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Wahrnehmen, was ist

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Die innere Beobachter:in ist das vierte und letzte Element einer achtsamen Haltung. Wir nehmen Gedanken als Gedanken wahr, Gefühle als Gefühle, Körperempfindungen als Körperempfindungen. Wir beobachten, was kommt und geht und kommt und geht. Passend ist die Metapher des Gästehauses: Gefühle, Gedanken, Körperempfindungen heißen wir wie Gäste willkommen und lassen sie auch wieder gehen. Wir eliminieren, zensieren und unterdrücken keine Gefühle, keine Gedanken und keine Körperempfindungen. Wir nehmen wahr, wir beobachten und verabschieden wieder. Wir halten die Aufmerksamkeit konstant auf den Moment gerichtet (Kabat-Zinn 2013). Beim Schreiben der inneren Beobachter:in zu folgen und weniger der strengen Kritiker:in, macht das Schreiben gewinnbringender und lustvoller.

Schreibanregung Nr. 4

Üben Sie sich im achtsamen Schreiben. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Innenwelt und bleiben Sie schreibend im Moment. Beschreiben Sie das, was Sie gerade spüren, fühlen, hören, riechen, denken, wahrnehmen. Wenn Ihre Gedanken bei dem sind, was gestern war, oder bei dem, was morgen sein wird, lenken Sie sie wieder behutsam in die Gegenwart, ins Jetzt. Beginnen Sie zu schreiben.

Was nehmen Sie wahr?

Was drängt sich in den Vordergrund?

Welche Gedanken nehmen Sie jetzt wahr?

Welche Gefühle sind jetzt spürbar?

Haben Sie das Bedürfnis zu werten? Nehmen Sie es wahr und lassen Sie es weiterziehen.

Folgen Sie Ihrer inneren Beobachter:in, halten Sie fest, was sie wahrnimmt, ohne zu zensieren, ohne zu beurteilen. Und lassen Sie sich Zeit!

Schreiben hat nicht nur meditative Wirkung, es fördert auch unser kreatives Potenzial. Kreativität ist eine lebenswichtige Ressource. Welche bedeutende Rolle sie – auch in Extremfällen – spielt, ist vielfach belegt. Ruth Klügers lyrisches Schaffen im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau half ihr beim Überleben des mörderischen Chaos: »Ich hab den Verstand nicht verloren, ich hab Reime gemacht« (Klüger 1992, S. 127). Das schreibt sie Jahrzehnte später. Nelly Sachs hat ihre psychotischen Episoden Zeit ihres Lebens auch mithilfe ihres Schreibens überlebt (Fritsch-Vivié 2010, S. 39).

Häufig behaupten Menschen, sie seien unkreativ. Diese Annahme ist falsch. So wie jeder Mensch ein Körpergewicht hat, besitzt auch jede:r kreative Fähigkeiten (Kast 2015). Kreativität ist als schöpferische Kraft eine Grundeigenschaft des Gehirns. Sie ist kontextabhängig und sie hat Feinde: Routinen, Stress und Hektik, Anspannung und strenge Konzentration sind ihre größten Feinde. Wer sich kreativ erleben will, braucht eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung. Sie kennen das wahrscheinlich: Sie grübeln angestrengt über etwas nach, mühen sich ab, und Sie finden keine Lösung oder kommen zu keiner zündenden Idee. Einige Zeit später sitzen Sie gedankenverloren im Bus oder Sie spazieren nach Hause, Sie denken an nichts, und plötzlich ist sie da: die Idee, nach der Sie verbissen gesucht haben. Förderlich für die Kreativität sind – neben einem guten Verhältnis von Anspannung und Entspannung – eine ungewöhnliche Umgebung und das Verlassen unserer Komfortzone, denn Weiterentwicklung geschieht im Experimentierraum.

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