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Riesige Seeungeheuer auf zwei kleinen mappae mundi

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Von den Karten, die Teil eines Gebäudes sind, nun wieder zurück zu den Karten in Handschriften. Der römische Philosoph, Staatsmann und Redner Cicero beschrieb eine fiktive Erzählung des Scipio Aemilianus über einen Traum, in dem Scipio die Erde vom Himmel aus betrachtet und sieht, dass diese in verschiedene Klimazonen aufgeteilt ist, von kalt an den Polen bis heiß am Äquator. Um das Jahr 400 n. Chr. verfasste Ambrosius Theodosius Macrobius einen Kommentar zu Ciceros Somnium Scipiones (Traum des Scipio), und viele mittelalterliche Handschriften dieses Werks enthalten sogenannte Zonen- oder Macrobius-Karten, die eine schematische Erdunterteilung in Klimazonen aufweisen. Ich kenne nur eine Karte dieses Typs mit Seeungeheuern, und zwar die aus dem zwölften Jahrhundert stammende mappa mundi in Leiden (Abb. 15).73 Im nordwestlichen Teil des Randozeans gibt es einen Seehund, nicht als Mischwesen, sondern als schlicht gezeichneter Hund dargestellt; ebenso ist eine andere, sehr verblasste Kreatur im nordöstlichen Teil dieses Randozeans wohl ein Seebär und einfach als Bär im Wasser skizziert. Und im Mittelfeld der Karte, das den äquatorialen Ozean repräsentiert, sieht man einen großen Fisch (beschriftet als verus oceanus). Diese primitiv dargestellten Monster sind scheinbar der Laune des Künstlers entsprungen, denn weder Macrobius erwähnt irgendwelche Meerestiere, noch gab es eine Tradition, Seeungeheuer auf diesen Zonenkarten abzubilden.

In der Bayerischen Staatsbibliothek in München gibt es eine kleine Sammelhandschrift von ca. 1180 mit theologischen, exegetischen, devotionalen und eschatologischen Texten.74 Sie beginnt mit Exzerpten aus De divinis officiis (Der Gottesdienst der Kirche) des Rupert von Deutz, in der er die Realität der Eucharistie erörtert, und enthält dazwischen fünf kosmologische Federzeichnungen. Die erste enthält ein dreiteiliges Globusschema im Stil einer TO-Karte, umgeben von Ringen mit Inschriften der jeweils vier Lebensalter, Temperamente, Jahreszeiten, Elemente und der klimatischen Eigenschaften der zwölf Winde, die als Windköpfe abgebildet sind. Dann gibt es noch eine Darstellung der Sonnenbahnen um die Erde bei Tagundnachtgleiche und Sonnenwende; eine zonale Weltkarte, die gleich näher beschrieben wird; sowie Zeichnungen mit Sonne, Mond und Erde in ihren jeweiligen Positionen bei Sonnen- und Mondfinsternis.75 Keine dieser Darstellungen hat einen Bezug zum Text, dem sie beigeordnet sind, oder auch zu einem anderen in der Handschrift, sodass es rätselhaft bleibt, warum sie darin vorkommen.


Abb. 15 Eine seltene Macrobius-Karte aus dem zwölften Jahrhundert mit Seeungeheuern wie einem Seehund und einer verblassten Kreatur, die scheinbar einen Seebären darstellt (Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit, Gron. 78,f. 51r).

Die Zonen-Weltkarte zeigt die Erde als kreisförmige Scheibe (unterteilt in fünf Klimazonen, zwei kalte Polarzonen, eine heiße Äquatorzone und zwei des gemäßigten Klimas), umgeben von einer riesigen sich in den Schwanz beißenden Schlange (bekannt als Ouroborus, das griechische Wort für »Schwanzfresser«) und um diese herum im Außenring der Ozean mit vier Seeungeheuern, allesamt Mischwesen mit Menschenköpfen, Fischkörpern und Fischschwänzen (Abb. 16).76 In den Bildecken sitzen dämonische Personifikationen der vier Paradiesflüsse, die jeweils aus einer Urne Wasser gießen, um den Weltenozean zu speisen. Bei den vier Seeungeheuern im Ozean handelt es sich um Meermänner oder männliche Sirenen mit sehr langen Nasen, die sich jedoch unterscheiden: die Kreatur ganz oben hat zwei Hinterbeine, aber keine Arme, die ganz unten dagegen zwei Flossenbeine; links und rechts haben beide Ungeheuer Arme und Beine, Letztere sind beim linken flossenartig, beim rechten eher die eines Landtiers. Das die bewohnte Erde umschlingende Ungeheuer repräsentiert den biblischen Leviathan, denn in einer Passage zum Text De mundi celestis terrestrisque constitutione aus dem zwölften Jahrhundert heißt es, dass der Leviathan im Ozean die Welt umschlingt.77 Ein ähnliches Bild vom die Welt umschlingenden Leviathan findet sich in einer Mailänder und einer Londoner Handschrift (Abb. 17), beide aus dem dreizehnten Jahrhundert (Abb. 17).78


Abb. 16 Die Weltkarte in einer Sammelhandschrift von ca. 1180 zeigt einen riesigen Leviathan, der die Erde fest im Griff hat, und vier große Seeungeheuer, die im ringförmigen äußeren Ozean kursieren (München, Bayerische Staatsbibliothek, CLM 7785,f. 2v).


Abb. 17 Leviathan umschlingt mit seinem ringförmig gebogenen Körper die Erde; Illustration in einer Handschrift aus dem dreizehnten Jahrhundert (British Library, Add. MS 1 1639,f. 518v).

Die Seeungeheuer auf der Münchener Weltkarte umschlingen nicht nur die Erde und nehmen sie somit ein, sondern sie dominieren das Bild auch optisch, denn im Vergleich zu ihrer Präsenz erscheinen die Details in den Klimazonen der Erde schier unbedeutend. Und das Bild wirkt noch erschreckender, wenn man die Schilderung des Leviathan im Buch Hiob 41 kennt: er soll Feuer spucken, durch Waffen unverwundbar sein und die tiefe See so in Aufruhr bringen, dass sie siedet wie ein Topf.

Seeungeheuer und Monsterfische

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