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»Könnt ihr etwas leiser sein? Ich muss morgen wirklich ziemlich früh aufstehen. Please?«

Der Lärm wurde fast noch lauter und verwandelte sich in Lachen und Heulen, während Mads zum dritten Mal zurück in sein Zimmer ging. Das Klirren von Flaschen, Techno, und der Lärm unzähliger, alle möglichen Sprachen sprechender Stimmen folgten ihm bis hinter die geschlossene Tür.

Mads wünschte sich einen tiefen, betäubungsähnlichen Schlaf und versuchte, sich selbst in eine Art Trance zu versetzen, wie der Psychologe in der Gruppentherapie es ihm beigebracht hatte, als er noch aufs Gymnasium ging. Ab und zu funktionierte es, aber an diesem Abend wurde er nur noch wacher. Und verärgert.

Ein paar der NGOs waren sich über die Strategie hinter einer Aktion nicht einig, der Rest trank Bier und rauchte Gras hinter der dünnen Wand, die Mads’ Zimmer vom Rest der alten Wohnung auf der Jægersborggade trennte.

Mads hatte genügend Respekt für Nicks Engagement in allen möglichen und unmöglichen Gesellschaftsangelegenheiten. Respekt dafür, dass sein Kumpel begonnen hatte, an der Kopenhagener Universität Philosophie zu studieren, und jetzt noch aktiver war als vorher. Er kam nur damit nicht klar, dass dieser Narr die Tür zu ihrer gemeinsamen Zweizimmerwohnung mit Erker für so viele Aktivisten, wie hineinpassten, geöffnet und sie eingeladen hatte, bei ihnen zu wohnen, bis das Gipfeltreffen überstanden war. Warum sollte eine solche Horde alternativer Idioten die Welt ausgerechnet in seiner Wohnung retten?

Morgen früh hatte Mads zudem noch die unliebsame Aufgabe, die Kinderbastion zu öffnen. Der einzige Vorteil, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, bestand darin, die erste halbe Stunde die Kinderkrippe für sich allein zu haben. Dann das Eintreffen der Stellvertreterin. Und dann kam der Rest der Mitarbeiter, eine nach der anderen.

Chaos und Konfrontation, Kanonenfeuer und Knüppelhiebe, occupy dieses, befrei jenes, was kratzten die EU, die Weltbank, das Klima und all der andere Scheiß ihn, der er nur schlafen wollte? Finanzgeier waren nichts Neues; neu war, dass sie es auf die Titelseiten gebracht hatten, sodass nun allgemein bekannt war, dass sie sich die Taschen füllten, während gewöhnliche Menschen ihre Ersparnisse, Renten und Jobs verloren.

Der Lärm hörte nicht auf, die lauten Stimmen hinter der Wand schienen aus allen Richtungen zu kommen: Skååål, cheeers, à votre santé, Faschistenmethoden, neue Aktionen, bottoms up. Die Stimmen schwirrten durch Mads’ Kopf, dicht gefolgt von blitzartigen Bildern der Ereignisse des Tages – die Krippenleiterin in Kommandostellung vor dem letzten Aufruf nach London, der Flug über den Fahrradlenker, das rothaarige Mädchen, das weibliche Visier, das ihn gehen ließ.

Alma, Alma, wiederholte Mads ein paar Male für sich, doch dann stimmte der ewig bellende Schnauzer des Nachbarn unter ihm ein, an diesem Abend lauter und beharrlicher als sonst, der Köter hätte schon lange das Zeitliche segnen sollen.

Seine Schulter tat immer noch höllisch weh, sein Rücken war ebenfalls ein wenig wund, die Handgelenke rot und von den verdammten Kabelbindern geschwollen, die so stramm gesessen hatten, dass sie durch die Haut am rechten Handgelenk gescheuert hatten.

Nicht einmal ein langes, heißes Bad half. Mads warf ein paar Schmerztabletten ein und ging ins Bett. Pfefferspray, verdammt, warum hieß etwas wie ein Gewürz, wenn es sogar nach einem Bad in den Augen brannte und roch wie ein verwesendes Stinktier?

Im Bellen des Nachbarhundes, das durch den Dielenboden drang, hörte er das Echo der Polizeischäferhunde. Einen Augenblick lag Mads einfach da und stellte sich vor, wie er nach unten ging und klingelte, dem Nachbarn eine knallte und sich in der Kehle des Schnauzers verbiss.

Nørrebro, Nick und ganz fucking Kopenhagen waren ein großes Missverständnis gewesen. Wenn er an die guten Zeiten mit Mutter und Vater zu Hause in Landlyst nahe Lille Skensved zurückdachte. Und dann hatte das System seine Mutter getötet.

Ordentliche Frauen wie seine Mutter gab es fast nicht mehr. Die Kindergartenleiterin hingegen … Ordentliche Frauen waren eine aussterbende Rasse, und der Rest einfach nur geil, nicht auf Sex, sondern auf Macht.

Ab und zu setzte Mads sich an H. C. Andersens Grab auf dem Assistens Kirkegård und dachte an seine Mutter. Wenn er dort saß, konnte er immer noch die Worte des Dichters aus ihrem Mund vernehmen. In der Regel tat ihm das gut. Außer wenn er auf »Die Geschichte von einer Mutter« kam, und sich an all das Leid erinnerte, das seine eigene Mutter durchgemacht hatte.

Der Nachbarhund lief nun voll und ganz Amok. Inmitten des Ganzen ertönte auch wieder die Stimme der laut schwatzenden Leiterin der Kinderbastion. Als bekäme er während der Arbeitszeit nicht genug Frauengegacker und Kinderlärm ab. Die Stimmen und der Lärm des Tages umzingelten ihn vollständig im Bett, er kämpfte gegen sie an, so gut er konnte, aber es waren zu viele und sie drangen durch seine Haut. In ihm entstand eine Unruhe, die auf ihn einschlug und in ihm die Lust weckte zurückzuschlagen.

Mads zitterte unter dem Laken vor Wut. Er war in der Tat so wütend, dass er gezwungen war aufzustehen, um nicht ganz durchzudrehen.

Der Zorn köchelte in seinen Adern und schien unaufhaltsam. Bald würde er zu blinder Raserei werden, so gut kannte er sich. Die ganze Scheiße riskierte zu explodieren, wenn er jetzt nicht etwas dagegen tat.

Aqua Mortis

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