Читать книгу Die Kolonie Tongalen - Chris Vandoni - Страница 18
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Am nächsten Morgen erwachte Christopher durch den Türsummer des Hotelzimmers. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass es noch sehr früh war.
»Mist«, raunte er. »Muss das denn wirklich mitten in der Nacht sein?«
Er wusste zwar, dass Ernest und Eric zeitig aufbrechen wollten, aber dass es so früh sein würde, hatte er nicht erwartet. Anscheinend dachten die beiden, sie müssten ihn vorzeitig wecken, damit er rechtzeitig für die Abreise bereit war.
Ohne den Monitor einzuschalten, um zu sehen, um wen es sich beim frühmorgendlichen Besuch handelte, öffnete er mit einem Fingerdruck auf das Display die Zimmertür.
»Kommt rein«, röchelte er mit verschlafener Stimme und hoffte, dass der Lautsprecher vor der Tür seine Worte in verständlicher Form wiedergab.
Er hob seinen Oberkörper, setzte sich auf die Bettkante und rieb sich die Augen. Gleichzeitig hörte er die sich öffnende Tür, die sich kurz darauf mit einem ähnlichen Geräusch wieder schloss.
»Was wollt ihr denn schon so früh?«, knurrte Christopher mürrisch.
»Hallo«, erklang leise eine weibliche Stimme.
Erschrocken sah er auf und blickte in das verlegene Gesicht von Michelle Evans. Sie stand mitten im Zimmer und schien nicht zu wissen, ob sie zu ihm oder sonst irgendwohin im Zimmer blicken sollte.
Dann wurde ihm bewusst, dass er nackt war und bedeckte sich so gut es ging mit den Händen.
»Du?«
»Entschuldige, wenn ich so hereinplatze«, sagte sie unsicher. »Ich wusste nicht, dass du jemand anderen erwartet hattest.«
»Ich dachte, es wären Eric und Ernest«, erwiderte er nicht weniger verlegen.
»Soll ich draußen warten?«
»Worauf warten?«, fragte er verwundert.
»Bis du dir etwas angezogen hast.«
»Ach so. Nein, es reicht, wenn du dich umdrehst.«
Sie ging zum Fenster und blickte nach draußen in die Morgendämmerung.
So eine vertrackte Situation, dachte er. Da saß er splitternackt auf dem Bett, und vor ihm stand eine bildhübsche Frau und sah aus dem Fenster.
»Ich verschwinde kurz im Bad«, sagte er, kramte seine Sachen zusammen und verschwand.
Eine Viertelstunde später saßen sie sich in bequemen Hoversesseln gegenüber.
»Du hattest es vorgestern ziemlich eilig«, bemerkte Christopher lakonisch.
»Ja, tut mir leid, dass ich so überstürzt abgehauen bin.«
»Du hattest bestimmt deine Gründe.«
Sie zupfte nervös an ihren Haaren, während er zurückgelehnt im Sessel saß und ihr dabei zusah.
»Mir ist aufgefallen, dass du bei der Erwähnung des Namens Mark Henderson ziemlich erschrocken reagiert hast«, fuhr er fort, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Ja, ich weiß«, entgegnete sie. Ihr Blick war nach unten gerichtet.
