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Die Ingenieurin

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Ein schweigsamer Flug zu unserem nächsten Einsatzort, der Secret 2, lag hinter uns. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass Arne meine Anwesenheit als unangenehm empfand, oder ob er einfach nur seinen eigenen Gedanken nachhing.

Ich hasste diese kleinen Shuttles. Während es zur Landung ansetzte, den Schub verringerte, erzitterte mein Sitz. Mir wurde übel. Meine Hände krallten sich in die Armlehnen. Ich atmete bewusst durch, konzentrierte mich darauf, bis wir endlich aufsetzten.

Kaum öffneten sich die Verriegelungen unserer Gurte, schnallten wir uns ab und erhoben uns. Meine Knie fühlten sich ganz weich an. Nur mit Mühe gelang es mir, die Übelkeit zu verdrängen.

Ich warf Arne einen Blick zu. Nicht einen einzigen Moment sah er mich an.

»Landung problemlos erfolgt«, hörte ich den Piloten sagen.

»Warten Sie auf Anweisungen«, kam sogleich die Antwort über den Kanal. »Es gibt weitere Ausschreitungen auf der Insane 43 und es kann sein, dass sie einen zusätzlichen Transport übernehmen müssen.«

»Verstanden.« Es folgte eine kurze Pause. Wir warteten vor dem Ausstieg, während der Antrieb heruntergefahren wurde.

»Ich verstehe nicht, weshalb wir den ganzen Frachter nicht einfach abschießen. Wen kümmert das schon?«, wandte der Co-Pilot ein.

Wütend über diese Unterhaltung ballte ich die Hände zu Fäusten, Arne hingegen wartete teilnahmslos darauf, dass wir aussteigen konnten. Seine blonden Haare standen allesamt aufrecht, akkurat gekürzt, als würde es keine einzige Strähne auch nur wagen, aus der Reihe zu tanzen. Steif und vollkommen kerzengerade starrte er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stur die Tür an. Seine Gesichtszüge offenbarten ebenfalls keinerlei Gefühl.

»Stell dir vor, dort müsste irgendjemand aus deiner Familie leben. Würdest du dann immer noch so reden?«, ertönte die Stimme des Piloten erneut. Er hatte uns beim Einstieg begrüßt, im Gegensatz zu seinem Kollegen.

»Würdest du ernsthaft wollen, dass jemand, den du aufrichtig liebst, so leben müsste?«, folgte die herausfordernde Antwort.

Mehr hörte ich nicht, denn in diesem Moment öffnete sich mit einem leisen Zischen direkt vor uns die Tür und verschluckte sämtliche Geräusche um uns herum.

Eilig stiegen wir aus dem Shuttle, als könnte das dafür sorgen, dass dieser Auftrag schneller vorüberging. Seufzend sah ich mich um und hielt erstaunt inne. Der gravierendste Unterschied zu einem nicht ausrangierten Militärschiff bestand wohl in der Ruhe, die auf diesem Deck herrschte. Hier gab es keine rege Betriebsamkeit, im Gegenteil. Die vielleicht fünfzig Ankerplätze lagen vollkommen verwaist vor uns und eine beinahe unheimliche Stille umhüllte das gesamte Deck. Dennoch wirkte es keineswegs verwahrlost. Die Crew schien alles vorbildlich instand zu halten, was mich ebenfalls erstaunte. Dann aber rief ich mir ins Gedächtnis, dass es sich hier lediglich um die minderschweren Fälle handelte.

Mein Blick wanderte den Steg entlang, der uns den Weg vorgab, weil er ohne abzuzweigen, nur zu unserem Shuttle hin oder auf die Plattform vor uns führte. Der dumpfe Hall unserer Stiefel auf dem Metall schien das einzige Geräusch zu sein. Das Klacken, sobald die Sohle einen Kontakt registrierte, signalisierte das Auslösen der magnetischen Impulskontrolle. Die Bodenhaftung erschwerte jeden Schritt. Das Hangartor stand noch immer offen, was die künstlich erzeugte Schwerkraft ein wenig abschwächte. Bei geöffneter Einfahrt sorgte ein hochmodernes Schild für einen Druckausgleich und dafür, dass die Versorgung mit Atemluft aufrechterhalten wurde. Obwohl somit das Tragen von Atemschutzmasken nicht erforderlich war, machte sich der Unterschied durchaus bemerkbar. Aber das würde sich mit dem Schließen des Tores oder Verlassen dieses Decks wieder ändern.

