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Ajitaka

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Es war niemals gut, wenn der König seine Söhne zu sich befahl. Ajitaka fühlte, wie sein Magen sich verknotete. Letztes Mal war er gnädig davongekommen. Hatte lediglich einen Verweis kassiert dafür, dass er mit einem seiner Freunde gewürfelt und verloren hatte.

„Wir sind Zauberer“, hatte sein Vater ihm mit finster zusammengezogenen Augenbrauen erklärt. „Wir beeinflussen das Schicksal eines ganzen Landes. Da solltest du doch wohl wenigstens fähig sein, zwei so kleine Würfel zu beeinflussen. Ein Nahne verliert nicht!“

In den folgenden Zehntagen war der Vater seines Freundes am Hof irgendwie in Ungnade gefallen und kurz danach mit seiner ganzen Familie auffällig hastig aus der Hauptstadt verschwunden.

Und Ajitaka hatte beim nächsten Spiel mit Hilfe seiner Zauberkräfte gemogelt.

Wieder und wieder ging er in Gedanken durch, was er in den letzten Monden gemacht hatte. Aber da war nichts, was seinem Vater unangenehm aufgefallen sein konnte, oder? Hatte er einen Fehler gemacht und es nicht bemerkt? Das wäre fast noch schlimmer.

Sein Vater hatte ihn in die Wappenkammer rufen lassen. Jenem Raum, in dem traditionell die Kriegsrüstungen, Waffen und Wappenfahnen der Nahne aufbewahrt wurden. Die glasierten Ziegel der Wände waren so rot wie der Fuchs auf dem königlichen Wappen.

Der König stand breitbeinig mitten im Raum, als Ajitaka eintrat. Drei weitere seiner Söhne waren bereits anwesend, und auch die restlichen fünf kamen jetzt.

Ajitaka atmete auf. Offenbar ging es nicht um Bestrafung.

Ein stechender Blick aus königlichen Augen traf ihn. Es kostete seine ganze Selbstbeherrschung, diesen Blick ruhig zu erwidern. Ajitaka sah, dass mehrere seiner Brüder die Augen niederschlugen.

Sein Vater nannte ihre Namen, befahl ihnen, an die Wand zurückzutreten.

Nur Ajitaka, Kohomeka und Nolokata standen noch vor ihrem Vater.

Der Vater öffnete die Hand. Drei kleine Feuerkugeln rollten heraus, flogen auf seine Söhne zu. Kohomeka ließ die Feuerkugel an einer magischen Barriere zerplatzen. Ajitaka sandte seine Kugel gegen die Decke, wo sie in einem Funkenregen zerstäubte. Nolokata war, wie immer, zu langsam. Die Kugel traf seine Brust. Schmerzerfüllt jaulte er kurz auf, als das Feuer ihn versengte, rührte aber keine Hand und blieb stoisch stehen.

Sein Vater musterte ihn abschätzig. „Unbrauchbar als König. Aber jemand wie du wäre vermutlich ein brauchbarer Feldherr. Geh, melde dich in der Kaserne der Garde. Ab sofort ist dein Platz dort.“

Nolokata drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus. Ajitaka spürte deutlich die Erleichterung seines Bruders. Kaserne, das bedeutete, dass er von den anstrengenden, langweiligen Übungsstunden bei Onkel Toleke befreit war. Genau das, was Nolokata immer gewollt hatte. Auf dem Schlachtfeld würde er glücklicher sein als im Palast.

Der Vater wandte sich Ajitaka zu. „Du reagierst brauchbar, aber zu schwach. Ich dachte, du hättest mehr von mir. Sollte ich mich so getäuscht haben, als ich dich zu meinem Thronerben ernannte?“

Er ließ seinen Blick über die versammelten Söhne wandern. „Hat Toleke euch bereits einen Seelenspiegel machen lassen?“

Ajitaka und Kohomeka bejahten mit einer Handbewegung.

„Und womit?“

Ajitaka spürte Schweißperlen auf seiner Stirn. Er war froh, dass sein Bruder antwortete. „Wir haben mit Mäusen gearbeitet.“

„Mäuse!“, sagte sein Vater verächtlich. „Das ist etwas für Schwächlinge, nicht für einen zukünftigen König. Eure Spiegel sollten Menschen sein. Mäuse sind viel zu schwach für Kriegszauber.“

Sein Blick fixierte Kohomeka. „Willst du anstelle von Ajitaka König werden?“

„Natürlich!“, entfuhr es Kohomeka.

Ein spöttisches Lächeln umspielte kurz die königlichen Lippen. „Dein Spiegel!“

Kohomeka zückte wortlos seinen Arbeitsspiegel.

Ein Wink seines Vaters. „Tihomeka!“

Der jüngste seiner Söhne löste sich von der Wand und kam unsicher zurück in die Raummitte.

„Da steht dein zukünftiger Spiegel. Sieh zu, dass du ihn vernünftig formst.“

Kohomeka war leichenfahl geworden. Die Hand, die den Spiegel hielt, zitterte. Ajitaka spürte einen Anflug von Mitleid. Kohomeka und Tihomeka waren Söhne der gleichen Mutter. Jeder im Palast wusste, wie sehr Tihomeka an seinem älteren Bruder hing und wie stark Kohomekas Zuneigung zu seinem jüngeren Bruder war.

