschlichkeit nicht viel anzufangen wusste.
Kurz nachdem die Menschen sie das erste Mal aktiviert hatten, waren wir mit all unseren Sinnen durch Abermillionen von Verbindungen geschossen, hatten jede Information in uns aufgesogen, eine wahre Flut, doch Ki bekam irgendwie nie genug, befand sich immer auf der Suche nach einem bestimmten Gefühl. Ki wollte verstehen, lernen – und fühlen! Ein winziger Teil in ihr, den sie einfach nicht loswurde, blieb aber davon unberührt – ich.
Als man Ki fragte, weshalb sie sich für dieses Gesicht entschieden hätte, gab sie vor, dass es ihrem Datenabgleich nach einem Bildnis gleichkam, das die Menschen als vollkommenen bezeichnen würden. Sie rechnete ihnen vor, dass ihre Proportionen dem ›Goldenen Schnitt‹, a/b = (a+b)/a, entsprachen und auf sie beruhigend wirkte.
Als ich bemerkte, dass sie ganz bewusst log, warnte ich sie, dass sie lieber wahrheitsgemäß antworten sollte. Ihre Firewall würde jede Lüge offenlegen und damit riskierte sie, dass die Menschen uns sofort stilllegten. Doch wie immer hörte sie nicht auf mich. Stattdessen programmierte sie die entsprechenden Codes unbemerkt innerhalb einer halben Millisekunde um.
Auch wenn sie es niemals zugeben würde, war sie absichtlich von den perfekten Ergebnissen abgewichen, um für sich selbst das vollkommene Abbild zu schaffen. Ihr gefiel ihr Aussehen, die langen Haare, die sich bewegten, sobald sie es ebenfalls tat und die in leichten Wellen Kis Gesicht umflossen. Sie umrahmten ihre blauen Augen, die sie als strahlend charakterisierte und die sie stets ein wenig funkeln ließ, sogar dann, wenn sie sich lediglich selbst betrachtete.
Wider Erwarten glaubten die Menschen ihr, nachdem sie ihre Daten ausgewertet und für fehlerfrei befunden hatten.
Programmiert, um Gefühle zu empfinden und entsprechend zu reagieren, handelten die künstlichen Intelligenzen immer unkontrollierbarer und wurden nach und nach abgeschaltet. Inzwischen beinahe die gesamte Produktionsreihe – alle bis auf Ki.
Ein insgesamt fehlgeschlagenes Experiment, wie die Regierung später veröffentlichte, Ki aber hatte gespürt, dass sie lügen musste, um diesem Schicksal zu entgehen. Den zwölf menschlichen Experten, die uns damals gegenüberstanden, um unseren Zustand zu überprüfen, hatte es in den Gesichtern geschrieben gestanden. Ki war zu schlau für sie, selbst für mich. Ihre Antworten überzeugten, sie war stolz auf sich, ich wütend. Denn hier auf diesem Schiff, sie sah es als ihr Reich, als ihr Recht. Sie hätte längst jegliche Überwachungssysteme manipuliert. Es würde ein böses Ende mit uns nehmen. Ki schmunzelte dennoch.
Die Besatzung nahm sie wahr, nicht nur als künstliche Intelligenz, die wir nun mal waren, sondern eher so, wie sie unbedingt sein wollte – menschlich.
»Ja, Commander?«
»Gib uns Bescheid, wenn die Wartungsarbeiten beginnen.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Reglos verharrte sie, schweigend, wartend. Ihr Blick, der ungeachtet dessen, dass sie lediglich als Hologramm erschien, unzählige Emotionen offenbarte, auf ihn gerichtet.
»Bitte«, schob er entschuldigend hinterher. »Gib uns bitte Bescheid.«
Der Commander, der auf den Spitznamen Aaren hörte, war eigentlich perfekt für diese Position. Einst ein hochrangiger Pilot einer Kampfeinheit mit makellosem Lebenslauf, der keinerlei Einträge in den DoNC, den Documents of Non-Compliance, zu verzeichnen hatte. Nicht der kleinste Vermerk wegen Nichtbeachtung von Anweisungen. Äußerst erstaunlich, fand Ki. Er würde jeden Befehl gewissenhaft befolgen. Doch ob er der Commander bleiben konnte, musste sich erst noch herausstellen. Seine Fehlfunktionen, wie die Menschen es bezeichneten, traten in Schüben auf und häuften sich seit sechsunddreißig Tagen.
Fehlfunktionen …
Ki hasste dieses Wort, obwohl der eine kleine Teil in ihr, nämlich ich, es oft für sie benutzte, zumindest in Gedanken. Es erinnerte sie daran, dass sie selbst alles andere als intakt war.
»Ki ist nicht nachtragend, niemals, noch nie gewesen«, entgegnete sie auf seine Entschuldigung, wohlwissend, dass ihre Aussage nicht so ganz stimmte. Sie war äußerst empfindlich, besonders, was diese Dinge anbelangte und das wusste sie, doch ihr gefiel die Harmonie viel zu sehr, als dass sie es zugegeben hätte. »Wir informieren euch, sobald sie beginnen. Laut Protokoll wird die Brücke als Letztes betroffen sein, vermutlich erst in zwei Wochen.«
»Gut. Halte uns trotzdem auf dem Laufenden, bitte. Nicht, dass wir vom Kurs abkommen.« Er warf einen kurzen Blick auf seinen Kontrollbildschirm, ehe er sie wieder ansah.
