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XV.

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Guido öffnete ihr lachend, und aus dem Hintergrund fragte eine Mädchenstimme: »Wer ist da?« Guido reichte ihr die Hand und forderte sie auf hereinzukommen.

In dem bleichen Licht, neben dem Vorhang, zog sich ein Mädchen den Regenmantel an. Sie trug keinen Hut und betrachtete Ginia von oben herab, als wäre sie die Hausherrin.

»Es ist eine Kollegin«, sagte Guido. »Es ist nur Ginia.«

Sich auf die Lippe beißend, trat die andere ans Fenster, um sich in der dunklen Scheibe zu spiegeln. Sie hatte den gleichen Gang wie Amelia. Ginia sah von ihr zu Guido.

»Nun, Ginia«, sagte Guido.

Endlich ging das Mädchen, nicht ohne Ginia auf der Schwelle ein letztes Mal zu mustern. Sie schlug die Tür zu, und man hörte, wie sich die Schritte entfernten.

»Sie ist ein Modell«, erklärte Guido.

In jener Nacht blieben sie auf dem Sofa, das Licht brannte, und Ginia versuchte nicht mehr, sich zu verstecken. Sie hatten den Ofen herangerückt, aber es war trotzdem kalt, und nachdem Guido sie einen Augenblick betrachtet hatte, musste Ginia wieder unter die Decke kriechen. Doch am allerschönsten war, eng an ihn geschmiegt, der Gedanke, dass dies wirklich Liebe war. Guido erhob sich, nackt, wie er war, um Wein zu holen, und kam vor Kälte hüpfend zurück. Sie stellten die Gläser auf das Öfchen, um sie anzuwärmen, und Guido roch nach Wein, als er sich zu ihr legte, aber Ginia zog den warmen Duft seiner Haut vor. Guido hatte krause Haare auf der Brust, die sie an der Wange kitzelten, und wenn sie sich aufdeckten, verglich Ginia jenes Blond mit ihrem eigenen und schämte sich, aber gleichzeitig gefiel es ihr auch. Sie flüsterte Guido ins Ohr, sie habe Angst, ihn anzuschauen, und Guido erwiderte, dann solle sie nicht hinsehen.

Als sie so umschlungen unter der Decke lagen, sprachen sie über Amelia, und Ginia sagte ihm, dass eine Frau an allem schuld sei. »Das geschieht ihr recht«, sagte Guido daraufhin. »Lässt man sich etwa auf solche Scherze ein?«

»Wie du nach Wein riechst«, flüsterte Ginia. »Das ist immer noch der beste Geruch, den man im Bett riechen kann«, antwortete Guido, doch Ginia verschloss ihm den Mund mit der Hand.

Dann löschten sie das Licht und schwiegen. Ginia starrte an die nur undeutlich erkennbare Decke und dachte an vielerlei, während Guido über ihr atmete. Seitlich, durch die Scheiben, sah man in der Ferne Lichter. Der Geruch nach Wein und heißem Atem erinnerte sie an Guidos Heimatdorf. Dann überlegte sie, ob Guido ihr schmächtiger Körper wirklich gefiel oder ob er nicht eigentlich Amelia vorgezogen hätte, braun und schön. Guido hatte sie überall geküsst, ohne zu sprechen.

Dann merkte sie, dass Guido schlief, und es schien ihr unmöglich, dass man so umschlungen schlafen könne, deshalb rückte sie vorsichtig von ihm ab und fand einen kühlen Platz, der sie aber unruhig machte, weil sie spürte, dass sie nackt war und allein. Wieder überfielen sie Ekel und Qual, wie damals als Kind, wenn sie sich wusch. Und sie fragte sich, warum Guido mit ihr schlief, und dachte an morgen, dachte an all die Tage, die sie gewartet hatte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie leise weinte, damit Guido sie nicht hörte.

Im Dunkeln zogen sie sich wieder an, und Ginia fragte plötzlich, wer dieses Modell sei.

»Sie ist ein armes Ding, der man erzählt hat, dass ich zurück bin.«

»Ist sie schön?«, fragte Ginia.

»Hast du das nicht gesehen?«

»Aber wie kann man bei dieser Kälte Modell stehen?«

»Ihr Mädchen friert doch nicht«, sagte Guido, »ihr seid dafür geschaffen, nackt zu sein.«

»Ich könnte das nicht aushalten«, sagte Ginia.

»Heute Abend hast du es ausgehalten.«

Im Licht blickte Guido sie lächelnd an. »Zufrieden?«, fragte er sie. Sie setzten sich nebeneinander aufs Sofa, und Ginia lehnte den Kopf an seine Schulter, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen. »Ich habe solche Angst«, sagte sie, »dass du mich nicht lieb hast.«

Dann machten sie Tee, und Guido blieb sitzen und rauchte, während sie im Zimmer herumlief. »Ich lass dir doch deinen Willen, scheint mir. Heute habe ich sogar Rodrigues den ganzen Abend weggeschickt.«

»Kommt er bald?«, fragte Ginia.

»Er hat keinen Schlüssel. Ich hole ihn unten ab.«

So trennten sie sich am Tor, weil Ginia Rodrigues nicht begegnen wollte. Niedergeschlagen fuhr sie mit der Straßenbahn nach Hause und dachte an nichts mehr.