Normalerweise, solange alle Systeme einwandfrei funktionierten, erzeugte sich eine künstliche Schwerkraft, in der wir uns überall so bewegen konnten, als befänden wir uns noch immer auf der Erde. Seit einigen Tagen verzeichnete das Netzwerk jedoch vermehrt ungeklärte Schwankungen.

Deswegen waren wir hier, Arne und ich. Als begleitende Ingenieurin hatte ich damals den Umbau überwacht und kannte dieses Raumschiff in- und auswendig. Arne sollte diverse Programme vor Ort überprüfen, da weder die System- noch die IT-Techniker die Ursache von außerhalb finden konnten.

Mein Blick wanderte nach vorne. Nur fünf Menschen hielten sich in diesem Moment im Hangar auf, zwei davon waren wir selbst.

Unser Empfangskomitee wartete bereits regungslos auf uns. Ein Mann mittleren Alters, mit einem ernsten Gesicht und einem sauber gestutzten Bart. Es hätte durchaus überzeugend gesund wirken können, doch sein an einer Seite heraushängender Hemdzipfel zerstörte diesen Eindruck. Seinen imaginären Rang las ich an den zwei vollen und einem halben Pin am Kragen seiner Uniform ab.

»Lieutenant Commander«, grüßte Arne mit einem Nicken und ignorierte dabei die Frau vollkommen, die einen Schritt zurückversetzt zu dem Lieutenant Commander stand. In der Hand hielt sie ein verdrecktes Tuch, das sie aufgrund der Länge ungefähr einen halben Meter hinter sich her über den Boden zog.

»Im Namen unseres Captains heiße ich Sie auf der Secret 2 willkommen. Folgen Sie mir, ich geleite Sie zur Brücke, danach zeige ich Ihnen Ihre Quartiere. Sollten Sie etwas benötigen, stehen Lieutenant Strave oder ich Ihnen zur Verfügung. Hier auf diesen Tablets sind Ihre Zugangscodes. Sie erhalten uneingeschränkten Zutritt.« Im ersten Augenblick irritierte mich seine Begrüßung mit der Bezeichnung Secret 2, bis mir wieder einfiel, dass der Crew der eigentliche Name, nämlich Fool 2 selbstverständlich verschwiegen worden war, um keinerlei Argwohn zu erregen.

Als er uns nun die Bordtablets reichte, kämpfte ich gegen das Grinsen, das sich unbedingt auf meine Züge legen wollte. Im letzten Moment beherrschte ich mich jedoch. Natürlich besaßen wir unsere eigenen Panels, deren Zugriffsrechte weit über die Vorstellungskraft dieser Crew hinausgingen.

Wir nahmen sie von ihm entgegen und signalisierten mit einem leichten Kopfneigen unsere Dankbarkeit. Mein Blick streifte den Lieutenant, der an der Tür wartete. Seine Füße standen breit auseinander, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, seine Haltung wirkte locker und dennoch angespannt. Seine Augen stur geradeaus gerichtet, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, ob er uns überhaupt wahrnahm. Seine Uniform wies keinerlei Makel auf, trotzdem erschien er eher wie ein Wächter und nicht wie das Crewmitglied eines Raumschiffes.

Der hochfahrende Antrieb unseres Shuttles durchbrach meine Gedanken. Hastig hielt ich mir die Ohren zu und erntete sofort einen vernichtenden Blick von Arne. Stumm seufzend sah ich zurück, jedoch ohne die Hände fortzunehmen, während unsere einzige Möglichkeit, dieses Raumschiff wieder zu verlassen, behutsam abhob und ganz langsam aus der noch immer geöffneten Luke flog. Nun waren wir hier allein.

