Читать книгу Licht, Farbe und Form in der Landschaft - Carsten Krieger - Страница 19
ESTUARY DAWN
ОглавлениеKilbaha Bay, County Clare, Irland | 12. Dezember | 8.26 Uhr
Eine der Grundregeln der Landschaftsfotografie ist Planung. Bevor die Kamera überhaupt aus der Tasche kommt, wird vom Fotografen erwartet, die Location zu erkunden und herauszufinden, wo genau sie aufgebaut werden muss und welche Jahres- und Tageszeit und welche Wetterbedingungen die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bild bieten. Wie in der Einleitung erwähnt, unterstütze ich diese Regel zwar nicht hundertprozentig, in diesem Fall war eine detaillierte Planung allerdings notwendig.
Kilbaha Bay ist eine kleine Bucht in der Shannon-Mündung. Diese öffnet sich nach Süden, was bedeutet, dass es nur für wenige Wochen um die Wintersonnenwende möglich ist, hier einen Sonnenaufgang zu fotografieren. Außerdem war es unerlässlich, die Gezeiten zu berücksichtigen. Sowohl der Kieselstrand im Vordergrund als auch die Felsplatten im Mittelgrund sind bei Flut komplett bedeckt, aber ohne diese Bestandteile wäre das Bild mehr als langweilig.
Ich hatte also mein Wo und Wann – was fehlte, war das passende Wetter. Dramatische Sonnenaufgänge (oder -untergänge) wie diesen gibt es oft vor drastischen Wetterwechseln. In diesem Falle hatten wir sonnige Tage hinter uns, und die Vorhersage versprach Wind und Regen am Vormittag. Als ich gegen 8 Uhr ankam, wehte bereits ein klirrend kalter Südwest-Wind, der das Fotografieren alles andere als angenehm gestaltete. Erschwerend kam die Gischt hinzu, die auf die Frontlinse geweht wurde.
Kurz nach dem Kameraaufbau zeigte sich das erste Rot am Himmel: Zeit für ein paar Probeaufnahmen. Die Komposition des Bildes ist sehr einfach und beruht auf Linien: auf den diagonalen Linien des Kieselstrandes und der Felsplatten und den horizontalen Linien der Wolken. Der schwierige Teil war, die korrekte Belichtungszeit zu finden. Das Wasser sollte weich erscheinen, aber trotzdem noch Anzeichen der kommenden und gehenden Brandung haben. Der erste Schritt war, ein Polfilter, der zum einen die Belichtungszeit verlängert und außerdem die starken Reflexionen auf den nassen Steinen verringert. Der zweite Filter war ein schwacher Grauverlauffilter. Dieser wurde notwendig, um die Spitzlichter in der linken Bildhälfte in Schach zu halten. Trotz dieser beiden Filter war die Belichtungszeit aber immer noch etwas zu kurz (um die 8 Sekunden), und das Wasser wirkte zu unruhig. Eine Reduktion der ISO-Einstellung von 100 auf 50 brachte die Belichtungszeit schließlich auf 17 Sekunden, was den gewünschten Effekt erzielte.
Dann galt es nur noch die Frontlinse regelmäßig zu reinigen und auf die richtige Welle zu warten, die sich schließlich auch einfand. Es war ein erfolgreicher Morgen, und die heiße Tasse Tee hatte ich mir nach einer Stunde im eisigen Wind redlich verdient.
Die Nachbearbeitung dieses Bildes war einfach: Eine leichte Korrektur des Weißabgleichs, der Spitzlichter und Schatten und des Kontrasts war alles, was notwendig war. Auch wenn es nicht so aussieht: An der Farbsättigung habe ich nicht herummanipuliert.