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Vorwort

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Louis Jacques Mandé Daguerre


Timothy H. O’Sullivan. Porträt von Wheeler & Angerman, Washington D. C., ca. 1873

Licht, Farbe und Form – dies sind die Zutaten, die jeder Fotograf benutzt, um Bilder zu schaffen. Nicht alle Zutaten sind immer oder in der gleichen Menge notwendig. Auf Farbe kann man noch am leichtesten verzichten, manchmal wirkt ein Bild sogar aussagekräftiger ohne knallige Farbeffekte. Ein Bild ohne Formen und damit ohne klar erkennbaren Inhalt ist schon schwieriger zu gestalten, aber impressionistische und abstrakte Bilder sind durchaus möglich. Licht dagegen ist die Zutat, ohne die es Fotografie nicht gäbe. Licht schafft Farben und enthüllt Formen. Nicht umsonst bedeutet der altgriechische Ursprung des Namens Fotografie »Zeichnen mit Licht«.

Die Geschichte der Fotografie beginnt im frühen 19. Jahrhundert. Landschaften im weitesten Sinne waren das vorherrschende Thema in den frühen Jahren der Fotografie. Der Grund hierfür war in erster Linie praktischer Natur: Die damals notwendigen Belichtungszeiten wurden in Minuten und manchmal auch Stunden gemessen, was alle sich bewegenden Objekte als Motiv ausschloss.

Der Franzose Joseph Nicéphore Niépce gilt weithin als Erfinder der Fotografie. Nach jahrelangem Experimentieren schaffte er es schließlich im Jahr 1826, mit einer selbst gebauten Lochkamera den Blick aus seinem Fenster abzulichten. Das Ergebnis war ein abstrakt erscheinendes Abbild von Häusern und Dächern, das auf den ersten Blick mehr wie eine Bleistiftradierung wirkt. Die Belichtungszeit für diese erste Landschaftsfotografie betrug mehrere Tage.

Louis Jacques Mandé Daguerre, der mit Nicéphore Niépce vor dessen Tod im Jahr 1833 zusammengearbeitet hatte, schaffte es etwa ein Jahrzehnt später, sein historisches Bild Boulevard du Temple in nur 10 Minuten zu belichten. Das Bild zeigt eine geschäftige Straße in Paris, die durch die lange Belichtungszeit allerdings menschenleer erscheint. Nur eine einsame Gestalt, die sich während der gesamten Belichtungszeit mehr oder weniger bewegungslos die Schuhe reinigen ließ, wurde auf Daguerres versilberter Kupferplatte verewigt.

Die Wiege der Landschaftsfotografie, wie wir sie heute kennen, steht allerdings auf der anderen Seite des Atlantiks. William Henry Jackson (der seine Karriere als Maler begann), Timothy O’Sullivan (der sich während des Amerikanischen Bürgerkrieges als erster Kriegsfotograf betätigte) und einige wenige andere waren die ersten, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert die Landschaften des Wilden Westens mit der Kamera dokumentierten. Diese frühen Landschaftsbilder wurden zum einen benutzt, um Siedler in den Wilden Westen zu locken, trugen aber auch dazu bei, Yellowstone in den weltweit ersten Nationalpark zu verwandeln.

Diese Pioniere der Fotografie mussten damals nicht nur für mehrere Monate in einer unerforschten und ungezähmten Wildnis überleben. Um diese Wildnis fotografisch zu dokumentieren, war es außerdem notwendig, neben den schweren Kameras und Aufnahmemedien auch eine vollständig ausgestattete Dunkelkammer mitzuführen, da die belichteten Glasplatten innerhalb von Minuten entwickelt werden mussten. Ein einziges Bild bedeutete damals einige Stunden sowohl kreative als auch harte körperliche Arbeit. Vielleicht sollten wir verweichlichte Landschaftsfotografen der Gegenwart von Zeit zu Zeit einen Gedanken an diese Menschen verschwenden, wenn uns ein paar Hundert Gramm Kamera immer noch zu schwer erscheinen.


Sommerliche Aussicht auf schneebedeckte Gipfel in den Bull Run Mountains, Nevada, von Timothy H. O’Sullivan, 1875


Jackson Lake von William Henry Jackson

Der Übergang von reiner Dokumentation zur Fotografie als Kunstform begann im späten 19. Jahrhundert in Großbritannien mit Peter Henry Emerson und etablierte sich einige Jahrzehnte später in den Vereinigten Staaten unter anderen durch Alfred Stieglitz, Minor White und natürlich Ansel Adams. Dieser revolutionierte die Fotografie im Allgemeinen und die Landschaftsfotografie im Besonderen durch die Einführung des Zonensystems, und seine durchdachte Bildgestaltung brachte die Landschaftsfotografie in die Kunstgalerien. Nebenbei setzte Ansel Adams die Arbeit der fotografischen Pioniere fort und war maßgeblich an der Erschaffung der amerikanischen Nationalparks beteiligt. Diese Tradition setzt sich bis in die Gegenwart fort: Sowohl Landschaftsfotografie als auch Naturfotografie haben einen maßgeblichen Einfluss im Natur- und Umweltschutz.