»Kennst du ihn?«
»Nicht besonders. Ich habe ihn ein paarmal in der Firma gesehen, als er zu Besprechungen anwesend war, aber bis dahin nie persönlich mit ihm zu tun gehabt.«
»Wie ist der Name der Firma, in der du arbeitest?«
»Norris & Roach.«
Christopher war darüber nicht sonderlich überrascht. »Das ist einer der größten Pharmakonzerne weltweit. Nein, das ist sogar der größte.«
»Stimmt, aber hier in der Niederlassung in Geneva gibt es vorwiegend administrative Büros und nur wenige Forschungslabors.«
»Du arbeitest in einem dieser Labors?«
»Ja, aber wir sind leider nicht an den ganz großen Sachen dran. Die Arbeit hier ist ziemlich langweilig.«
»Weißt du etwas über unseren Auftrag?«
Sie zögerte, dann antwortete sie: »Ich wurde einmal unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs zwischen diesem Henderson und einem meiner Vorgesetzten.«
»Ging es dabei um unseren Auftrag?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich habe nur einen Teil des Gesprächs mitbekommen. Daraus wurde ich nicht ganz schlau.«
»Deswegen hattest du Ärger?«
Sie nickte. »Ein anderer Vorgesetzter hat gesehen, dass ich mich zum Zeitpunkt des Gesprächs in der Nähe aufhielt, und schloss daraus, dass ich gelauscht und zumindest einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte.«
»Leuchtet mir ein.«
»Es verging keine halbe Stunde, da wurde ich zu meinem direkten Vorgesetzten zitiert, der mir einen gehörigen Rüffel verpasste.«
»Du hast dich nicht rechtfertigt? Es war doch keine Absicht.«
»Hab ich, aber er hat mir nicht geglaubt. Und wozu dann weiterstreiten, die Bosse haben doch immer recht.«
»Leider gibt es viele solche.«
Erneut ertönte der Türsummer. Diesmal sah Christopher vor dem Öffnen der Tür nach, wer davor stand. Ernest und Eric winkten auf dem Monitor, worauf Christopher die Tür öffnen ließ. Die beiden betraten das Zimmer und grüßten. Überrascht blieben sie stehen, als sie Michelle im Sessel sitzen sahen.
»Darf ich euch vorstellen. Das ist Michelle Evans.« Danach zeigte Christopher zu Ernest und Eric und fuhr fort: »Das sind Ernest Walton und Eric Daniels, meine Freunde und Arbeitskollegen.«
Michelle erhob sich, lächelte die beiden verlegen an und streckte ihnen die Hand entgegen. »Hallo.«
Ernest erwiderte den Gruß misstrauisch, während Eric sein freundlichstes Gesicht aufsetzte. Dann wandte sich Ernest an Christopher und flüsterte: »Was macht die denn hier?«
Christopher antwortete nicht darauf und bat alle, Platz zu nehmen. Anschließend wiederholte er kurz, was er bisher von Michelle erfahren hatte.
»Sie hatten noch nie persönlich mit Mark Henderson zu tun?«, fragte Ernest nicht minder misstrauisch als vorher.
»Nein.«
»Sie haben ihn auch nicht unmittelbar vor der Begegnung mit Christopher in der Hotelbar getroffen?«
Michelle starrte Ernest verzweifelt an.
»Warum wollten Sie uns das verschweigen?« Ernest Stimme wurde etwas energischer. »Was hatten Sie mit Mark zu besprechen, was wir nicht wissen sollten?«
Michelles Gedanken rotierten. Sie war freiwillig hierhergekommen, um sich bei Christopher für ihren ungebührlichen Abgang zu entschuldigen. Nun bereute sie ihren Entscheid, weil sie sich damit in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Sie durfte ihnen die Wahrheit nicht sagen, sonst war alles verloren.
»Beim Verlassen der Firma bin ich Mark Henderson über den Weg gelaufen, und er flüsterte mir zu: Wir müssen reden«, begann sie zaghaft ihre Erklärung. »Dann drückte er mir unauffällig ein Kärtchen in die Hand und verschwand eilig.«
»Was stand darauf?«
»Der Name des Hotels und der Bar, ein Datum und eine Uhrzeit. Also bin ich hingegangen.«
»Das war vorgestern Abend, bevor wir unseren Zusammenstoß hatten?«, fragte Christopher sicherheitshalber.
