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1.1 GEDANKEN UND MENTALE PROGRAMME

Formel-1-Weltmeister Nico Rosbergs Leitspruch lautet: „Man kann sich aussuchen, was man denkt.“

Das ist erstens wichtiger und zweitens schwieriger, als die meisten Menschen ahnen. Allerdings wird es dir viel leichter fallen, wenn du die Tipps, Techniken und praktischen Empfehlungen in diesem Buch anwendest.

Völlig egal ob es sich um ein neues Jahr, eine neue Saison, eine neue Wettkampfwoche oder einen neuen Tag handelt, eines steht fest: Es sind maßgeblich unsere Gedanken, die die Qualität unserer Zeit und unseren Erfolg oder eben Misserfolg bestimmen.

„Wenn ich einen Satz auswählen sollte, um meine ganze Lehre zusammenzufassen, würde ich sagen: ‚Lass nichts Böses in deinen Gedanken sein!‘“ Das sagte einst Konfuzius.

Wir denken pro Tag Tausende von Gedanken. Im Internet kursieren unterschiedliche Zahlen. Im Schnitt wird von 60.000 bis 80.000 Gedanken pro Tag gesprochen.8

Wenn du magst, kannst du auch einen kleinen Selbsttest machen: Schließe deine Augen und zähle für eine Minute deine Gedanken.

Vielleicht denkst du zunächst: Jetzt denke ich erst einmal gar nichts (#1). Dann fliegt ein Flugzeug übers Haus und du denkst: Flugzeug (#2). Wann fliege ich in den Urlaub (#3)? Vor der Tür streiten sich zwei Leute. Du denkst: Seid ihr bald fertig (#4)? Vielleicht folgt dann noch eine Erinnerung an den Streit mit einem Arbeitskollegen (#5). So geht es schnell weiter, und der Gedankenzähler tickt und tickt.

Die Anzahl Deiner Gedanken während dieser Minute multiplizierst du mit 60 und 24. Das ist dann die Anzahl deiner Gedanken am Tag.

Es ist kein wissenschaftliches Experiment, aber darauf kommt es hier auch gar nicht an. Denn im Extremfall kann ein einziger Gedanke genügen, dich zum Sieg zu führen oder scheitern zu lassen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes „kriegsentscheidend“, sich seiner Gedanken bewusst zu sein und steuernd einzugreifen, wenn negative oder nicht förderliche Gedanken auftauchen. Viele Gedanken kommen und gehen ohne große Wirkung. Die spannende Frage lautet, warum einige Gedanken ein gewaltiges Wirkungspotenzial entfalten und wie sich das zielführend steuern lässt.

Eckardt Tolle: „Der Verstand ist ein hervorragendes Instrument, wenn er richtig gebraucht wird. Bei falschem Gebrauch kann er allerdings sehr destruktiv werden. Genauer gesagt ist es nicht so, dass du deinen Verstand falsch gebrauchst – du gebrauchst ihn normalerweise überhaupt nicht. Er gebraucht dich. Die meisten von uns leben wie auf Autopilot, ferngesteuert“

Viele Sportler sind überrascht, wie groß der Einfluss der Gedanken auf den sportlichen Erfolg ist.

Anja, Triathletin, beschreibt es so: „Dass das mentale Training sehr wichtig ist und auf den Erfolg im Wettkampf großen Einfluss hat, wusste ich bereits. Aber dass das Denken so einen erheblichen Einfluss hat, hat mich doch sehr überrascht. Beim Trainieren habe ich besonders beim Schwimmen nach einer verletzungsbedingten Pause deutlich gemerkt, wie negativ meine Gedanken die ganze Zeit waren. Folgendes kreiste durch meinen Kopf:

Ich habe in der Verletzungspause so viel Kondition verloren.

So ein Mist, ich bin gar nicht mehr fit, es läuft nicht.

Große Belastungen sind noch nicht wieder möglich.

