Читать книгу Die Fälle des Kommissar Morry - 10 legendäre Krimi Leihbücher in einem Band - Cedric Balmore - Страница 33

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„Mack Rupper sitzt hinter Gittern. Er wurde in das Gefängnis Pentonville eingeliefert. Man verhörte ihn pausenlos. Kommissar Morry läßt ihm keine Stunde Ruhe. Das alles habe ich eben in der Zeitung gelesen.“

Diese Worte sprach Frederick Lawes, als er an diesem Abend an den Stammtisch seiner beiden Freunde in Ruth Bonfields Blauer Taverne trat.

„Was sagt ihr dazu?“, fuhr er fort. „Dieser Kommissar hat wieder verdammt rasche Arbeit geleistet. Hätte nicht geglaubt, daß er Mack Rupper fassen würde.“

Hope Bolton machte ein sorgenvolles Gesicht. Er befand sich in düsterster Stimmung. Er brachte kaum einen Bissen hinunter. Und auch das Bier wollte ihm nicht schmecken.

„Hoffentlich hält Mack bei den Verhören dicht“, murmelte er bedrückt. „Er weiß doch, von welchem Geschäft wir leben. Wenn er zu plaudern anfängt, marschieren wir morgen schon in den Käfig.“

„Wir müssen eben weg von hier“, zeterte Frederick Lawes und schob umständlich seinen Buckel zurecht. „Wir müssen weg! Hört ihr? Warum sollen wir warten, bis sie uns in den Yard schleppen?“

„Du hast leicht reden“, knurrte Alban Vock verdrossen. „Du hast nichts zu verlieren. Aber wir müßten unser ganzes Geschäft im Stich lassen. Wo würden wir je wieder so leicht zu unserem Geld kommen.“

„Der Lederbeutel im Haus Alfred Glashills würde für den Rest unseres Lebens ausreichen“, raunte Frederick Lawes mit hohler Stimme. „Schlage vor, daß wir heute nacht in die letzte Runde gehen. Wir holen uns die kleinen Steinchen aus dem Versteck und verschwinden dann über alle Berge. Was riskieren wir denn schon bei dem kleinen Einbruch? Mack Rupper kann uns ja jetzt nicht mehr gefährlich werden. Er sitzt im Knast. Was meint ihr?“

„Er hat eigentlich recht“, brummte Hope Bolton einsilbig. „Hier sind unsere Tage gezählt. Der Traum geht zu Ende. Müssen uns rechtzeitig nach einer neuen Heimat umsehen.“

„Soll mir recht sein“, fügte Alban Vock hinzu. „Wollen noch einmal in diesen traurigen Laden gegen, Frederick. Bin aber der Meinung, daß wir keinen Posten mehr auf die Straße stellen sollten. Ich bezweifle nämlich, ob es wirklich Mack Rupper war, der uns am Canal Grove auflauerte.“

Hope Bolton fing einen mißtrauischen Blick des Privatdetektivs Gray Jaspers auf. Er sah zwei stechende Augen, die ihn durch die funkelnden Brillengläser feindselig anstarrten.

„Klappe halten!“, zischte er den beiden anderen zu. „Wir werden schon mal wieder belauscht. Es bleibt also dabei. Heute Nacht um elf Uhr fahren wir von der Hoxton Brücke weg.“

Sie wechselten das Thema und redeten wieder über gleichgültige Dinge. Kurz vor elf Uhr ging Alban Vock weg, um den Wagen an die Brücke zu fahren. Zehn Minuten später verließen auch Hope Bolton und Frederick La- wes die Blaue Taverne. An der Hoxton Brücke trafen sie wieder zusammen. Alban Vock hatte bereits den Motor eingeschaltet. Leise und eintönig klang das Tuckern durch die Nacht. Es roch nach Benzin und heißem Gummi. Frederick Lawes und Hope Bolton ließen sich schnaufend auf die Rücksitze fallen. Sie dösten schweigsam vor sich hin, während der Wagen auf den Canal Grove zubrauste.

„Hoffentlich haben wir heute mehr Glück als in den vergangenen Nächten“, brummte Frederick Lawes gepreßt. „Wenn es auch heute schiefgeht, kann uns dieser Lederbeutel gestohlen bleiben. Ich werde dann keinen Finger mehr krumm machen.“

„Ganz meine Ansicht“, nickte Hope Bolton. „Es ist das letzte Mal, daß wir diesen Laden betreten. Habe allmählich die Schnauze voll.“

Alban Vock steuerte an die Ecke des Canal Grove heran, wendete den Wagen und ließ den Motor leise weiterlaufen. Gleich nachher stiegen sie aus und tappten wie immer eng an den Häuserwänden entlang. Das Geschäft Alfred Glashills tauchte vor ihnen auf. Die neuen Scherengitter vor den Schaufenstern glänzten matt im Licht einer entfernten Laterne.