»Ja.«
»Worüber habt ihr gesprochen?«
Sie zögerte und blickte zum Fenster. »Er hat mir Fragen gestellt und versucht herauszufinden, wie viel ich von dem Gespräch mitbekommen habe. Also habe ich ihm erzählt, was ich gehört hatte.«
»Wie viel weißt du denn?«
»Scheinbar nicht viel, denn ich habe nur wenig mitbekommen. Eigentlich habe ich nur unfreiwillig ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt. Ich habe sie mir nicht gemerkt. Was mir geblieben ist, sind ein paar Wörter wie Chemische Substanzen. Dann war noch die Rede von irgendeinem Medikament. Sie hatten dafür einen Namen, aber den hab ich vergessen. Und sie redeten über Nachrichten und Informationen. Aber um was es dabei ging, hab ich ebenfalls nicht mitbekommen. Vielleicht können Sie mir ja mehr darüber erzählen.«
»Das dürfen wir nicht.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
»Worüber habt ihr sonst noch geredet?«
»Nichts mehr, was den Auftrag direkt betraf. Aber er hat mir gedroht, ich würde ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, wenn ich irgendetwas darüber weitererzählen sollte. Oder wenn ich versuchen würde, weitere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen.«
»So kenne ich Mark gar nicht. Aber ich kann jetzt verstehen, dass du so erschrocken reagiert hast, als ich dir seinen Namen nannte.«
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen, sagte aber nichts. Er konnte die Angst in ihrem Gesicht erkennen. Ernest und Eric saßen schweigend daneben.
»Was ist?«, fragte er sie nach einer Weile.
»Ich glaube, ich werde beschattet«, antwortete sie ängstlich.
»Von Mark?«
»Nein, aber mir ist ein Typ aufgefallen, der sich an denselben Orten befand, an denen ich mich aufgehalten hatte. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall war.«
»Das glaube ich auch nicht. Dann weiß er bestimmt auch, dass du jetzt hier bist«, sagte Christopher besorgt, stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus.
»Nein, ich glaube, ich habe ihn abgehängt«, sagte sie beschwichtigend. »Bevor ich zu deinem Zimmer kam, bin ich mit dem Lift ein paarmal rauf und runtergefahren, hab jedes Mal den Schacht gewechselt und bin immer in einer anderen Etage ausgestiegen. Auf deiner Etage bin ich zuerst in die andere Richtung gegangen, bin vor einer anderen Zimmertür stehengeblieben und habe gewartet. Als nach einer Weile niemand erschien und nichts geschah, ging ich zurück zum Lift und kam hierher.«
»An die Gesichtsscanner hast du nicht gedacht?«, fragte er.
Sie antwortete nicht und holte stattdessen eine Sonnenbrille und einen gefalteten Damenhut aus ihrer Handtasche.
»Tja, hoffen wir, dass der Trick gewirkt hat.«
Als sie die Sachen wieder in ihrer Tasche verstaut hatte, fragte er: »Warum bist du zu mir zurückgekommen?«
»Ich möchte weg von hier«, antwortete sie entschlossen.
»Wie bitte?«
»Ich möchte Sie auf Ihrem Flug begleiten«, wiederholte sie, sah anschließend zu Ernest und zu Eric.
Christopher brauchte eine Weile, um sich von seiner Verblüffung zu erholen.
