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Audienz

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„Wappenträger Na-Ochone aus dem Hause Mehme!“

Ajitaka, König Karapaks, aus dem ruhmreichen Haus Nahne, hob kaum merklich die Augenbrauen. Mal wieder ein Mehme! Augenscheinlich hatten sie den Versuch noch nicht aufgegeben, bei Hofe wieder an Boden zu gewinnen. So zuverlässig, wie eine Generation der anderen folgte, stand bei jedem Nahne-König irgendwann einer von ihnen im Audienzsaal und versuchte, die nicht vorhandenen Fähigkeiten seiner Sippe anzupreisen. Und wie schon sein Vater vor ihm war auch Ajitaka gewillt, das Spielchen mitzumachen. Es war schließlich überaus amüsant, zu sehen, wie sie sich drehten und wanden und mühten. Die Mehme begriffen einfach nicht, dass sie keine Chance hatten und auch nie eine kriegen würden, magielos, wie ihr Haus war.

Um den Mund des Wesirs spielte die Andeutung eines spöttischen Lächelns, und etliche Adelige zeigten mehr als nur eine Andeutung. Diese spezielle Audienz versprach lustig zu werden. Insbesondere, da die Mehme es anscheinend nie merkten, dass sie bei ihren Auftritten vor dem König lediglich die Stelle eines Hofnarren einnahmen.

Der junge Mehme trat mit federnden Schritten und selbstbewusst erhobenem Haupt den Thronsaal.

Sein Begleiter folgte etwas vorsichtiger. Offenbar ebenfalls ein Mehme, der Nase nach zu urteilen, auch wenn er das Wappen nicht trug. Ein Bastard also. Unwichtig. Und richtig, der Mann trat rasch zur Seite und ließ den ersten Mann alleine nach vorne zum König gehen.

Na-Ochone sah eigentlich nicht unsympathisch aus. Nur verdammt hässlich mit dieser langen, gekrümmten Nase. Mal ganz zu schweigen von der Tatsache, dass seine Tunika einen Schnitt hatte, der seit mindestens sechs Jahren völlig aus der Mode war, und er tatsächlich seine Haare noch in diesem völlig altmodischen Kriegerknoten trug, den nicht einmal die reguläre Armee noch forderte.

Das Lächeln des Wesirs wurde eine Spur deutlicher. Einen Moment spielte Ajitaka mit dem Gedanken, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was seine Berater und die ganzen Speichellecker vor ihm erwarteten, und den Mehme wirklich offen und ehrlich willkommen zu heißen. Die schockierten Gesichter wären bestimmt Gold wert.

Aber ein König konnte es sich nicht leisten, gewisse Leute zu verprellen. Insbesondere dann nicht, wenn diese Leute die nächsten Feldzüge im Norden mit finanzieren sollten. Also war der Mehme das Opfer dieses Spiels. Zwangsläufig.

Und wenn er schon spielte, dann gründlich. Schließlich wusste er genau, was seine Leute von ihm erwarteten. Ajitaka zauberte etwas auf seine Lippen, das mit viel gutem Willen als gönnerhaftes Lächeln bezeichnet werden konnte, während er gleichzeitig eine Falte leichter Besorgnis zwischen seine Augenbrauen setzte.

Der Mehme hielt exakt in den vorgeschriebenen zwölf Schritten Abstand zum Thron an, sank auf die Knie und neigte den Kopf zu einem formvollendeten Gruß.

„Wappenträger Mehme!“ Schon die Tatsache, dass er lediglich die beiden Silben des Hausnamens aussprach, entsprach einer leichten Rüge, und das Lächeln des Wesirs vertiefte sich erneut. Der Mann nahm sich eindeutig zu viel heraus. Als Wesir hätte er neutral bleiben müssen. Ajitaka machte sich eine geistige Notiz, den Mann bei nächster Gelegenheit freundlich, aber bestimmt auf seinen Platz zu verweisen. Aber jetzt war erst einmal der Mehme dran.

„Euch habe ich nicht erwartet. Nicht so rasch jedenfalls. Hat sich an der Grenze etwas ereignet, über das Ihr mir persönlich berichten müsst?“

Der Mehme beherrschte sich bemerkenswert gut. Er zuckte nicht einmal zusammen. „Die Grenze ist ruhig, wie immer in den letzten Jahren, mein König. Ich kam, um meinem neuen Herrscher meine unverbrüchliche Treue zu versichern.“

„Sehr lobenswert. Allerdings bedeutet das wohl auch, dass Eure Festung derzeit unterbesetzt sein dürfte, oder irre ich mich?“ Jetzt war der Mehme doch ein wenig zusammengezuckt.

