Читать книгу Aqua Mortis - Carsten Nagel - Страница 8
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Mads ergriff die Knöchel des Kindes. Er wollte es ein wenig hochheben. Der Schmerz stach wie ein Eispickel durch seinen Rücken, doch er ignorierte ihn. Es gelang ihm, das Kind ein wenig anzuheben, sodass das Aufwischwasser von seinem Kopf rann. Jetzt noch ein Stück, dann wurde das Wasser zu einem Rinnsal, das aus den Haaren zurück in den Eimer floss. Mads erschrak so sehr, dass sein Griff nachgab und das Kind ihm entglitt. Es war Klein-Ida. Ihr Gesicht war geschwollen und unheimlich verzerrt. Das Seil zuckte, das Wasser platschte und spritzte über den Fußboden. Sie hing dort. Unverändert.
Mads stürzte zum Ausgang, blieb dort stehen und wandte sich wieder dem Raum zu. Was war geschehen? Was bedeutete das alles? Stell dir nur vor, wenn jemand glaubte, dass er … Stell dir nur vor, dass er … Er musste weg! Aber er konnte sie doch nicht einfach da hängen lassen! Nach einigen Sekunden lähmender Schockstarre wusste Mads, dass er Klein-Ida dort runterholen musste, bevor er sich aus dem Staub machte. Aber er musste gut aufpassen, Fingerabdrücke vermeiden.
Mads fielen seine Schweinslederhandschuhe ein, und er ging rückwärts durch den Raum, hin zur Garderobe. Die Handschuhe lagen dort, wo er sie am Tag zuvor vergessen hatte. Er nahm sie und ging weiter in die Küche. Die Messer blitzten am Wandmagnet. Erst das stumpfe Brotmesser, als letztes in der Reihe das für Gefrorenes. Wieder stach es in seinem Rücken, als er über den Tisch nach dem Gefriermesser griff. FISKARS stainless steel stand auf der Klinge. Die Buchstaben auf der Messerklinge schienen ihn einige Sekunden zu blenden, als er zurück in den Gemeinschaftsraum lief.
Das Seil war dick und stark. Mads bearbeitete es ein Stück oberhalb der Knöchel des Mädchens. Die Klinge des Messers fuhr an den dichtgeknoteten Strängen des Seils vor und zurück, die nur langsam nachgaben. Ich gebe auf und verschwinde von hier, dachte Mads, doch im selben Augenblick riss das Seil, und der Körper des Kindes gab der Schwerkraft nach.
Jemand schnappte geräuschvoll nach Luft. Die Stimme der Stellvertreterin drang von der Tür her zu ihm: »Mads, was ...?« Sie traute ihren Augen nicht: Mads, der mit einem großen Messer herumfuchtelte, vor ihm auf dem Boden lag ein offensichtlich lebloser Kinderkörper, über dessen Kopf ein Eimer gestülpt war. Sie schrie.
Mads fuhr herum: »Nein!«, schrie er, von Tränen erstickt.
Die Stellvertreterin stürzte zur Tür, Mads lief ihr hinterher.
»Du darfst nicht, es ist nicht so …« rief er. »Du darfst nicht!«
Er erwischte ihren Haarschopf, ergriff ihn, eine Sekunde, bevor sie die Tür erreichte, die sie nur zu öffnen brauchte, um aus der Kinderbastion zu rennen. Raus und nichts wie weg von dem lebensgefährlichen Wahnsinnigen, auf den sie gerade gestoßen war, wo sie doch geglaubt hatte, einfach wie jeden Morgen den Duft von frischgebrühtem Kaffee zu riechen und in einen ganz normalen Arbeitstag zu starten. Sie kämpfte sich weiter vor, ergriff die Türklinke. Mads riss mit aller Kraft an ihrem Zopf und schrie wieder laut auf. »Neeein!« Sie stürzte und riss ihn mit zu Boden.
Weit entfernt hörte Mads, wie eine Stimme sagte, dass die Polizei endlich angekommen sei. Danach spürte er, wie jemand ihn leicht an der Schulter rüttelte und ihm vorschlug, sich hinzusetzen.
Über ihm standen zwei Männer, der eine im mittleren Alter mit braunem Haar, ruhigen Augen und einer kleinen Narbe am Kinn, der andere nur ein wenig älter als Mads selbst.
Der Junge reichte Mads eine Hand und half ihm auf. Mit seiner hellen Mähne und den blauen Augen erinnerte er Mads an einen durchtrainierten Typen, mit dem er ab und zu im Fitnessstudio in Nørrebro Gewichte hob.
Der Ältere sagte, er heiße Hugo Møller und sei von der Kopenhagener Polizei, Mordkommission.