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b) Verfassungsprozessuale Bedeutung der Elfes-Logik
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Das BVerfG hat nicht nur den Kreis der rügefähigen Rechte im Verfassungsbeschwerdeverfahren über den Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr 4a GG hinaus erweitert, sondern auch den Prüfungsumfang in diesem Verfahren außerordentlich umfassend angelegt. In der Elfes-Entscheidung formuliert das Gericht bezogen auf Art. 2 Abs. 1 GG, was es später – konsequenterweise – auf alle übrigen Grundrechte erstreckt hat (BVerfGE 6, 32, 41):
„Jedermann kann im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, ein seine Handlungsfreiheit beschränkendes Gesetz gehöre nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil es (formell oder inhaltlich) gegen einzelne Verfassungsbestimmungen oder allgemeine Verfassungsgrundsätze verstoße; deshalb werde sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.“
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Art. 2 Abs. 1 GG wird – so verstanden – zum „Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind“ (BVerfGE 29, 402, 408). Das weitet die Verfassungsbeschwerde „tendenziell zur allgemeinen Normenkontrolle aus“ (BVerfGE 80, 137, 168 – SV Grimm). Zwar rügt der Beschwerdeführer auch in solchen Fällen – genau besehen – eine Verletzung seines Grundrechts und nicht einen Anspruch auf verfassungsmäßige Gesetzgebung, der ihm keinesfalls zukommt[8]. Dennoch stellt sich die Frage, ob dem Grundrechtsberechtigten durch Art. 93 Abs. 1 Nr 4a GG, § 90 BVerfGG die Möglichkeit eröffnet werden sollte, eine derart umfassende Überprüfung eines grundrechtsbeeinträchtigenden Gesetzes zu initiieren.
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Die materiellrechtliche Überlegung, dass grundrechtliche Freiheit nach dem Willen der Verfassung die Regel sein solle und Einschränkungen dieser Freiheit nur dann verfassungsgemäß sind, wenn und soweit sie durch Gesetz, das heißt: durch ein in jeder Hinsicht verfassungsgemäßes Gesetz vermittelt werden, hilft hier nur bedingt weiter. Die Frage ist vielmehr, wie weit die Kognitionskompetenz des BVerfG im Verfassungsbeschwerdeverfahren reichen soll (s. dazu näher Rn 241 ff): „Die Rundumkontrolle ist Sache anderer Verfahren, der abstrakten Normenkontrolle nämlich und der Richtervorlage. Gegenstand und Maßstab der Verfassungsbeschwerde hingegen sind allein die Grundrechte. Und wenn diese Begrenzung Sinn machen soll, muss es eine Grundrechtsprüfung geben, die nicht auch das rein objektive Verfassungsrecht (hier: die Kompetenzvorschriften) einbezieht.“[9]