Kaum hatte unser Shuttle das Deck verlassen, verschloss sich dessen Ausflugsluke hinter ihm automatisch. Ein Warnton erklang und plötzlich fühlte es sich an, als wäre eine Tonnenlast von meinen Schultern genommen. Unbewusst ließ ich sie kreisen und erntete den zweiten missbilligenden Blick von Arne. Mir war es gleichgültig.

Ruckartig drehte sich der Lieutenant Commander um und ging voran. »Niemand gelangt allein auf dieses Deck. Die Sicherheitscodes sind auf nur wenige Zweierteams beschränkt«, erklärte er mit steinerner Miene. »Doch selbst uns ist immer nur eine Hälfte davon bekannt.« Sein Nicken signalisierte dem Lieutenant an der Tür, seine Zahlen einzugeben, was er sogleich tat. Die Tür öffnete sich jedoch erst, nachdem der Lieutenant Commander an das gegenüberliegende Panel trat und ebenfalls eine Zahlenkombination eintippte. Die ältere Frau, die stumm, aber wippender Weise auf der Stelle verharrt hatte, folgte uns in gemäßigtem Abstand. Ihr Tuch fest in der einen Hand, während sie die andere zur Faust ballte und auf ihr Herz presste.

Die nächsten etwa drei Wochen Wartungsarbeiten auf der Fool 2 versprachen wohl mehr Ruhe, als ich angenommen hatte, würden aber dennoch hoffentlich schnell vorübergehen. Inzwischen fragte ich mich, weshalb ich damals unbedingt den Job bei der Galaxy-Wacht, dem größten Arbeitgeber sowohl auf der Erde als auch im Weltall, angeboten bekommen wollte. Ich hatte meinen Abschluss als Ingenieurin mit Auszeichnung bestanden und mir dadurch das seltene Privileg erarbeitet, selbst wählen zu können.

Ein weiterer Baustein in meiner Vita, erinnerte ich mich. Um das Ziel einer steil aufstrebenden Karriere voranzutreiben.

Ein einziger verdammter Fehltritt hatte ausgereicht, um all meine Träume zu zerstören. Meine Reputation war dahin.

Nach den äußerst verstörenden Geschehnissen auf der Insane 43 brauchte ich dringend eine Pause. Ich wollte gar nicht hier sein und das wäre ich auch nicht, wenn ich bloß meinen verdammten Mund gehalten hätte. Doch selbst jetzt hier auf diesem Schiff wusste ich, dass ich niemals zu solch einer brutalen Vorgehensweise schweigen könnte, ungeachtet meiner Versetzung, die meine Beschwerde darüber nach sich gezogen hatte.

Ich seufzte. Ich kam mir bereits wie in einem Gefangenenlager vor.

Strafversetzung, deswegen betrat ich nun mit dem Programmierer Arne den Korridor und folgte diesen zwei Menschen, die uns zum Captain auf die Brücke bringen würden. Dabei hätte ich jetzt viel lieber meinen wohlverdienten und längst überfälligen Urlaub genossen. Doch der war kurzerhand gestrichen worden. Offiziell hieß es, dass mein Wissen hier unentbehrlich wäre. Inoffiziell hatten sie mir die Erledigung dieses Auftrags nur befohlen, um mir vor Augen zu führen, dass sie über mich verfügen konnten, wie es ihnen gefiel. Letztendlich hatte niemand von uns irgendetwas zu melden. Für sie war ich austauschbar. Doch wenn sie mich feuern sollten, würde ich nur sehr schwer einen neuen Job finden, wenn überhaupt. Sie nutzten ihre Machtposition, ich musste gehorchen. Das schien seit meinem Eintritt bei der Galaxy-Wacht mein ewiger Fluch zu sein. Denn irgendwie war ich seitdem ständig gezwungen, Befehle auszuführen, die ich eigentlich gar nicht befolgen wollte.

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