Für lange Zeit war Landschaftsfotografie die Spielwiese von Spezialisten, die ihr Handwerk über Jahrzehnte erlernt hatten und unhandliche Großformatkameras und diverses Zubehör durchs Gelände schleppten. Jede Aufnahme musste bis ins kleinste Detail geplant werden. Da man in der Regel nur einige wenige Blätter von nicht gerade preiswertem Planfilm zur Verfügung hatte, konnte man sich keine Fehler in der Belichtung und Komposition erlauben.

(Quellenangabe für alle Bilder: Library of Congress Prints & Photographs Division, Washington)


The Old order and the new. Platindruck von Peter Henry Emerson, 1886

Mit dem Einzug der Digitalfotografie und der rasanten Entwicklung der damit verbundenen Technologie wurde Fotografie einfacher und zugänglicher. Heute gibt es Kameras, deren Bildqualität an die des Großformatfilms heranreicht oder sie sogar übertrifft, und die man bequem den ganzen Tag durch die Gegend tragen kann. Speicherkarten können mehrere Hundert Bilder aufnehmen, und die meisten Kameras können vollautomatisch benutzt werden und nehmen dem Fotografen schwierige Entscheidungen über Blendeneinstellung und Belichtungszeit ab. Sollte das Bild dennoch zu hell oder zu dunkel erscheinen, lässt sich das in den meisten Fällen später am Computer korrigieren.

Es ist deshalb nicht überraschend, dass es heute mehr Landschafts- und Naturfotografen gibt als jemals zuvor. Als Folge gibt es natürlich heute auch mehr Bilder als jemals zuvor, und das Internet und die sozialen Medien machen es einfach, diese Bilderflut mit dem Rest der Menschheit zu teilen.

Ob diese Entwicklung nun gut oder schlecht ist, muss jeder selbst entscheiden – sie wirft aber die Frage auf, warum wir den Drang verspüren, zu fotografieren. Zum einen ist sicherlich ein genereller Narzissmus einer der Gründe: Die Menschheit hatte schon immer das Bedürfnis, sich und ihre Umwelt zu dokumentieren. Von steinzeitlichen Höhlenmalereien über diverse Epochen der Malerei und Schrift bis zum gegenwärtigen Phänomen der digitalen Fotografie und sozialen Medien – der Mensch wollte sein Dasein schon immer für die Nachwelt festhalten.

Es ist nun aber nicht so, dass wir alle kameraschwingende Psychopathen sind. Abgesehen davon, dass wir unsere Umwelt vorwiegend visuell erfahren und eine Existenz ohne Bilder kaum vorstellbar ist, bringt der Prozess des Fotografierens (und bei entsprechendem Bildmaterial auch das Betrachten der Ergebnisse) einen nicht zu unterschätzenden Spaß- und Entspannungsfaktor. Für viele Fotografen – den Autor dieses Buches eingeschlossen – ist der Prozess des Fotografierens geradezu meditativ. Gibt man mir eine Kamera, rücken die große Welt und die mit ihr verbundenen Probleme in den Hintergrund. Nur der kleine Ausschnitt, den das Sucherfenster zeigt, bleibt bestehen. Das Zeitgefühl geht verloren, und was sich anfühlt wie fünf Minuten, sind in der Realität fünf Stunden. Am Ende eines langen Tages mit und hinter der Kamera stellt sich dann meist ein erschöpft-euphorisches Gefühl ein und ich kann es kaum abwarten, wieder mit der Kamera auf die Pirsch zu gehen.

Mein persönlicher Weg zur Natur- und Landschaftsfotografie begann mit einem Vater, der ein ausgebildeter Fototechniker war, und einem Großvater mütterlicherseits, der ein passionierter Landschaftsmaler war. Mir wird nachgesagt, dass ich schon von klein an Spaß hatte, Familienfeste zu knipsen. Ernster wurde es allerdings erst, als ich im Alter von acht Jahren meine erste Spiegelreflexkamera bekam und begann, mein Interesse an der Natur mit dem Spaß hinter der Kamera zu verbinden. Hans-Wilhelm Smoliks »Tausend Wunder auf stillen Wegen«, das ich im Bücherregal meiner Eltern gefunden hatte, war damals meine persönliche Bibel, und bewaffnet mit Kamera und Buch begann ich meine eigenen Naturerkundungen.

Die eigentliche Fotografie spielte für mich anfangs nur eine Nebenrolle. Die meiste Zeit hatte ich nicht einmal Film in der Kamera. Das magere Taschengeld eines Grundschülers wurde sinnvoller in Süßigkeiten und Fix & Foxi-Heften angelegt. Damals erfüllte die Kamera für mich einen anderen Zweck. Die kleine Sucheröffnung wurde zum Fenster in eine andere Welt und half mir, meinen Blick zu lenken und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Unbewusst hatte ich begonnen, mich mit der Bildkomposition zu beschäftigen, ich lernte zu sehen. Rückblickend war dies vermutlich die wichtigste Lernphase in meinem Fotografendasein. Ich lernte, ein gutes Motiv zu erkennen und dieses dann in ein ansprechendes Bild zu verwandeln.

Heute steht häufig die Technik zwischen dem Fotografen und dem Motiv und der wichtigste Teil der Fotografenausrüstung – der Fotograf selbst – wird oft vergessen. Es sind die Augen und die Vorstellungskraft des Fotografen, die für das Bild verantwortlich sind, es sind die Augen und die Vorstellungskraft des Fotografen, die Licht, Farbe und Form in ein Bild verwandeln.

Licht, Farbe und Form in der Landschaft

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