Diese Gedanken haben mir deutlich gemacht, wie stark ich noch an mir arbeiten muss.“

Wenn eine Fliege in einem Raum gefangen ist und sie versucht, durch das geschlossene Fenster zu fliehen, dann läuft bei ihr ein automatisches Programm ab. Nur sind in diesem Programm keine durchsichtigen Glasfenster berücksichtigt. Sie erkennt das Hindernis nicht und fliegt unentwegt dagegen, bis sie müde zu Boden fällt. Wäre das Hindernis eine dunkle Wand, würde ihr das nicht passieren. Fliegen gehören eher zum unteren Ende auf der Intelligenz-Skala. Allerdings sind automatische Prozessabläufe nicht auf solche primitiven Kreaturen limitiert. Auch in uns Menschen läuft die überwiegende Anzahl der Prozesse automatisch ab und resultiert in unbewusstem Verhalten.10 Daraus können Muster entstehen, die sich zum Teil ein Leben lang wiederholen.

„Alles, was Du in Deinem Leben tust oder erhältst, war zuerst in Deinen Gedanken da. Erst stellen wir es uns vor, dann erhalten wir es.“ Sokrates.

Wir erschaffen Verhaltensmuster nach unserem Glaubenssystem und wiederholen diese endlos. Unbewusst schreiben wir passende mentale Programme, die genau die Situationen, Handlungen und Emotionen hervorrufen, die perfekt in unsere Vorstellung passen. „Programme, die einmal laufen, geben uns immer ein gewisses Gefühl von Heimat, und die geben wir ungern auf, auch wenn wir sie schon längst transformieren könnten.“11

Was genau sind nun mentale bzw. neuronale Programme?

Ich möchte es mal vereinfacht als personenspezifische Kettenreaktionen umschreiben. Ein individueller Trigger startet ein vorhandenes Programm, das ein immer gleiches Denk- und/oder Verhaltensmuster mit entsprechenden Gefühlen hervorruft. Dabei können verschiedene Trigger das gleiche Programm starten. Mentale Programme bestimmen, was und wie wir etwas in einer bestimmten Situation, z. B. im Wettkampf tun.

Im Kontext dieses Buches charakterisiere ich mentale Programme anhand der folgenden Merkmale:

• klarer Trigger/Auslöser

• spezifisches Verhalten

• signifikante emotionale Assoziation

• wiederkehrender Ablauf des Programms

Mentale Programme können bewusst oder unbewusst sein. Es sind jedoch primär die unbewussten Programme, die uns immer wieder daran hindern können, unsere Ziele zu erreichen und uns voll zu entfalten.

In der nachfolgenden Tabelle gebe ich einige, zugegebener Maßen plakative, Beispiele aus verschiedenen Lebensbereichen, die bei bestimmten Menschen so oder in ähnlicher Form ablaufen. Vielleicht kennst du Personen aus deinem Umfeld, auf die diese Programme zutreffen. Möglicherweise erinnern dich manche dieser Programme auch an Muster, die bei dir selbst ablaufen. Und natürlich wirken sich viele nützliche wie hinderliche Programme, die vermeintlich nichts mit Sport zu tun haben, direkt oder indirekt auf den sportlichen Erfolg aus.

Beispiele aus verschiedenen Lebensbereichen:

Trigger/AuslöserAutomatismus (mentales Programm)Verhalten/Reaktion
SonntagnachmittagWochenende geht zu EndeAn Montag denken, schlechte Gefühle produzieren
Sonntag, 20: 15hProgramm „Tatort“90 Min. Krimi schauen, (An-) Spannung, Täter-/ Opferassoziation
werktags morgens aufstehenMorgenmuffelTrägheit, schlechte Laune
werktags morgens aufstehenNachrichtenZeitung lesen, Nachrichten sehen, unterbewusste Konditionierung
Reinschneider12ÄrgerÄrgern, Stress aufbauen
Reinschneider„Auge um Auge“Drängeln, Hupen etc.
UrlaubKrankheitsmanifestationAngst vor Krankheit, Botschaft an das Unterbewusstsein: „… Jetzt habe ich Zeit zum Kranksein …“

Tabelle 1: Beispiele für allgemeine mentale Programme

Hier einige Beispiele aus dem Sport:

Trigger/AuslöserAutomatismus (mentales Programm)Verhalten/Reaktion
• Wettkampf• schwierige Skipiste• PrüfungsterminWorst-Case-SzenarioAngst, Furcht, Zweifel; (unbewusste) (Eigen-)Sabotage des Primärziels
Angstgegner im WettkampfGegen den verliere ich immerAngst vor dem Versagen, Zweifel; (unbewusste) (Eigen-)Sabotage
Kampf ums PodiumLass anderen den VortrittEinstellung: Wenn ich gewinne, verliert ein anderer und ist enttäuscht; mangelnder Kampfgeist und in der Folge (Eigen-)Sabotage
TrainingslagerHoffentlich verletze ich mich nichtAngst, Furcht, sich zu verletzen; Steigerung der Verletzungswahrscheinlichkeit, Eigensabotage (sich selbst erfüllende Prophezeiung)
Wenn der Ausgang des Wettkampfs auf Messers Schneide stehtWenn es knapp wird, ziehe ich den KürzerenAngst vor dem Versagen, Zweifel; (unbewusste) (Eigen-)Sabotage
vor dem WettkampfIm Wettkampf wachse ich über mich hinausStärkung des Selbstvertrauens, gesteigerte Leistungsbereitschaft
vor dem WettkampfIch bin topfit und freue mich auf das RennenStärkung des Selbstvertrauens, gesteigerte Leistungsbereitschaft
Zweikampf im WettkampfIm Zweikampf bin ich unschlagbarStärkung des Selbstvertrauens, gesteigerte Leistungsbereitschaft
unvorhergesehenes Ereignis im WettkampfMich kann nichts aus der Ruhe bringenSportler ist Herr seiner Sinne und kann souverän reagieren

Tabelle 2: Sportspezifische Beispiele mentaler Programme

Ganz egal welche Programme bei dir ablaufen, es sind vermutlich sehr viele. Wie viele davon für deinen (sportlichen) Erfolg nützlich sind und wie viele deinem Erfolg entgegenstehen, hängt zu einem großen Teil davon ab, welche Erfahrungen du früh in deinem Leben gemacht hast. Falls du jetzt das Gefühl hast, dass es bei dir mehr hinderliche mentale Programme sind, die deinen (sportlichen) Erfolg bremsen, möchte ich dir sagen: Die gute Nachricht lautet, diese Programme lassen sich löschen, ändern und durch bessere ersetzen.

Wichtiger Hinweis: Auch ein solches Gefühl, mehr hinderliche mentale Programme zu haben oder einen schweren Rucksack mit negativen Erfahrungen zu tragen, kann ein Programm, ein Muster sein. Dieses gilt es, sofort zu löschen und umzuprogrammieren!

Bei dieser mentalen (Um-)Programmierung kommt es auf die richtige Reihenfolge an. Das heißt: Zuerst müssen das negative Gefühl (z. B. verbunden mit dem Gedanken, mehr hinderliche mentale Programme zu haben oder einen schweren Rucksack mit negativen Erfahrungen zu tragen) und alle damit verbundenen Bedenken eliminiert werden.

Dazu hilft es bereits, sich zumindest geistig von diesen Programmen und negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit zu verabschieden. Betrachte sie als abgeschlossen. Sonst kommen die Bedenken zurück. Wenn man am Computer ein falsches Passwort eingibt, hilft es ja auch nichts, das richtige 10-mal dahinterzuschreiben. Genau das machen aber viele in ihrem mentalen Training. Du musst das eine Wort löschen, dann brauchst du das neue nur einmal einzugeben.

Deshalb empfehle ich dir, im zweiten Schritt ein neues Gefühl für das Geschehen zu entwickeln. In dem Beispiel könnte das durch folgende Formulierung unterstützt werden: „Alle hinderlichen mentalen Programme und negativen Erfahrungen aus meiner Vergangenheit sind abgeschlossen. Sie haben ihren Zweck erfüllt und dienen mir fortan als Lernerfahrung, um meine (sportlichen) Ziele besser zu erreichen.“

Ursula Haller13: „So war der Skispringer Thomas Morgenstern nach seinem schweren Sturz ruckzuck wieder auf der Piste. Das konnte er nur, weil er mental gearbeitet hat. Eines sollte man sich bewusst machen: Unser Gehirn ist ein ‚Hochleistungscomputer‘. Da oben haben wir zwei Teile (Gehirnhälften), und das Empfinden haben wir im Bauch. Diese drei Teile arbeiten zusammen, und wir müssen uns immer ins ‚Bauch-Gehirn‘ einloggen, um von dort aus zu lernen und Erfahrung zu sammeln.“

Weil es hilfreich ist zu begreifen, wie diese Programme entstehen, schauen wir uns das jetzt genauer an.

Mentale Programme können auf vielfältige Weise entstehen oder auch gezielt programmiert werden. Der weitaus größte Teil der Programme wird unbewusst erlernt, und zwar vor allem im Zeitraum vor der Geburt bis zum Alter von ca. sechs Jahren. Im Folgenden gehe ich beispielhaft auf einige Quellen für die Entstehung neuronaler Programme ein.

ELTERN

Kinder sind das Abbild ihrer Eltern oder das genaue Gegenteil – zumindest im übertragenen Sinne. Nicht nur Gene werden durch klassische Vererbung weitergegeben, sondern auch mentale Programme oder Muster, Einstellungen, Emotionen und Erfahrungen der Eltern werden auf die Kinder übertragen.

Exkurs:

An dieser Stelle möchte ich auf etwas Wichtiges hinweisen: Der Mensch im Allgemeinen und der Sportler im Besonderen ist immer das Produkt der Wechselwirkung zwischen Genetik und Umwelt (in der Literatur oft auch als „nature versus nurture“ bezeichnet). Salopp ausgedrückt heißt das, ein Teil ist angeboren und ein Teil (nach meiner Erfahrung eher der größere) hängt davon ab, wie, wie oft und in welchem Umfeld ein Sportler trainiert und lebt.

Aber was ist eigentlich Talent oder Begabung? Im Duden heißt es dazu: „Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt“.14

Talent ist nicht zu beobachten oder zu messen. Prof. Markus Hengstschläger sagt in seinem Buch „Die Durchschnittsfalle“ dazu: „Was Sie hören (Anm. z. B. bei einem Musiker) oder sehen (Anm. z. B. bei einem Fußballer) ist aber nicht notwendigerweise das Talent im Sinne der Leistungsvoraussetzungen, sondern ist das Produkt, der erzielte Erfolg, ist vielleicht die Umsetzung bestimmter Leistungsvoraussetzungen. Diese Leistungsvoraussetzungen müssen durch harte Arbeit entdeckt und in eine besondere Leistung (= Erfolg) umgesetzt werden.“

Zurück zu den mentalen Programmen, Mustern, Einstellungen, Emotionen und Erfahrungen, die von den Eltern auf ihre Kinder übertragen werden. Das ist ein weitgehend unbewusster Lernprozess für beide Seiten und er beginnt bereits im Mutterleib.

Im Falle der Reinschneider aus dem obigen Abschnitt werden im deutschen Kulturraum zwei Programme mit Bedienungsanleitung an die Kinder weitergegeben, das Programm „Ärger“ und das Programm „Auge um Auge“. Meist wissen jedoch weder Eltern noch Kinder von der Existenz dieser Programme. Der Lernprozess findet statt, indem das Kind das Geschehen auf dem Rücksitz wahrnimmt. Es spürt die Emotion des Vaters oder der Mutter am Steuer in der Reinschneidersituation. Es beobachtet die Reaktion mit allen Sinnen. Durch Wiederholung wird über die Zeit ein komplettes Muster erlernt: Wenn du einem Reinschneider begegnest, musst du dich ärgern. Anschließend musst du ihm demonstrieren, dass er einen Fehler gemacht hat und ihm zeigen, wie sich das anfühlt. Dazu wird das Fehlverhalten ihm gegenüber in gleicher oder abgewandelter Form angewendet.15

Beim Worst-Case-Szenario-Programm (siehe Tabelle 2 oben) könnte es einem kleinen Schuljungen folgendermaßen ergangen sein. An einem schönen Samstagnachmittag ist er mit seiner Mutter in der Stadt beim Einkaufen. Sie ist ziemlich gestresst, weil sie während der Woche Überstunden machen musste und noch viele Besorgungen erledigen muss, bevor die Schwiegermutter zu Besuch kommt (okay, das ist ein Klischee – und dient nur der Veranschaulichung).

Weil es mitten im Hochsommer ist, quengelt der Junge schon seit geraumer Zeit, endlich ein Eis zu bekommen. Nach einer Weile fühlt sich die Mutter genötigt, ihrem Sohn nachzugeben. Der kleine Junge freut sich riesig, als er das Eis bekommt. Die Mutter ist nun allerdings noch genervter, weil es eine lange Schlange gibt und der Junge nach dem Kauf mit dem Eis in der Hand noch langsamer geht.

