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Kot und Kichern
ОглавлениеWird das Kind
vom Töpfchen hochgehoben,
hört es von der Mutter
das erste große Lob:
Drum ist es, wenn wir erwachsen sind,
ein gutes Omen,
den Tag mit einem befriedigenden
Schiss zu beginnen.
W. H. Auden, »The Geography of the House«, in: About the House, 1965
In seinem Buch About the House machte es sich W. H. Auden zur Aufgabe, aus der Perspektive jedes Raums über das Leben nachzudenken. Das Gedicht über die Toilette ist ein besonderer Höhepunkt. Es handelt von der elementaren Lust am Kacken, und Auden kombiniert dabei lustvoll Fäkalhumor mit intellektuellen Reflexionen über Luther, Freud und den heiligen Augustinus. Er erkennt an, welches Vergnügen uns allen ein befriedigender Schiss bereitet, und führt das zurück auf unsere frühesten Tage, als wir für diesen Akt der Selbstkontrolle sehr gelobt wurden. Er geht sogar so weit zu sagen: »Alle Kunst kommt von diesem Ur-Akt des Machens.« Leicht paraphrasierend könnten wir sagen, seiner Meinung nach seien alle Akte künstlerischer Kreativität nur Beispiele, wie ihre Urheber versuchten, die Lust eines guten Schisses zu reproduzieren.
Auden hatte selbst keine Kinder und unterschätzt, wie viel Lob Babys für »gutes Kacken« bekommen, lange bevor sie auf den Topf gesetzt werden. Von der Geburt an hören Babys beifällige Laute von ihren stolzen Eltern, wenn sie zur richtigen Zeit ihre Windel füllen. Und das ist auch gut so, denn Eltern erfahren schnell, dass Neugeborene Freude und Scheiße in großen Mengen produzieren.
Wie nicht anders zu erwarten, unterstützen Windelhersteller diese Begeisterung. Mamia und Pampers haben Werbefilme mit »Kackgesichtern« produziert. Sie zeigen eine Reihe von Babys, die eindeutige Gesichter ziehen, während sie glücklich ihre Windeln vollmachen. Beide Filme – gedreht in großartiger Zeitlupe und unterlegt mit bewegender klassischer Musik – haben Branchenpreise gewonnen. Das ist vollkommen einleuchtend, sobald man sich nicht mehr fragt, wie sie diese emotionsgeladenen Darmbewegungen eingefangen haben.
Eltern sind gut beraten, wenn sie im Umgang mit Kot die gleiche fröhliche Haltung einnehmen. Es gibt kein Entkommen. Bei einem durchschnittlichen Baby in einem westlichen Land werden sechs- bis zwölfmal am Tag die Windeln gewechselt, was sich auf bis zu 3000 Windelwechsel allein im ersten Jahr summieren kann. Das ist viel Kacka und Pipi, und nicht alles landet in der Windel. Kot gelangt wundersamerweise überallhin – auf das Baby, auf die Babykleidung, in die Badewanne, auf Möbel, auf Haustiere, auf alles und jedes. Und selbst wenn kein Kot vorhanden ist, verwenden die Eltern viel Zeit darauf, über Menge und Konsistenz zu sprechen und an dem Baby zu schnuppern, ob der nächste Windelwechsel fällig ist.
Es ist erstaunlich, wie zuverlässig kleine Jungen pinkeln, sobald man sie zum Windelwechseln ausgepackt hat. Als ich ganz frisch auf der Welt war, nannten meine Eltern mich »Fontänen-Addy«, weil meine Wasserspiele beim Windelwechseln es mit einer lokalen touristischen Sehenswürdigkeit namens Fountains Abbey aufnehmen konnten. Ein strahlender Sechsjähriger erzählte mir einmal: »Ich habe einen kleinen Bruder bekommen, und er lächelt nur, wenn er pinkelt.« Der freudige Ausdruck auf seinem Gesicht ließ vermuten, dass das womöglich das Beste daran war, einen kleinen Bruder zu haben.
Anne Enright schreibt in Ein Geschenk des Himmels: »Babys sind auf unser Lächeln angewiesen, beim Füttern und auch – noch dringender – wenn es am anderen Ende wieder herauskommt.« Freud dachte ähnlich. Ein berühmter Aspekt seiner Theorie der psycho sexuellen Entwicklung ist das Konzept der anal-retentiven Persönlichkeit. Freud zufolge entwickeln sich Babys von der Phase der oralen Fixierung im ersten Jahr, in der sich alles um die Brust und die Nahrung dreht, weiter zum analen Stadium mit 18 bis 36 Monaten, in dem es um die Verdauung und den Stuhlgang geht. Er meinte, wenn Eltern ein zu rigides Toilettentraining praktizierten, werde ein Kind beim Heranwachsen zu unflexibel und zu sehr auf Sauberkeit und das Befolgen von Regeln bedacht sein.
Freud hatte recht und unrecht zugleich. Seine Beschreibung der anal-retentiven Persönlichkeit gab die Grundlage für das ab, was Psychologen heute als zwanghafte oder anankastische Persönlichkeitsstörung bezeichnen, ein psychisches Problem, von dem zwei Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Aber weder diese Störung noch die damit eng verbundene Zwangsstörung, eine Angsterkrankung, hat etwas mit dem Toilettentraining zu tun. Ich will mich nicht weiter in Freuds Theorien vertiefen, weil sie nicht wissenschaftlich sind und keine Erkenntnisse über Babys liefern. Wann immer Freud über die frühe Kindheit sprach, wollte er eine Vorstellung illustrieren, die er über das Erwachsenendasein hatte. Die Terminologie und Mythologie der Psychoanalyse sind ein Versuch, die Komplexität des ganzen Menschen zu erfassen. Die Psychoanalyse ist bestrebt, eine Geschichte zu finden, die Patient und Therapeut nutzen können, damit der Patient mit der Gegenwart besser zurechtkommt. Ob die Theorie wahr ist, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Kurioserweise betrachtete Freud das Lachen wie das Kacken als »Triebabfuhr«. Der Gedanke geht zurück auf einen Aufsatz über die Physiologie des Lachens von Herbert Spencer aus dem Jahr 1859. Spencer war Philosoph, Anthropologe, Soziologe und politischer Theoretiker. Er ist heute ziemlich unbekannt, aber im 19. Jahrhundert war er ein philosophischer Superstar: ein produktiver Autor und der bekannteste Intellektuelle in Europa, so etwas wie der Bertrand Russel oder Stephen Hawking der damaligen Zeit.
Spencer hatte großen Einfluss auf Freud. Seine Theorie des Lachens lässt sich perfekt in den Satz fassen: »Lachen ist ein aufgeplatztes Lächeln.« Er glaubte, dass Gefühle, die eine bestimmte Intensität überschritten haben, körperlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Dieses hydraulische Modell von Emotionen, die sich aufstauen und dann abgeführt werden müssen, wurde zentral für Freuds Theorien. Aber während es passend ist für Kot, der sich sammelt und erfolgreich ausgeschieden wird, ist es eine schiefe Metapher für unsere Gefühle.