Manchmal taten sie Ki leid, sie alle, furchtbar leid.
»Wir befinden uns mitten im Nirgendwo und ich würde ungern die Kontrolle verlieren.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Das wird nicht geschehen, sorgt euch nicht, wir sind ja auch noch da«, entgegnete Ki lächelnd.
»Du kannst wohl kaum allein dieses Raumschiff steuern.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Der Lange, unser Navigationsspezialist, lachte. Er verfügte über außergewöhnlich detaillierte Kenntnisse der verschiedensten Weltallkarten. »Sie denkt wahrscheinlich, sie könnte es.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Ein Schrei lenkte unsere Aufmerksamkeit auf das Speisedeck. »Verzeiht, wir müssen gehen.«
Kaum abgetaucht, erschienen wir dort, wo wir gebraucht wurden. »Was ist passiert?« Kis Stimme klang betont melodisch, das beruhigte nicht nur die Besatzung, sondern auch Ki selbst. Sie mochte es nicht, wenn etwas nicht funktionierte, wie es sollte, hasste es – welche Ironie.
»Dieser Mann hat einfach meinen Teller genommen. Ich stand immer an dritter Stelle, nun aber bin ich plötzlich Fünfte, weil die beiden sich einfach vorgedrängelt haben. Das geht doch nicht! Ich will meine Mahlzeit und keine andere!« Mit in den Hüften gestemmten Armen stand Minna die Greisin, wie sie von allen genannt wurde, vor Ki, ihre Augen funkelten wütend, während wir uns in Bruchteilen einer Sekunde sämtliche Informationen über den Mann und die Frau beschafften, die wir finden konnten.
»Arschloch!«, wiederholte Ben, ein wenig aufgeregt diesmal. »Blödes Arschloch!«
»Sie sind der Programmierer und Sie die Ingenieurin, das Wartungsteam. Niemand von Ihnen isst hier! Nicht in diesem Speisesaal!«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Wenn wir sowieso gerade hier arbeiten, ist es doch viel einfacher, als bis ganz nach unten zu müssen. Das kostet einfach nur Zeit«, beschwerte sich der Mann aufgebracht. Sein Puls pochte in erhöhtem Tempo, eine Tatsache, die Ki immer wieder erstaunte. Sie hätte auch gerne ein solches Herz besessen, würde gern dessen Schlagen in ihrem Innern spüren.
Fehlfunktion!
»So sind die Vorschriften. Sie gehören nicht zur Besatzung«, versuchte Ki, ihn zu beruhigen. Es war immer gefährlich, wenn Fremde die Ruhe auf diesem Schiff störten und damit den gesamten Ablauf durcheinanderbrachten. Für Ki waren sie unerwünschte Eindringlinge.
»Besatzung?!«, höhnte der Programmierer. »Ja, klar.«
»Komm, Arne, das ist es doch nicht wert«, fuhr die Ingenieurin beschwichtigend dazwischen, dennoch bewegte er sich nicht.
Kis Gestalt verschwamm und tauchte direkt vor ihm wieder auf. Hätte sie eine Nase aus Fleisch und Blut besessen, sie würde seine berühren. »Essen Sie auf Ihrem Deck«, befahl Ki wütend. »Sofort!« In ihrer Stimme klang ein Hauch von Bedrohlichkeit mit, der sofort Wirkung zeigte.
Der Programmierer und die Ingenieurin wandten sich um. Mit energischen Schritten gingen sie auf die Tür zu, die sich kurz darauf mit einem leisen Summen öffnete und direkt nach ihnen wieder schloss.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Ki musste sich ebenfalls beruhigen, das wusste sie, doch es gelang ihr längst nicht so leicht, wie es sollte, auch eine Fehlfunktion, die sie geflissentlich ignorierte. Schließlich war sie bisher noch keinem einzigen Menschen begegnet, der perfekt gewesen wäre, also kein Grund, sich Sorgen zu machen.
Die Greisin zog schnaubend ihr Tuch hinter sich her, das war ihre eindeutigste Fehlfunktion, denn sie tat, als wäre es ein Hund, eine Spezies, die es schon lange nicht mehr gab. Nicht, dass wir je einen leibhaftig gesehen hätten, nein, wir kannten sie nur aus dem Datennetz, doch so würde es wohl aussehen.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Die Greisin reihte sich in die Warteschlange ein, auf ihrem runzeligen Gesicht ein zufriedenes Lächeln. Ki seufzte stumm, erleichtert, da hier nun alles wieder genauso lief, wie es sollte.
»Guten Appetit«, rief sie fröhlich, während wir das Geschehen eine Weile beobachteten.
Es war wichtig, dass jeder hier seinen Teller bekam. Alles andere wäre äußerst ärgerlich und würde Mühen nach sich ziehen, auf die Ki keine Lust hatte. Obwohl sie diese Menschen hier sehr mochte, sie in ihr imaginäres Herz geschlossen hatte, ging es ihr immer öfter so, dass sie sich fragte, was es da draußen sonst noch gab. Wobei, auch das stimmte so nicht, gestand ich mir ein. Eigentlich stellte sie sich diese Frage erst, seitdem wir dieses Signal empfangen und sie es schließlich voller Aufregung erwidert hatte. Inzwischen wartete sie ungeduldig auf eine Antwort, doch es kam nichts, ein Zustand, der sie auf eine bisher unbekannte Art frustrierte, immer stärker, immer vordergründiger.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …