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a) „In-Verbindung-mit“-Judikatur
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Heikel ist in dieser Hinsicht vor allem die Rechtsprechung des BVerfG zum Verfassungsbeschwerdeverfahren. Aus Art. 93 Abs. 1 Nr 4a GG ergibt sich, dass der Beschwerdeführer behaupten können muss, in einem seiner Grundrechte (dh in subjektiven Rechten, die sich im ersten Abschnitt des Grundgesetzes unter der Überschrift „I. Die Grundrechte“ finden) oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Die Aufzählung weiterer Vorschriften des Grundgesetzes, aus denen verfassungsbeschwerdefähige Rechte folgen können, macht nur dann Sinn, wenn sie als Ausschluss nicht genannter Vorschriften des Grundgesetzes in den Abschnitten II. bis XI. verstanden wird, aus denen ebenfalls subjektive Rechte folgen können.
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Trotzdem hat das BVerfG immer wieder Verfassungsbeschwerden gegen fachgerichtliche Entscheidungen für zulässig erachtet, die der Beschwerdeführer auf eines der enumerierten Rechte in Verbindung mit einem thematisch nahe stehenden, aber nicht in Art. 93 Abs. 1 Nr 4a GG als rügefähig genannten subjektiven Recht oder einer Vorschrift des objektiven Verfassungsrechts gestützt hatte. Das ist unproblematisch (und im Grunde auch unnötig), soweit die Verletzung dieses nicht genannten Rechts zu einer Verletzung des rügefähigen Rechts führt, was aber eher die Ausnahme sein dürfte[7]. Wo es sich nicht um solche Ausnahmen handelt, besetzt das BVerfG durch seine „In-Verbindung-mit“-Judikatur Zuständigkeiten, die ihm nach geltendem Recht nicht zukommen.
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Kritisch zu sehen sind daher beispielsweise die Ausführungen des Gerichts zur Verfassungsbeschwerde eines Bundestagsabgeordneten, der eine Verletzung seiner Rechte „aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 47 Satz 2 GG“ gerügt hatte (BVerfGE 108, 251, 267): „Der Beschwerdeführer […] kann nicht auf das Organstreitverfahren als vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit verwiesen werden […]. Hier macht der Beschwerdeführer […] nicht seine organschaftliche Stellung gegenüber einem im Organstreitverfahren parteifähigen Verfassungsorgan geltend. Vielmehr rügt er die Verletzung eines im fachgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigenden subjektiven öffentlichen Rechts durch die öffentliche Gewalt. In diesem Fall muss dem Abgeordneten die verfassungsrechtliche Klärung der Frage, ob seine Rechte aus Art. 47 S. 2 GG verletzt sind, im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde möglich sein.“ – Vergleichbares hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG in ihrem Nichtannahmebeschluss im Fall Edathy für den ebensowenig rügefähigen Art. 46 GG angenommen, obwohl die Gewährleistung der parlamentarischen Immunität in erster Linie der Funktionsfähigkeit des Parlaments diene. Der Abgeordnete könne gegenüber dem Parlament beanspruchen, dass dieses willkürfrei über eine beantragte Aufhebung der Immunität entscheide, und Art. 46 Abs. 2 GG enthalte zudem ein Verfahrenshindernis, das die öffentliche Gewalt bei allen gegen Bundestagsabgeordnete gerichteten Maßnahmen streng zu beachten habe; auch darauf könne sich der einzelne Abgeordnete berufen. Mache der Beschwerdeführer nicht seine organschaftliche Stellung, sondern die Verletzung seiner Immunität als eines subjektiven öffentlichen Rechts geltend, sei die Verfassungsbeschwerde statthaft (BVerfG-K NJW 2014, 3085, 3086; vgl auch Rn 462).