Читать книгу Selbstwirksam schreiben - Carmen C. Unterholzer - Страница 8
Günstige Faktoren
ОглавлениеStudien belegen: Wer aufgrund von positiven Erfahrungen in der Erwartung von Selbstwirksamkeit lebt, ist erfolgreicher und weniger belastet. Sie/er bewältigt nicht nur kritische Ereignisse besser, sondern leidet seltener unter Angststörungen und Depressionen. Sie/er kann mit Schmerzen besser umgehen und hat ein weniger anfälliges Immunsystem. Die sozialen Beziehungen sind besser, das allgemeine Wohlbefinden ist höher als das von Menschen mit geringerer Selbstwirksamkeitserwartung. Aber wie gelangen wir zu dieser Gewissheit? Was sind günstige Bedingungen, um sich als selbstwirksam zu erleben?
Albert Bandura (ebd.) spricht von vier Faktoren, die unsere Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen: bereits erfahrene Erfolge, Erfolge von anderen, uns ähnlichen Menschen, Ermutigung und Unterstützung und als vierter und letzter Faktor die stärkende Interpretation körperlicher Reaktionen (siehe Abb. 1, S. 14).
Unser Zutrauen in unsere Möglichkeiten und Kompetenzen, Anforderungen und Erwartungen zu erfüllen, wird durch Erfolgserlebnisse gestärkt. Wenn wir schwierige Situationen bewältigen, wächst der Glaube an unsere eigenen Fähigkeiten. Wir trauen uns auch in Zukunft mehr zu – vorausgesetzt, wir schreiben uns das Gelingen selbst zu. Wenn wir eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung haben, bemühen wir uns mehr, wir üben mehr. Dies wiederum hat zur Folge, dass wir bessere Ergebnisse erzielen und dadurch ausdauernder und beharrlicher sind. Durch Misserfolgserfahrungen sinkt unsere Selbstwirksamkeitserwartung, wir zweifeln an unserem Können. Wir werden zögerlich oder vermeiden in Zukunft ähnliche Herausforderungen.
Wir lernen auch, indem wir Menschen beobachten, die uns ähnlich sind, die uns nahestehen. Veras Beispiel mit ihrer Schwester zeigt dies deutlich.
Weiterhin ausschlaggebend für eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung sind Unterstützer:innen, Menschen, die uns gut zureden, die uns etwas zutrauen. Als ich mit Mitte zwanzig gegenüber meinem älteren, bereits berufstätigen Bruder zweifelte, ob ich wohl genügend Durchhaltevermögen für mein Studium hätte, sagte er ganz lapidar – er ist kein Mann großer Worte: »Ach, wenn du dir was in den Kopf setzt, dann ziehst du es auch durch.« Mehr brauchte er nicht zu sagen. Immer dann, wenn ich daran zweifle, ob ein Projekt gelingt, fällt mir sein Satz ein – so, als hätte er sich in mein Hirn gebrannt.
Abb. 1: Günstige Faktoren für die Selbstwirksamkeit (nach Bandura 1977)
Als letzten Faktor – neben Erfolgserlebnissen, Lernen an anderen und sozialer Unterstützung – zählt Bandura die stärkende Interpretation körperlicher Sensationen. Wenn wir hohen Anforderungen ausgesetzt sind, reagiert unser Körper, das Herz klopft, wir zittern, unser Atem wird flach. Wenn wir diese Reaktionen unseres Körpers nicht als Vorboten des Versagens, sondern als freudige Erregung interpretieren, stärkt das unser Vertrauen in uns selbst und somit die Selbstwirksamkeit.
Abbildung 1 fasst die vier Komponenten der Selbstwirksamkeit noch mal zusammen.
VERA war es möglich, sich auf ihre Erfolge in der Schule zu besinnen. Jede bestandene Prüfung, jede geschaffte Schularbeit definierte sie als wichtige Zwischenetappe in Richtung Reifeprüfung. Jedes positive Zeugnis feierte sie als persönlichen Sieg. Statt ihren Blick auf Anstrengung und Mühsal zu richten, lenkte sie ihn – wenn nicht immer, so zumindest meist – auf das, was ihr gelang. Ihre Schwester diente ihr als Beispiel. Sie hatte ihr gezeigt, dass man, auch wenn man aus einer bildungsfernen Familie stammte und keine großartige Schülerin war, ein Studium schaffen konnte. Die Erfolge der Schwester waren für Vera Ansporn und Motivation zum Weitermachen. Aber es waren nicht nur die Taten der Schwester, auch ihre Worte trösteten Vera bei verhauenen Prüfungen, halfen über Selbstzweifel hinweg und stellten ihre selbstkritischen Stimmen etwas leiser. Mit ihren Rückenschmerzen konnte sie anders umgehen. Sie sah sie als hohen Preis, den sie auf dem Weg zum Ziel zu zahlen hatte, und später – als Architektin – als sinnvolles Warnsignal, wenn sie wieder mal über ihre Grenzen ging.