So begann ihr wahres Leben als Verliebte, denn jetzt, da sie und Guido sich nackt gesehen hatten, schien ihr alles anders zu sein. Jetzt war es wirklich, als sei sie verheiratet, und auch wenn sie allein war, brauchte sie nur daran zu denken, wie seine Augen auf ihr geruht hatten, um sich nicht mehr allein zu fühlen. »Heiraten bedeutet genau das.« Wer weiß, ob ihre Mutter es auch so gemacht hatte wie sie beide. Doch sie hielt es für unmöglich, dass andere auf der Welt ebenso viel Mut aufgebracht hatten. Keine Frau, kein Mädchen konnte einen Mann nackt gesehen haben wie sie Guido. So etwas konnte nicht zweimal geschehen.

Aber Ginia war nicht dumm, sie wusste, dass alle Mädchen so reden. Auch Rosa, damals, als sie sich umbringen wollte. Der einzige Unterschied war, dass Rosa in den Wiesen Liebe machte und nicht wusste, wie schön es war, mit Guido zu plaudern und mit ihm zusammen zu sein.

Und doch wäre es mit Guido auch in den Wiesen schön gewesen. Ginia dachte ständig daran. Sie verfluchte den Schnee und die große Kälte, die es verhinderten, und malte sich, benommen vor Verlangen, den nächsten Sommer aus, wenn sie auf den Hügel wandern, nachts spazieren gehen, die großen Fenster öffnen würden. Guido hatte zu ihr gesagt: »Du musst mich auf dem Land erleben. Nur da male ich. Kein Mädchen ist so schön wie ein Hügel.« Ginia freute sich, dass Guido nicht das Modell genommen hatte, sondern ein Bild malen wollte, das ganz rund um ein Zimmer laufen sollte, wie ein Schlitz in der Wand, durch den man von allen Seiten Hügel und hellen Himmel sah. Damit befasste er sich schon, als er Soldat war, und jetzt hantierte er den ganzen Tag mit Papierstreifen und bedeckte sie mit Pinselstrichen, die aber noch nichts darstellten und nur Versuche waren. Eines Tages sagte er zu Ginia: »Ich kenne dich noch nicht gut genug, um dich zu porträtieren. Warten wir noch.«

Rodrigues begegnete sie fast nie, denn wenn Ginia vor dem Abendessen ins Atelier kam, war er schon ins Café gegangen. Stattdessen tauchten andere Leute auf, um den Abend mit Guido zu verbringen – auch Frauen, denn einmal sah Ginia eine Zigarettenkippe mit Lippenstiftspuren –, und daraufhin sagte sie, um ihm zu schmeicheln, sie habe Angst, ihn zu stören, und fühle sich von diesen Leuten eingeschüchtert. Sie schlug Guido vor, er solle die Tür offen lassen, wenn er allein war und Lust hatte, sie zu sehen. »Ich würde immer kommen, Guido«, erklärte sie ihm, »aber ich verstehe, dass du dein Leben hast. Ich will, dass wir allein sind, wenn wir uns treffen, und du darfst mich nie als Belastung empfinden.« Ihm solche Dinge zu sagen, bereitete Ginia eine so heftige Freude, wie wenn sie sich umarmten. Aber als sie die Tür zum ersten Mal verschlossen fand, konnte sie sich nicht zurückhalten und klopfte, mit flatterndem Herzen.

Amelia kam manchmal nach dem Mittagessen zu ihr, mit missmutigem Gesicht und Ringen unter den Augen. Sie gingen dann sofort aus, weil Ginia ihr keine Zeit lassen wollte, sich aufs Bett zu setzen, und streunten bis drei Uhr herum. Rücksichtslos betrat Amelia eine Bar, trank einen Kaffee und hinterließ einen Lippenstiftrand auf der Tasse. Sie schminkte sich stark, um nicht so blass auszusehen. Als Ginia sagte, so könne sie die Tassen infizieren, erwiderte sie achselzuckend: »Sollen sie sie spülen! Was glaubst du denn? Die Welt ist voll von Leuten wie mir. Der einzige Unterschied ist, dass sie es nicht wissen.«

»Aber es geht dir besser«, sagte Ginia. »Deine Stimme klingt heller.«

»Findest du?«, fragte Amelia.

Über andere Dinge sprachen sie nicht, und Ginia, die sie so viel hätte fragen wollen, traute sich nicht. Als sie ein einziges Mal auf Rodrigues anspielte, schnitt Amelia eine Grimasse und sagte: »Vergiss sie, alle beide.«

Doch eines Abends schaute Amelia bei ihr vorbei und fragte: »Gehst du heute zu Guido?«

»Ich weiß nicht«, sagte Ginia, »ich glaube, er hat Leute da.«

»Und das lässt du dir einfach gefallen? Dummkopf, solange du rot wirst, bringst du es nie zu was.«

Unterwegs gestand Ginia ihr, sie habe geglaubt, Amelia hätte sich mit Rodrigues zerstritten.

»Er ist immer noch dasselbe Schwein«, sagte Amelia. »Hat er dir das erzählt? Wenn ich daran denke, dass ich ihm die Haut gerettet habe.«

»Nein. Er sagt nur, es sei eine Ausrede, die du erfunden hast, um mit dem Arzt ins Bett zu gehen.«

Amelia lachte drohend. Als sie vor dem Haustor standen und Ginia oben das erleuchtete Fenster sah, war sie verzweifelt, weil sie bis zu diesem Augenblick gehofft hatte, Guido sei nicht zu Hause. »Es ist niemand da«, sagte sie hastig, »wir gehen nicht rauf.« Doch Amelia ging entschlossen hinein.

Guido und Rodrigues waren dabei, Feuer im Kamin zu machen. Amelia trat zuerst ein, dann Ginia, die zu lächeln versuchte. »Sieh mal an«, sagte Guido.

Der schöne Sommer

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