„Niemals würde ich so leichtfertig handeln. Ich weiß, was ich Euch und dem Reich schuldig bin. Selbstverständlich habe ich dafür gesorgt, dass zusätzliche Soldaten für die Dauer meiner Abwesenheit in der Festung stationiert wurden.“

„Ich hoffe, Ihr konntet das einrichten, ohne die königlichen Kassen zu plündern.“

Der Mehme schluckte sichtlich. Offenbar hatte er darauf gebaut, tatsächlich Unterstützung aus besagten Kassen zu bekommen. „Natürlich, Euer Majestät. Ich würde es niemals wagen, Euch wegen solcher Kleinigkeiten zu behelligen. Diese Männer bezahle ich selbstverständlich selbst, und es ist mir eine Ehre, das für das Reich tun zu dürfen.“

Gut gekontert. Verstand hatte der junge Mann, wenn auch seine Einstellung so altmodisch und verstaubt war wie sein Aussehen.

Ajitaka beschloss, ihm vorerst eine lange Leine zu lassen. Es würde deutlich unterhaltsamer sein, zuerst die Hoffnungen des Mehme aufzubauen und ihn dann, wenn er sich am Ziel wähnte, um so tiefer hinabzustoßen.

Großmeister Ro wartete, bis die Audienz beendet und der König in seine privaten Räume zurückgekehrt war. Dann trat er aus den Schatten. „Dieser junge Mehme-Wappenträger – Ihr habt ihn deutlich zurückgewiesen. War das klug?“

Ajitaka zuckte mit den Achseln. „Vermutlich nicht. Seine Aura zeigte mir überdeutlich, wie wütend er wurde. Aber was macht das schon? Er ist keine Gefahr, egal, was er in seiner Wut eventuell anstellt. In ihm ist kein Funken Magie.“ Er wandte sich wieder seiner Karte zu, legte den Finger auf die rot markierte Stelle am Rand der Grauen Schluchten. „Werdet Ihr mir jetzt helfen oder nicht?“

Ro seufzte hörbar. „Der Pakt von Tarakor verbietet mir jede Einmischung. Das wisst Ihr genau.“

„Dann seid Ihr genauso nutzlos wie der ganze Rest der Kristallkammer.“

Es kostete Ro jedes Quäntchen seiner Selbstbeherrschung, um darauf nicht zu antworten. Nutzlos? Er? Die Kristallkammer? Wusste dieser jugendliche Trottel denn überhaupt nichts über die magischen Mächte?

Leiser als der Hauch der Sommerwinde glitt er zur Tür, öffnete sie lautlos und ging ohne Abschied.

Doch jeden Schritt seines Weges gärte es weiter in ihm. Nutzlos? Bei all dem, was die Zauberer für das Reich taten? Wie viele Leben hatte es gekostet, Karapak zu jener blühenden Großmacht zu formen, die heute fast die ganze Ebene beherrschte? Wie viele Spiegel waren verbraucht worden, um die Böden fruchtbar genug zu machen für so viele Menschen, um die Grenzen zu sichern, die Seuchen einzudämmen oder Wege und Straßen zu schaffen an Stellen, an denen die Kunst der menschlichen Baumeister versagte? Nutzlos! Pah!

Allerdings mochten sie in nicht allzu ferner Zukunft tatsächlich nutzlos werden. Dann nämlich, wenn ihnen der Rohstoff sowohl für den Zauberer-Nachwuchs als auch für die Spiegel ausging. In der Kristallkammer war keine Zeugung möglich. Die Ungeborenen waren zu schwach, sich gegen den Sog des Kristalls zu wehren. Und die königliche Sippe vernichtete in jeder Generation kostbare Blutsträger im Kampf um den Thron und in sinnlosen Grenzscharmützeln, während sie die Frauen als Gunstbeweise an die Adelshäuser verteilten und somit auch diese Blutlinien verwässerten.

So viele Drachenblutträger, deren Leben sinnlos vergeudet wurde.

Nutzlos.