»Ich fühle mich hier nicht mehr sicher«, fuhr sie fort. »Ich will einfach weg.«
»Das kann ich verstehen, aber warum gerade mit uns?«
»Vielleicht hat Henderson einen Killer auf mich angesetzt, und der wartet nur auf die passende Gelegenheit.«
»Einen Moment mal«, mischte sich Ernest in die Unterhaltung ein. »Was erzählen Sie uns da für einen Bockmist! Ich glaube Ihnen kein Wort. Von wegen Mark soll einen Killer auf Sie angesetzt haben.«
Christopher versuchte, die Situation zu besänftigen. »Ich kenne Mark nun schon lange genug, dass ich dir versichern kann, dass er so etwas nie tun würde.«
»Warum hat er mir dann gedroht?«
»Vielleicht kommt er selbst in Teufels Küche, falls sich herausstellt, dass du doch geheime Informationen mitbekommen hast. Und er will nur sicher gehen, dass du nichts verrätst.«
»Ich würde trotzdem gerne mit euch mitfliegen«, sagte sie entschlossen. »Mich hält hier nichts mehr. Ich würde mich sicherer fühlen. Überlegt einmal, wenn Mark Henderson mich tatsächlich beschatten lässt, um sicherzugehen, dass ich mit niemandem Unbefugten rede, was wäre dann aus seiner Sicht der beste Ort, an dem ich mich aufhalten könnte?«
»Bei uns, weil du uns nichts über den Auftrag erzählen könntest, was wir nicht selbst schon wissen«, antwortete Christopher. »Das leuchtet mir ein.«
»Da ich keinen Job mehr habe, hält mich hier wirklich nichts mehr.«
»Du hast keinen Job mehr?« Christopher sah sie erneut verblüfft an.
»Ich habe gekündigt. Darauf haben sie mich per sofort freigestellt. Anscheinend hatten sie sowieso vor, mich zu feuern.«
Christopher blickte zu seinen beiden Freunden.
»Das kommt alles etwas kurzfristig«, meinte Ernest nicht gerade begeistert. »Eigentlich wollten wir heute früh abreisen.«
»Ihr fliegt jetzt schon los?«
»Das haben wir tatsächlich vor. Wäre es für dich ein Problem?« Christopher sah sie fragend an.
Wieder zupfte sie nervös an ihren Haaren. »Ich dachte, es würde noch ein paar Tage dauern. Ich müsste noch ein paar Sachen aus meiner Wohnung holen.«
»Wie viel Zeit brauchst du dafür?«
»Nicht viel. Wir könnten sofort hinfahren.«
»Wie lange dauert das?«, fragte Ernest. Er verbarg in keiner Weise, dass er darüber nach wie vor nicht sehr angetan war.
»Etwa eine Stunde.«
Eric räusperte sich. Er hatte sich bis dahin nicht zu der Situation geäußert. »Wenn alles stimmt, was Miss Evans uns bisher erzählt hat - und ich erkenne keinen Grund, warum sie uns belügen sollte -, dann sollte es für uns kein Nachteil sein, wenn sie uns begleitet.«
Sie sahen Eric eine Weile schweigend an. Ernest nickte. »Ich werde Sie aber im Auge behalten«, sagte er mit ernster Miene an Michelle gewandt.
»Wir müssten Sie noch bei der Raumflugkontrolle anmelden«, sagte Eric.
»Ich werde das übernehmen. Wir treffen uns in anderthalb Stunden im Raumhafen in der Bar, in der ich mich mit Mark getroffen habe. Ihr wisst ja, wo das ist. Seid bitte pünktlich. Ich werde in der Zwischenzeit noch mal versuchen, Mark zu erreichen.«
Kaum war Ernest wieder in seinem Zimmer, setzte er sich mit einem alten Freund bei der Terrestrial Security Agency in Verbindung.
»Hallo Thomas. Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Worum geht‘s denn diesmal? Doch nicht schon wieder um irgendeine Verletzung von Sicherheitsbestimmungen?«
»Nein. Du kannst dich beruhigen. Du sollst mir nur Auskunft über eine bestimmte Person geben.«
»Offiziell oder inoffiziell?«
»Am besten ohne den ganzen administrativen Kram.«
»Dann inoffiziell. Aber du weißt, dass es mir Ärger einbringen könnte?«
»Und du weißt, wie verschwiegen ich bin.«
»Zum Glück, sonst würde ich es nämlich nicht tun. Also, wer ist die Person?«
»Michelle Evans, wohnhaft in Geneva, etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt. Arbeitete bis vor kurzem bei Norris & Roach.«
»Dauert nur ein paar Sekunden.«