Ohne Zögern schritten die drei Ehrenmänner in den düsteren Hinterhof hinein. Sie ließen keinen Posten zurück. Alle drei pirschten sie sich an die Rückfront des armseligen Hauses heran. Sie näherten sich der Tür. Wieder begannen sie an dem verrosteten Schloß herumzuhantieren. Diesmal schien es von allem Anfang an besser zu klappen. Die Tür öffnete sich.

Sie verursachte noch nicht einmal ein lautes Geräusch. Auf leisen Sohlen drangen die drei Kavaliere in den finsteren Hausflur ein. Schon in der nächsten Minute standen sie genau in dem Winkel unter der Stiege, wo einst Frederick das Loch in der Hauswand zugemauert hatte.

„Geh du nach vorn, Alban“, zischte Hope Bolton gedämpft. „Wenn dieses spindeldürre Männchen wach wird, massierst du ihm die Ohren. Wir werden das hier allein machen.“

Es ging alles wie am Schnürchen. Frederick Lawes kannte die Mauerwand wie seine Hosentasche. Kunstgerecht brach er einen Backstein nach dem anderen heraus. Sorgfältig schichtete er die Brok- ken auf dem Boden aneinander. Es gab keinerlei Lärm. Als das Loch endlich groß genug war, pfiff Frederick Lawes leise durch die Zähne und griff mit ausgestrecktem Arm in den finsteren Hohlraum hinein. Habgierig wühlte seine Hand in dem ekligen Morast herum. Er fühlte staubige Spinnweben, Mörtel, Steinbrocken und feuchten Schlamm zwischen den Fingern. Das klebrige Zeug hängte sich an seine Hand, und bei jedem Griff gluckste der Dreck zwischen seinen Fingern.

„Eh, wie lange bohrst du denn da noch herum?“, brummte Hope Bolton ungeduldig. „Wo ist denn nun dieser verdammte Ledersack? Laß mich mal ran!“

Er schob Frederick Lawes kurzerhand zur Seite und machte sich selbst an die Suche.

„Pfui Teufel“, knurrte er, als er den zähen Morast auf seiner Handfläche spürte. „In einem solchen Loch versteckt doch niemand kostbare Diamanten, du Idiot. Hier ist nichts als Dreck. Möchte dich am liebsten mit dem Kopf in dieses Loch stecken.“

„Geduld!“, flüsterte Frederick Lawes mit dämlichem Gesicht.

„Nur mit Geduld kann man es schaffen.“ Er schob wieder seinen Buckel heran und leuchtete mit einem Feuerzeug in den engen Hohlraum hinein. Es gab nichts zu sehen. Das Versteck war leer. Alfred Glashill mußte in weiser Voraussicht seine Schätze an einem anderen Ort untergebracht haben.

„Pech!“, brummte Frederick Lawes enttäuscht. „Das nenne ich Pech, Freunde! Wir sind zu spät gekommen.“

„Du alter Narr“, schimpfte Hope Bolton erbost. „Da stehen wir nun wie die Ochsen vor dem Scheunentor. Hätten wir nur nicht auf deine Märchen gehört.“

„Was ist denn?“, fragte Alban Vock unruhig aus dem Hintergrund.

„Warum macht ihr solchen Lärm? Hörte, eben ein Geräusch in der Stube des Alten. Er ist aufgewacht.“

„Wir marschieren ab“, rief ihm Hope Bolton leise zu. „Komm an die Tür. Wollen keine Zeit mehr verlieren.“

Sie liefen in raschem Tempo durch den Hinterhof und standen kurz nachher wieder auf der Straße. Hastig schlichen sie an den Schaufenstern des Ladens vorüber. Diesmal fiel kein tückischer Schuß. Sie kamen ungefährdet an der heißen Stelle vorüber.

