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Rückkehr

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Die Nachrichten waren, wie immer, schneller als die Heimkehrer.

Der Feldzug war ein Fiasko. Auch wenn keiner der Boten Genaueres wusste, die zusammengeschmolzene Anzahl der Teilnehmer, der Zustand der Überlebenden, der tote Feldherr und nicht zuletzt die Leiche des Königs selbst sprachen Bände. Seit über dreihundert Jahren war es das erste Mal, dass ein Herrscher Karapaks bei einem Feldzug umgekommen war. Die Geschichtsschreiber rätselten schon jetzt, wie, um der Götter willen, sie dieses Desaster in den Annalen formulieren sollten. Eine geschlagene Armee, ein toter König und nur ein einziger Königssohn, der überlebt hatte. Wenigstens war es der Thronerbe. Aber das war auch schon der einzige Lichtblick in diesem Schandfleck auf Karapaks Ehre.

Großmeister Ro hatte sich jedes Detail von seinen Zuträgern berichten lassen. So weit waren sie also schon gekommen: Dass ein primitiver Schamane einen Zaubererkönig besiegen konnte. Trotz Seelenspiegel auf der Gegenseite. Ro verspürte ein Gemisch aus Sorge und grimmiger Genugtuung. Er hatte recht gehabt. Die Nahne verschwendeten sinnlos ihr Zaubererblut. Es wurde allerhöchste Zeit, dass die Kristallkammer das abstellte.

Und da seine Kollegen mit Sicherheit Skrupel und Einwände haben würden, war es an ihm als Großmeister, dafür zu sorgen, dass etwas geschah. Wie auch immer er es hinkriegen konnte, Ajitaka würde der letzte Nahne-König auf Karapaks Thron sein. Jetzt fehlte ihm nur noch ein passender Gegenspieler, den er manipulieren konnte.

Ro konnte warten. Über die Jahrhunderte hatte er reichlich Übung darin bekommen. Irgendwann würden die Götter ihm eine Gelegenheit präsentieren. Und er würde sie ergreifen.

Die Erste Gemahlin hörte mit steinerner Miene, was der Bote aus dem Norden zu berichten hatte. Ihr Gemahl war tot, ebenso ihre beiden noch verbliebenen Söhne. Nur der Sohn der Dritten Gemahlin, Ajitaka, hatte überlebt. Und der Feldzug als Ganzes war gescheitert, die Toten also ohne Ehre gestorben.

Sie klagte nicht.

Sie kleidete sich in Weiß, rief für den Sommerharem einen Trauermond aus, regelte, was es zu regeln gab, übergab der Dritten Gemahlin, jetzt Mutter des Königs, die Leitung des Sommerharems und zog sich umgehend mit der Zweiten und Vierten Gemahlin in den Winterharem zurück, um dort abgeschieden und in Ruhe zu trauern.

Es dauerte weitere zwei Zehntage, bis Ajitaka mit der durch Zauber konservierten Leiche seines Vaters eintraf. Die Straßen waren menschenleer, als das geschlagene Heer sie durchzog. Lediglich das Klagen der Frauen in den Häusern begleitete sie.

Auf dem großen Platz vor dem Palast hielt der Heerzug inne. Die Klanghölzer klagten. Die überlebenden Offiziere traten vor und bildeten vor dem Eingang des Palastes ein Spalier. Ein letztes Mal salutierten sie ihrem Anführer und Herrscher, als dessen Leiche auf einer mit weißem Tuch bedeckten Bahre an ihnen vorbeigetragen wurde. Dann sank einer nach dem anderen tot zu Boden, den eigenen Dolch im Herzen. Sie hatten ihren König nicht verteidigen können. Doch wenigstens im Tod konnten sie ihm ihre Treue beweisen.

Ajitaka übernahm sofort die Regierungsgeschäfte, auch wenn er noch nicht offiziell der König war. Es gab ja niemanden mehr, der ihn hätte herausfordern können.

