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»Das Wasser soll von Leben wimmeln«: Seeungeheuer auf Schöpfungsbildern

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Während die mappae mundi des Beatus die Evangelisierung der Welt vor der Apokalypse veranschaulichen, illustriert eine Karte des zwölften Jahrhunderts in den byzantinischen Handschriften des Oktateuch, also der ersten acht Bücher des Alten Testaments, die Erschaffung der Tiere – einschließlich der Seeungeheuer – in Genesis 1:20–28.43 Offenbar war der Oktateuch von besonderer Bedeutung für die byzantinische Kultur. Im mittelalterlichen Europa waren die Handschriften des Pentateuch, der ersten fünf Bücher des Alten Testaments, weit mehr verbreitet, und es findet sich nicht eine einzige reich bebilderte des Oktateuch, wogegen fünf solcher byzantinischer Handschriften, die zwischen 1050 und 1300 entstanden sind, bis in die Neuzeit erhalten blieben.44

Die mappa mundi (Abb. 11) stellt die Welt als längliche viereckige Fläche dar, die im Westen vom Mittelmeer durchbrochen und vom alles umfließenden Ozean umrandet wird; Personifikationen der vier Winde wehen aus den vier Ecken der Erdscheibe. Die Karte ähnelt auffallend denen in den Handschriften der Topographia Christiana des Kosmas Indikopleustes, eines Kaufmanns und späteren Mönchs aus dem sechsten Jahrhundert.45 Wie bei einer Darstellung der Erschaffung von Tieren zu erwarten, wimmelt die Welt der Oktateuch-Karte vor Leben.46 An Land sind Fuchs, Widder, Stier, Löwe, Elefant, Bär und Gazelle zu sehen, im Mittelmeer und im Randozean gibt es mehrere Fische, einen Aal und in jeder Ecke der Karte ein Seeungeheuer. Diese Untiere haben Hundeköpfe und schlangenartige Fischschwänze. In zwei Handschriften der Topographia Christiana des Kosmas wird eine sehr ähnliche Kreatur phoca oder Seehund genannt,47 aber in anderen Kontexten auch κῆτος (Ketos), griechisch für Meeresungeheuer. Am häufigsten erscheint dieses Seeungeheuer in mittelalterlichen Darstellungen, die entweder mit dem Sternbild Walfisch (Cetus)48 oder dem Ungeheuer, das Jona verschluckte, zusammenhängen.49


Abb. 11 Die Erschaffung der Tiere, einschließlich der Seeungeheuer, dargestellt auf einer mappa mundi in einem byzantinischen Oktateuch aus dem zwölften Jahrhundert (Istanbul, Topkapi Sarayi, MS 8,f. 32v).

Da die vier Seeungeheuer auf der Oktateuch-Karte von den Ozeanecken aus nach innen blicken, sind sie vermutlich die Wächter der äußersten Weltengrenze. Das noch erhaltene Original des illustrierten byzantinischen Oktateuchs wurde irgendwann zwischen dem späten sechsten und frühen elften Jahrhundert erstellt, und von daher können wir sicher sein, dass kartographische Seeungeheuer bereits viel früher Teil der byzantinischen Kultur waren. Die meisten europäischen Schöpfungsszenen aus dem Mittelalter enthalten auch Weltabbildungen, bei denen es sich oft um eine einfache schematische Darstellung der Welt auf einer TO-Karte50 handelt, aber es finden sich keine Beispiele, die den Oktateuch-Illustrationen zur Schöpfung ähneln, wo die Erde mit Land- und Meerestieren bevölkert dargestellt wird.51

Seeungeheuer und Monsterfische

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