„Wo habt ihr die Diamanten?“, fragte Alban Vock und reckte gierig den Hals. „Her mit dem Zeug. Wollen es gleich teilen.“

„Laß diese Scherze", murrte Hope Bolton gereizt. „Wir fanden keine Spur von diesem Lederbeutel. Müssen uns mit der Pleite abfinden. Frederick hat uns zum Narren gehalten.“

Der Eckensteher rang beschwörend die Hände. „Ihr müßt mir glauben, Boys“, lamentierte er. „Ich habe euch nicht belogen, es ist so, wie ich sagte. Alfred Glashill ist uns zuvorgekommen. Er hat die Diamanten gestern oder vorgestern aus ihrem Versteck geholt.“

Sie erreichten den Wagen. Der Motor lief immer noch. Hope Bolton und Frederick Lawes krochen schweigsam auf die Rücksitze. Alban Vock ging um den Kühler herum, um hinter dem Steuer Platz zu nehmen.

In diesem Augenblick fiel der Schuß. Dumpf rollte der blecherne Knall über den Canal Grove. Flackernd zuckte das Mündungsfeuer auf. Alban Vock hatte das Gefühl, als stünde die Nacht plötzlich in lodernden Flammen. In seiner Brust schwelte ein unersättlicher Brand. Heiß zuckten die Schmerzen über ihn hin. Er geriet ins Taumeln und fiel mit dumpfem Poltern über den Kühler. Hope Bolton hatte fassungslos die schreckliche Szene mitangesehen. Er brachte kaum ein Wort über die Lippen, so sehr lähmte ihn das Entsetzen. An seiner Seite brach Frederick Lawes in ein winselndes Gejammer aus. Er sank zitternd in sich zusammen.

Dieses traurige Bild brachte Hope Bolton wieder zur Besinnung. „Komm!“, knurrte er. „Wir müssen Alban in den Wagen schaffen. Ich werde das Steuer übernehmen. Los, faß mit an!“

Sie zerrten den Bewußtlosen vom Kühler weg und legten ihn quer über die Rücksitze. Sie nahmen sich kaum die Zeit, in sein Gesicht zu blicken. In irrer Hast warfen sie die Türen zu und fuhren los. Hope Bolton hielt krampfhaft das Steuerrad umklammert. Er steigerte das Tempo von Sekunde zu Sekunde. „Was ist mit ihm?“, fragte er stockend. „Sieh nach! Können wir ihn noch einmal zurechtflicken?"

Frederick Lawes blickte schaudernd nach hinten. Er knipste sein Feuerzeug an. Das zitternde Flämmchen warf huschende Reflexe über das wächserne Gesicht Alban Vocks. Es spiegelte sich in zwei toten Augen und erhellte eine klaffende Brustwunde, aus der dunkel das Blut rann.

„Er ist tot“, murmelte Frederick Lawes entgeistert. „Diesmal kann ihm Jeff Prescott nicht mehr helfen. Was machen wir nun mit ihm?“

„Ja, was machen wir mit ihm?“, fragte Hope Bolton in düsterem Brüten. „Hier im Wagen kann er nicht bleiben. Wenn uns eine Polizeistreife anhält, sitzen wir in der Falle. Er muß weg. Man darf ihn nicht finden. Wir müssen ein paar Tage Vorsprung haben. Du kennst dich doch aus in dieser Gegend. Wo könnten wir ihn abladen?“

Mit Frederick Lawes war in diesen Minuten nicht zu reden. Er stierte ins Leere. Er hatte überhaupt nicht gehört, was Hope Bolton eben gesagt hatte.

„Wir müssen verschwinden“, murmelte er immer wieder. „Du nimmst mich doch mit, he? Wir können nicht länger hierbleiben. Es würde uns sonst genauso gehen wie Bill Webster und Alban Vock.“

Hope Bolton antwortete nicht. Er fuhr noch eine kurze Strecke geradeaus, dann sah er plötzlich den Union Canal vor sich liegen. Träge floß das schiefergraue Wasser zwischen hohen Böschungen dahin. Die schmutzigen Fluten funkelten tückisch zu ihnen herauf. Ein leises Gurgeln war deutlich zu vernehmen.

Hope Bolton fuhr den Wagen hart an die Uferböschung heran. Kurz nachher riß er die Tür auf, zerrte Alban Vock aus dem Wagen und ließ ihn brutal die Böschung hinunterrollen. Gurgelnd rauschte das Wasser auf. Schäumende Blasen tanzten auf der Oberfläche. Dann allmählich beruhigte sich der Strudel. Die Flut floß wieder still und träge dahin.

„Man wird ihn nicht so schnell finden“, murmelte Hope Bolton, als er die schauerliche Arbeit getan hatte. Er hegte die trügerische Hoffnung, daß ihnen das Schicksal noch eine Galgenfrist von zwei oder drei Tagen schenken würde.


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