Читать книгу Selbstwirksam schreiben - Carmen C. Unterholzer - Страница 10
Konzentriertes Nachdenken über sich
ОглавлениеSeit 20 Jahren – nach umfassenden Studien – scheint eines klar zu sein: Menschen tun gut daran, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren. Psychotherapieforscher haben festgestellt, dass 40 Prozent von dem, was in Therapien wirkt, die Ressourcen sind, die Klient:innen mitbringen (Asay u. Lambert 2001). Andere Studien sprechen gar von 70 Prozent (Tallman u. Bohart 2001, S. 90).
Wenn es uns gelingt, unsere persönlichen Stärken zu aktivieren, positive Emotionen und Erwartungen zu fördern, trägt dies auch außerhalb einer Psychotherapie zu einem gelingenden Leben bei. Es forciert unsere Selbstverantwortung und das Vertrauen in unsere eigenen Kräfte. Dann erleben wir uns als selbstwirksam (von Wachter u. Hendrischke 2017). Aber Achtung: Auch das Leiden verlangt Aufmerksamkeit. Schwierige Lebensphasen, Verletzungen, Kränkungen und Enttäuschungen gehören zum Leben wie Freude und glückliche Momente. Wer die Leidensdimension nicht beachtet, dessen Ressourcenaktivierung wird hohl wie die Rede vom »positiven Denken«.
Wenn 40 Prozent oder gar 70 Prozent dessen, was in Therapien wirkt, extratherapeutische Ereignisse und Klient:innenressourcen sind, gilt es, sie zu nutzen. Schreiben ist eine Möglichkeit, sich dieser Faktoren zu bedienen. Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens erfahren, dass ihnen Schreiben hilft, sei es das Tagebuch- oder das Briefeschreiben, sei es auch nur das Notieren von ein paar Gedanken. Wenn dem so ist, dann könnte es ein Fehler sein, es nicht gezielt zu nutzen. Verwenden Sie dieses Buch als Raum für fokussierte Selbstreflexion. Betrachten Sie die einzelnen Schreibanregungen als Übungen und verwenden Sie sie für Ihre eigenen kreativen Lösungen.
Schreibanregung Nr. 2
Wenn Sie sich entschieden haben, dieses Buch zu lesen und mit ihm zu arbeiten, besteht bei Ihnen der Wunsch, sich selbstwirksamer zu erleben. Vielleicht steht schon länger eine Veränderung an, die Sie nun angehen möchten und bei der Sie das Buch unterstützen kann. Es muss nichts Großes sein: dreimal in der Woche eine halbe Stunde spazieren gehen, wieder regelmäßig einmal in der Woche meditieren oder gesünder essen. Es kann auch eine größere Veränderung sein wie ein Berufswechsel oder eine schon lange angedachte Trennung.
Nehmen Sie sich für die nächste Übung Zeit und denken Sie über diesen Wunsch nach: Wobei möchten Sie selbstwirksamer sein?
Wichtig ist, dass das Anliegen realistisch – also erreichbar – und attraktiv für Sie ist. Es sollte Sie motivieren dranzubleiben.
Wenn ich sage, ich will mir in den nächsten Monaten diese oder jene ungesunde Angewohnheit abtrainieren, klingt es weniger erstrebenswert, als wenn ich es folgendermaßen formuliere: »Ich werde in den nächsten Monaten meine Rückengymnastik regelmäßig zweimal wöchentlich machen, um meine Körperhaltung zu verbessern, um ein angenehmeres Körpergefühl zu bekommen und mit mehr Leichtigkeit durch das Leben zu gehen.«
Sie sollten Ihr Anliegen möglichst konkret definieren und am besten mit einem Zeitpunkt versehen, zu dem Sie das Ziel erreichen möchten. Zum Beispiel formulierte eine meiner Klient:innen, die an schweren Migräneattacken litt und sich selbst zehn Psychotherapieeinheiten »verschrieb«, ihr Ziel folgendermaßen: »Ich werde in den nächsten Monaten stark auf meine Bedürfnisse achten, um dem Kopf Leichtigkeit und mir gute Laune zu gönnen. Bis zum Ende der Therapie – also in etwa einem Jahr – ist mein Vorhaben umgesetzt.«
Was sollte an die Stelle dessen, was Sie verabschieden möchten, treten?
Welche guten Gefühle verbinden Sie mit der Vorstellung, das Ziel erreicht zu haben?
Halten Sie die Antworten auf die Fragen schriftlich fest und formulieren Sie abschließend Ihr Ziel in einem Satz.
Um sich selbstwirksam zu erleben, ist es sinnvoll, sich auf eigene Erfolge zu besinnen – Bandura verweist darauf. Die nächste Übung dient dazu, diesen für die Selbstwirksamkeit günstigen Faktor zu aktivieren.
Schreibanregung Nr. 3
Neben Erfolgen anderer, uns wichtiger Menschen und neben Unterstützer:innen stärkt es uns, wenn wir auf Gelungenes fokussieren.
Richten Sie Ihren Blick darauf. Wir fassen den Begriff des Gelingens weit: Es muss keine Heldentat sein, es kann etwas Kleines sein: ein gutes Gespräch mit einer Freundin, Hilfe für die Nachbarin oder ein gut über die Bühne gebrachtes Projekt.
Beschreiben Sie Ihr Erfolgserlebnis möglichst detailreich.
Beschreiben Sie Ihren Anteil am Gelingen.
Was sagt die Tatsache, dass Ihnen dies gelungen ist, über Sie aus?