Kohomeka hob den Spiegel.

Tihomeka begann zu weinen, lautlos, aber er blieb gerade stehen, sah seinem Bruder ins Gesicht.

Der Spiegel kam näher. Die Gestalt des Jungen zitterte unter dem unsichtbaren Sog.

Kohomekas Arm fiel herab, der Sog des Spiegels erlosch. „Ich kann es nicht.“

„Dann kannst du auch kein König sein. Ein König darf keine Schwäche zeigen. Niemals.“

Zitternd blieb Kohomeka vor seinem Vater stehen

Der Kopf des Königs fuhr herum, er nahm Ajitaka in den Blick. „Kannst du es besser?“

Wenn Ajitaka eines sicher wusste, dann die Tatsache, dass Tihomeka so oder so verloren war. Sein Vater würde ihn niemals lebend aus dem Raum entlassen. Das einzige, was er für ihn tun konnte, war, ihm ein schnelles Ende zu geben. Wortlos zückte Ajitaka seinen eigenen Spiegel, trat zu seinem jüngeren Bruder und berührte ihn mit seinem Spiegel.

Es war überraschend leicht. Ajitaka spürte kaum Widerstand. Und dann war der Spiegel in seiner Hand groß und schwer und voller Energie.

„Sieht fast so aus, als ob du doch noch der nächste König auf Karapaks Thron sein wirst.“

Ajitaka fror beim Tonfall der väterlichen Stimme. Es war noch nicht vorbei, der König noch nicht zufrieden.

„Allerdings braucht Karapak einen König, der kämpfen kann. Kannst du es?“ Sein Vater deutete auf Kohomeka. „Da steht dein Gegner! Einer von euch beiden wird der zukünftige König. Der andere verlässt diesen Raum nur noch als Spiegel.“

Er trat zurück.

„Fechtet es untereinander aus. Jetzt.“

Der Kampf konnte nur unfair sein. Kohomeka wusste das so gut wie Ajitaka. Ein Seelenspiegel gegen einen armseligen Arbeitsspiegel. Kohomeka hatte keine Chance. Aber er war verzweifelt, und die Verzweiflung trieb ihn zu einem letzten, machtvollen Aufbäumen. Ajitaka spürte, wie sein Spiegel den kleineren Arbeitsspiegel seines Bruders leer sog. Er spürte, dass bereits mit der ersten Berührung das Schicksal seines Bruders besiegelt war. Und dann ... dann verbündeten die Energien seines noch lebenden Bruders sich mit denen, die bereits im Spiegel steckten, und Kohomeka griff ihn ein letztes Mal an, packte ihn, versuchte, ihn mit in den Spiegel zu zerren. Einen fürchterlichen Moment verspürte Ajitaka nichts als Panik. Dann erinnerte er sich, fokussierte. Der Zugriff seines Bruders glitt ab, die angreifenden Energien wurden in den Spiegel gesogen. Zum ersten Mal in seinem Leben war Ajitaka aufrichtig dankbar für die endlosen Konzentrationsübungen, die Onkel Toleke ihnen immer und immer wieder auferlegt hatte.

Zwei Atemzüge, und schon war es vorbei. Der Spiegel lag schwer in seiner Hand. Makellos glatt die Oberfläche, spröde und rau die Umrahmung, dumpfe Verzweiflung darunter. Und als er von dem Spiegel hochsah, blickte er in das zufrieden lächelnde Gesicht seines Vaters.

Mit diesem Spiegel war Ajitaka endgültig der auserwählte, beneidete Thronerbe. Mit diesem Spiegel war er dauerhaft eine Gefahr für seine Brüder. Und mit diesem Spiegel loderte in ihm ein Hass gegen seinen Vater, den nur der Tod beenden konnte.

Der Sommerharem reagierte wie gelähmt. Seit Generationen hatte es nicht mehr eine so gnadenlose Probe für die Thronbewerber gegeben. Die Frauen flüsterten nur noch. Die Kinder wagten nicht einmal das. Die Mutter der beiden toten Prinzen, die Zweite Gemahlin, schrie einmal auf, als sie vom Schicksal ihrer Kinder hörte. Dann legte sie ihre Festkleidung an, ließ sich von ihrer Zofe kunstvoll schminken, schmückte sich mit allem, was ihre Truhen hergaben, schickte dann ihre Dienerinnen und Sklavinnen fort und bestieg alleine und unbegleitet den großen Eckturm an der Flussseite. Mit klopfendem Herzen stand Akiana im Pfauenhof, sah in der Ferne die winzig erscheinende Gestalt ihrer Tante, deren Geschmeide mit jeder Bewegung in der Sonne glitzerte, sah sie dort stehen, oben auf dem Turm, viele Herzschläge lang. Und sah sie verschwinden.

Es hieß, ihre Leiche sei von den Leuten aus dem Flussviertel ausgeplündert worden, bevor die Wachen sie erreichen konnten, und man habe sie halb entkleidet vorgefunden. Akiana wusste, was ihre Tante damit bezweckt und erreicht hatte. Ihr Tod würde für immer einen Flecken der Schande auf der Ehre ihres Gatten, des Königs, hinterlassen.

Es dauerte bis zur Regenzeit, bevor sich das Leben im Sommerharem einigermaßen wieder normalisierte, und es wurde nie wieder das gleiche.

Falkenrache

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