Das Einzige, was wirklich nutzlos war, war die Magie im Königshaus. Das Gleichgewicht der Kräfte war stabil, seit dem Aufstand in den Drachenbergen gab es keine großen Kriege mehr. Die Sicherung der Grenzen konnte jeder nichtmagische Mann gewährleisten, der imstande war, einen entsprechenden Befehl zu geben. Langsam begann sich jene Idee in ihm zu entfalten, die schon längere Zeit unterschwellig gegärt hatte. Die Zeit war gekommen, dass er dem Schicksal nachhelfen konnte.

Nutzlos. Ungefährlich. König Ajitaka hatte ein Talent, sich Feinde zu schaffen. Er würde merken, wie wenig klug das gewesen war.

Dakane, ältester Sohn des gräflichen Hauses Vuhon und damit Erbe des Titels, kräuselte seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Wie gut, dass er der heutigen Audienz beigewohnt hatte. Dieser Mehme – wie hieß er doch noch gleich? Ach ja – Na-Ochone, der war interessant.

Stolzierte in den Saal wie ein preisgekrönter Kampfhahn. Klar musste das dem König übel aufstoßen. Zumal, welchen Grund hatte dieser Mehme, sich so stolz zu geben? Dakane konnte sich nicht entsinnen, von dieser merkwürdigen Wappenträgersippe je zuvor gehört zu haben, auch wenn der König sie offensichtlich kannte. Er würde Informationen einholen müssen. Eines aber wusste Dakane jetzt schon: Der Mehme hatte nicht die geringste Ahnung von dem, was bei Hofe vor sich ging. Er war ein völlig unbedarfter Neuling. Noch dazu einer, den der König ausgesprochen geringschätzte.

Wäre er alleine und unbeobachtet gewesen, Dakane hätte sich voller Vorfreude die Hände gerieben. Mit dem Mann konnte er spielen. Na-Ochone hatte weder eine mächtige Sippe noch hochrangige Freunde, die ihre schützende Hand über ihn hielten. Die nächsten Monde würden interessant werden.

Akiana hörte dem Klatsch der Dienerinnen nur mit halbem Ohr zu.

„Hässlich soll er sein. Soll ein ganz entstelltes Gesicht haben“, erzählte Tsi gerade, während sie mit Ken die bislang roten Vorhänge gegen lindgelbe austauschte, passend zu den gelben Lilien, die gerade vor Akianas Fester blühten.

„Ich hab gehört, der kommt aus einer der Randprovinzen nahe der Wüste. Vielleicht hat er ja bei einem Kampf etwas abgekriegt. Die Barbaren da unten sollen ja immer wieder Schwierigkeiten machen.“

„Wenn jemand da unten lebt, dann ist er entweder völlig bedeutungslos oder strafversetzt. Warum sollte so jemand überhaupt eine Audienz beim König bekommen?“

„Der Vuhon Dakane soll gemeint haben, unser König will sich mit dem Neuen nur ein bisschen amüsieren.“

Amüsieren? Das ging zu weit. Akiana richtete einen kühlen Blick auf ihre Dienerinnen. „Mein Bruder amüsiert sich nicht auf Kosten von Untertanen, die für ihn ihr Leben an der Grenze einsetzen.“

Tsi und Ken zuckten zusammen. Den Rest ihrer Arbeit erledigten sie schweigend.

Gut so. Irgendwelche Krieger aus dem Süden hatten die Dienerinnen nicht zu interessieren. Der Mann musste allerdings wirklich hässlich sein, wenn das Gerücht darüber es bis in den Sommerharem schaffte. Egal. Akiana hatte Wichtigeres im Sinn, als sich mit diesem Mann zu beschäftigen. Sie musste ihre Magie üben. Unbedingt. Einmal war ihr der Tarnzauber fast entglitten. Eine ihrer Tanten hatte etwas gemerkt und sich nach ihr umgesehen. Wenn ihr das vor einem ausgebildeten Zauberer passierte, war sie geliefert. Sie musste ihre Technik perfektionieren, damit – ihr Herz klopfte schneller – sie es mit dem Tarnzauber wagen konnte, aus dem Palast hinaus zu gelangen. Oder zumindest in jenen Teil, der ausschließlich den Männern vorbehalten war. Nur dort gab es Fenster, aus denen man die Stadt wirklich sehen konnte. Fenster, die mehr zeigten als nur die Spitzen der Dächer. Sie war es so leid, immer nur Mauern um sich zu sehen. Akiana summte leise ein Lied, während sie sich vorstellte, wie sie unerkannt durch die Flure streifte. Und vielleicht sogar durch die Straßen Sawateenataris. Das wäre jeden noch so illegalen Zauber wert.

Falkenrache

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