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Eine imaginäre mappa mundi mit Seeungeheuern

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Um das Jahr 1100 schrieb Baudri de Bourgueil oder Balderich von Bourgueil (1046–1130), der später Erzbischof von Dol-de-Bretagne in Westfrankreich war, ein Gedicht an Gräfin Adela de Blois mit dem Titel Adelae Comitissae, in dem er die aufwendige Ausstattung einer imaginären Kemenate der Adela von Blois, Tochter Wilhelms des Eroberers, beschreibt. Baudri verfasste das Gedicht auf Order von Adela, es sollte zur Bildung ihrer Kinder verwendet werden. Das Deckengemälde in Adelas fiktiver Kammer war eine Nachbildung des Nachthimmels mit Sternbildern und Planeten; auf vier Wandteppichen wurden historische und mythische Themen dargestellt; und der Gemälde- oder Mosaikfußboden zeigte die vom Ozean umflossene Erde auf einer Weltkarte.58 Baudri beschreibt diese mappa mundi im Detail (Zeilen 719–948) und setzt dabei den Schwerpunkt auf Berge und Flüsse, erwähnt aber kaum eine Stadt (901), vielleicht weil er bereits beim Beschreiben der Wandteppiche die historischen Hintergründe zur Menschheit abgehandelt hatte. Er spricht von verschiedenen Tieren und monströsen Spezies, die auf der Karte dargestellt sind, und stellt fest, dass alle mit ihrem Namen benannt werden (725, 806, 900). Zuerst beschreibt er den Randozean und schildert, dass dieser mit Inseln, Walen (ballenas), Pottwalen (cete) und anderen Seeungeheuern (caetera monstra maris, 737) bestückt sei und den visuellen Eindruck vermittle, man könne mit der Hand ins Wasser fassen und die Seekreaturen herausziehen (740). Auch das Seeungeheuer scylla (Skylla) zitiert er (757), das erstmals in Homers Odyssee im Mittelmeer Erwähnung fand.

Obwohl Adelas Kammer und die Weltkarte imaginär sind, könnte Letztere aber durchaus auf eine reale mappa mundi zurückgehen, zumindest enthält das Gedicht klare und wichtige Anhaltspunkte dafür, denn es beschreibt sie so, wie sich ein Gebildeter Anfang des zwölften Jahrhunderts eine solche vorgestellt hat oder dachte, dass sie sein sollte. Dass Baudri bestimmte Meerestiere wie Wale und Pottwale erwähnt und zudem darauf beharrt, dass diese alle auf der Karte benannt werden, ist besonders interessant, denn es belegt das Vorhandensein einer Karte mit benannten Seeungeheuern im elften Jahrhundert und lässt zudem den Schluss zu, dass der Kartograph beim Erstellen der mappa mundi auf wissenschaftliche zoologische Texte, etwa aus einem Bestiarium oder einer Enzyklopädie, zurückgegriffen hat. Es sollte auch betont werden, dass die von Baudri beschriebene Karte und ihr Original, falls es dieses gibt, wesentlich mehr Seeungeheuer vorweisen können als die Ebstorfer oder Hereford Weltkarten, die im Folgenden erörtert werden. Die Versuchung ist tatsächlich groß, mehr der Fülle an Meereskreaturen auf der Karte Beachtung zu schenken, denn dem Zweck des Gedichts, mit dem Baudri seinen Teil zur Bildung von Adelas Kindern beisteuern wollte.

Weltkarten wurden oft als Zeichen der Macht in Adels- und Königshäusern zur Schau gestellt,59 sodass die von Baudri beschriebene Karte als Dekoration für das Zimmer einer Gräfin einerseits nichts Ungewöhnliches wäre; andererseits ist die Beauftragung, wenn auch nur die imaginäre, durch Adela ein eher seltener Hinweis darauf, dass sich im Mittelalter auch Frauen für die Kartographie interessierten.

Seeungeheuer und Monsterfische

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