Wie es der Brauch verlangte, klagten die Frauen des Sommerharems einen Tag lang im Thronsaal vor der aufgebahrten Leiche des Königs. Akiana klagte mit ihnen, aber in ihrem Herzen war nichts als Erleichterung. Ihr Vater war ein Ungeheuer gewesen. Ihr Bruder konnte nur besser sein. Und welches Schicksal auch immer er ihr bescherte, er würde es nicht aus Boshaftigkeit tun.

Zwei Tage später brannte der königliche Scheiterhaufen im Innenhof des großen Tempels unter den wachsamen Augen des Thronrates und jedes Adeligen, der nahe genug der Hauptstadt wohnte, um rechtzeitig einzutreffen.

Und am folgenden Tag erklärten die Priester Ajitaka mit dem Segen der Götter zum König Karapaks. Wie üblich wurde auch das Orakel befragt, wie die Regierungszeit dieses Königs ausfallen mochte. Das Ergebnis war allerdings so beunruhigend, dass der Hohepriester noch am selben Abend eine Privataudienz bei dem frischgebackenen König verlangte.

Ajitaka war nicht begeistert, seine heißersehnte Krönungsfeier verlassen zu müssen.

„Hätte das nicht warten können?“

„Es ist eine Warnung“, gab der Priester unbeeindruckt zurück. „Warnungen des Orakels haben es so an sich, dass sie zeitlich unbestimmt sind. Was immer sie ankündigen, es kann heute eintreten oder an Eurem letzten Lebenstag. Wenn Ihr es natürlich vorzieht, derzeit nicht informiert zu werden ...“

Ajitaka wehrte unwirsch ab. „Du bist jetzt eh hier, also sage, was du zu sagen hast.“

Der Körper des Priesters straffte sich. Sein Blick ruhte jetzt nicht mehr auf seinem König, sondern suchte die Ferne der Götter. Auch seine Stimme veränderte sich. Ajitaka spürte, wie ihm ein kalter Schauder über den Rücken kroch.

„Blutige Schwingen kreisen über dem Thron Karapaks. Die Taten der Väter fallen auf ihre Söhne. Gib acht auf das, was im Schlamm des Tsaomoogra wartet. Gib acht auf das, was aus der Vergangenheit kommt. Gib acht, dass der Schatten des Drachen dich nicht verschlingt.“

Ajitaka ballte die Fäuste. Typisch Priester! Diese verdammten Orakelsprüche verstand kein Mensch. „Und was, bitte, soll mir das jetzt sagen? Ich gehe nicht im Schlamm des Tsaomoogra spazieren. Und aus der Vergangenheit kommt nichts, die sind alle schon lange tot. Auch mein Vater. Was immer er gemacht hat, ich kann es ohnehin nicht mehr ändern. Und erst recht gibt es keine Drachen mehr, also auch keine Drachenschwingen. Diese Warnung ist schlechter als nichts.“

Die Gestalt des Priesters sackte wieder zusammen, jetzt war er nur noch ein müder alter Mann. „Eure Entscheidung, wenn Ihr das Orakel ignorieren wollt, mein König.“ Ohne seine Entlassung abzuwarten, drehte er sich um und schlurfte hinaus.

Ajitaka starrte ihm nach. Wenn es das war, was das Orakel produzierte, dann wusste er jetzt, weshalb sein Vater so wenig davon gehalten hatte. Dieser Spruch war ihm keine Hilfe. Ganz und gar nicht. Alles, was er davon verstanden hatte, war die Tatsache, dass irgendetwas ihn irgendwann bedrohen würde. Aber diesen Zustand hatte er sein ganzes Leben lang gehabt.

Er beschloss, diesen unverständlichen Orakelspruch so schnell wie möglich zu vergessen. Und am leichtesten ging das, wenn er jetzt wieder zu seinem Fest und seinen gut gelaunten Gästen zurückging und mit denen kräftig auf sein eigenes Wohl trank. Sollte das Orakel doch sehen, wo es blieb. Die Götter würden so oder so auch weiterhin Glück und Unglück nach ihrem eigenen Belieben verteilen. Und bis er merkte, was ihm zuteilwurde, konnte er genauso gut sein Leben genießen.

Falkenrache

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