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AUCH BEI DEN FRAUEN: DER TANZ UMS MATTERHORN
ОглавлениеIn dieser Goldenen Zeit betraten ambitionierte Bergsteigerinnen die Bühne des Alpinismus, die bekanntesten von ihnen die Britin Lucy Walker (1836–1916) und die US-Amerikanerin mit britischer Wahlheimat Meta Brevoort (1825–1876; siehe Seite 11f.). Sie waren nicht minder interessiert daran als die Männer, als Erste auf einem namhaften Gipfel zu stehen. Für manche Erstbesteigung waren sie indes ein paar Jahre zu spät dran: Bei vielen Gipfeln waren ihnen die männlichen Kollegen zuvorgekommen. Während der Goldenen Ära konzentrierten sich die Damen deshalb in erster Linie darauf, die großen Gipfel der Alpen als erste Frau zu besteigen.
Wie bei den Herren auch, galt das Matterhorn dabei als schönste aller Trophäen. In der zweiten Hälfte der 1860er-Jahre waren denn auch verschiedene Frauen am bekannten Berg unterwegs, unter anderem Meta Brevoort, Isabella Straton (1838–1918) und deren Freundin Emmeline Lewis Lloyd (1827–1913). Am 22. Juli 1871 war es so weit: Ein Telegramm aus Zermatt erreichte die Zeitungsredaktionen. Lucy Walker hatte es geschafft. In weißem Flanellkleid war sie wahrscheinlich gleichentags, allenfalls einen Tag zuvor – die Quellenlage ist uneinheitlich – als erste Frau auf dem Gipfel gestanden. Meta Brevoort reiste einen Tag später in Zermatt an und hörte die «shocking news». Am selben Abend trafen Lucy und Meta sich zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben. Noblesse oblige: «There were congratulations», heißt es in den Quellen dazu.
Lucy Walker und ihr Führer Melchior Anderegg in Zermatt, als ihre alpinistischen Karrieren längst beendet waren.
(aus: Cicely Williams: Women on the Rope. The Femsdinine Share in Mountain Adventure. George Allen & Unwin, London 1973)
Im Jahr 1870, ein Jahr vor Lucy Walkers Erfolg am Matterhorn, lässt sich die Familie Walker ablichten: Lucy mit Alpenstock steht in der hinteren Reihe, rechts von ihr Führer Melchior Anderegg, ganz links Führer Jakob Anderegg. Sitzend vor ihr posieren ihr Bruder Horace Walker sowie ihre Eltern Frank und Jane Walker.
(aus: The Alpine Journal, Vol. 31, 1917)
Während die Blicke vieler auf das Matterhorn gerichtet waren, fanden nicht weit davon stillere Pioniertaten von Frauen statt. Etwa jene der Schwestern Ellen Pigeon (1836–1902) und Anna Pigeon (1832–1917), die zwischen 1869 und 1876 insgesamt 63 große Bergtouren unternahmen. In die Geschichtsbücher eingegangen sind die beiden vor allem durch ihre Überschreitung des Seserjochs im August 1869, einer 4296 Meter hoch gelegenen Scharte im Monte-Rosa-Massiv, die sie als Erste von Zermatt her kommend Richtung Alagna überwanden. Dabei waren sie durch ein Versehen ihres Führers überhaupt erst in dieses hochalpine Abenteuer geraten – dieser hatte das Seserjoch mit dem Lisjoch verwechselt. Nachdem der Führer im Abstieg weiter versagte, übernahm Ellen die Führung. Eine Rolle, die sie vielleicht gewohnt war, sollen sie und ihre Schwester doch – sehr ungewöhnlich für diese Zeit – teils führerlos im Gebirge unterwegs gewesen sein und anstatt langer Alpenstöcke als erste Damen moderne Eispickel verwendet haben. Nach ihrer fast 18-stündigen Tour de Force am Seserjoch zweifelten viele männliche Kollegen an ihrer Leistung und mutmaßten, sie hätten sich im Joch getäuscht. Erst nachdem Giuseppe Farinetti, Pfarrer und Bergsteiger aus dem nahen Alagna, in mehreren Schreiben bezeugt hatte, dass es sich um keine andere Route handeln konnte, erhielten die Pigeon-Sisters die gebührende Anerkennung für die Tour.