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Seeungeheuer im Hafen von Brindisi

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In der berühmten Stiftsbibliothek St. Gallen, Schweiz, befindet sich eine faszinierende Stadtkarte aus dem späten elften Jahrhundert, auf der Seeungeheuer abgebildet sind.52 Es handelt sich um eine Handschrift von Lucans De bello civile (Über den Bürgerkrieg oder Pharsalia); am Rand von S. 47 illustriert eine Karte des Hafens von Brundisium (Brindisi, Italien) den nebenstehenden Text (2,610 bis 627), der den Hafen mit einer dünnen Landzunge in der Mitte, schützenden »Hörnern« von Land zu beiden Seiten und einer Insel am Hafeneingang beschreibt (Abb. 12).53 Die Karte ist mit mehreren Seeungeheuern ausgestattet: Im Wasser der linken Hafenbucht gibt es einen Fisch mit Hundekopf, wahrscheinlich ein Wasser- oder Seehund, und von rechts schwimmt eine Sirene mit nach vorn ausgestreckten Händen in Richtung Wasserhund. Im rechten Teil der Hafenbucht sind ebenfalls zwei Seekreaturen. Bei einem handelt es ich um eine Seeeidechse oder einen Meeresdrachen, und das andere ist ein vierbeiniges Mischwesen, das scheinbar einen Schweinekopf und Löwen- oder Katzenfüße besitzt, aber eindeutig im Meer lebt. Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Sirene in der Einmündung, die mit ausgebreiteten Armen ihre Hand zur Insel an der Hafeneinfahrt hinstreckt.

Lucan erwähnt keine Meeresgeschöpfe in diesem Abschnitt, und sie spielen auch anderswo in der Pharsalia keine bedeutende Rolle;54 selbst auf keiner der anderen drei Karten dieser St. Galler Handschrift erscheinen irgendwelche Seekreaturen: weder auf der schönen Zeichnung einer Schlacht in einer Küstenstadt, die im Online-Katalog der Stiftsbibliothek als Marseille bezeichnet wird, tatsächlich aber eine weitere Karte von Brindisi zeigt,55 noch auf den kleinen mappae mundi weiter hinten in der Handschrift.56 Somit sind die Seeungeheuer auf der ersten Karte der zeichnerischen Laune des Illuminators entsprungen, der die aquatischen Elemente visuell interessanter gestalten wollte als die topographischen Merkmale des Hafens, die der eigentliche Zweck einer Kartenillustration sind.

Oftmals werden die Land- und Seeungeheuer in Texten und auf Karten an den Rändern der Erde platziert,57 aber diese Karte vom zentral im Mittelmeer gelegenen Hafen in Brindisi zeigt exotische Kreaturen an einem Ort, der sich ganz in der Nähe zum erwarteten europäischen Publikum, den potenziellen Betrachtern der Karte, befindet, und hält uns somit vor Augen, dass die Tiefen der Gewässer immer geheimnisvoll sind, unabhängig davon, ob sich diese in weiter Ferne oder in unserer allernächsten Nähe befinden.


Abb. 12 Die Karte des Hafens von Brindisi mit Seeungeheuern in einer Handschrift von Lukans Pharsalia aus dem späten elften Jahrhundert (St. Gallen, Stiftsbibliothek, Codex 863, S. 47, spätes elftes Jahrhundert).

Seeungeheuer und Monsterfische

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