Also zieht oder besser gesagt zerrt sie ihn an der Hand, um schneller voranzukommen. In diesem Moment stolpert der Junge, und das Eis fällt auf den Boden. Die Mutter schreit den Jungen an: „Kannst du nicht mal aufpassen? Das kann doch nicht so schwer sein!“ Der Junge fängt an zu heulen und unterbewusst speichert er ab: „Ich kann nichts richtig.“ Und: „Hoffentlich passiert mir so etwas nicht noch einmal.“

Am nächsten Montag schreibt er eine Klassenarbeit und denkt an den Vorfall vom Wochenende. Er wird nervös und hat ein Blackout während der Arbeit. Als er die Fünf nach Hause bringt, bekommt er zur Strafe Stubenarrest. Fortan malt er sich den Worst Case aus, jedes Mal, wenn eine Klassenarbeit, Prüfung oder ein Wettkampf ansteht.

„Ein vermeintlich kleines Ereignis kann manchmal zu Konsequenzen führen, die sich in der Summe zu einem Emotionsund Verhaltensmuster oder einem mentalen Programm entwicklen können“

Das Beispiel ist fiktiv, aber nicht unrealistisch. Ich wollte damit nur aufzeigen, wie ein vermeintlich kleines Ereignis manchmal zu Konsequenzen führt, die in der Summe zu einem Emotions- und Verhaltensmuster oder eben einem mentalen Programm führen können.

Manchmal sind es auch einfach limitierende Glaubenssätze, die man als Kind häufig von seinen Eltern gehört hat.

Beispiel Daran, Kampfsportler: „Beim Reflektieren wurde mir bewusst, wie oft ich Sätze wie ‚Du kannst das nicht!‘ oder ‚Willst du dir das zumuten?‘ gehört habe und wie sie mich tatsächlich negativ beeinflusst haben.“

BILDUNGSSYSTEM

Vom Kindergarten bis zum Abschluss der Ausbildung oder Uni verbringt ein Deutscher zum Teil über 20 Jahre im Bildungssystem. Das ist viel Zeit, in der Wissen vermittelt wird, aber eben nicht nur Wissen. Die meisten kennen den Spruch: Dein Umfeld, also mit wem du dich umgibst, prägt dich. Gerade in den ersten Jahren, im Kindergarten und in der Schule haben Kinder jedoch nur sehr begrenzt Einfluss auf ihr Umfeld. In der Regel wählen die Eltern Kindergarten und Schule aus. Was und wie vermittelt wird, entscheiden andere. Neben dem schulischen Wissen und entsprechenden Fähigkeiten werden zum Teil bewusst und zum Teil unbewusst auch andere Inhalte und Lebensregeln erlernt – durch Lehrer und andere Schüler. Dazu zählen:

Macht: Wer Macht hat (Lehrer – wenige), gibt den Ton an und bestimmt. Wer sie nicht hat (Schüler – viele bzw. die breite Masse), muss sich unterordnen. Das ist nicht per se schlecht für die Teamfähigkeit in einer Mannschaft. Allerdings gibt es einen feinen Unterschied zwischen bedingungsloser, unreflektierter Unterordnung und der Übernahme von Verantwortung im Team.

Gehorsam: Wer gehorcht, wird belohnt. Wer nicht gehorcht, wird bestraft. Bei manchen Sportlern führt das später dazu, die Verantwortung für den Trainingsplan und möglicherweise sogar für den sportlichen Erfolg komplett an den Trainer abzugeben.

Angst: Wenn du keine guten Noten bekommst, dann wird nichts aus dir. Auf den Sport übertragen bedeutet das für manche Athleten: „ Wenn ich die Qualifikation nicht sofort schaffe oder ein Sportziel nicht wie geplant erreiche, bin ich ein Versager.“ Das baut Druck auf und bedeutet zusätzlichen Stress vor dem Wettkampf.

„Gerade in den ersten Jahren, im Kindergarten und in der Schule haben Kinder nur sehr begrenzt Einfluss auf ihr Umfeld“

Wettbewerb: Im Leben herrscht permanenter Wettbewerb und Konkurrenzkampf – um Noten, einen Platz in der Mannschaft, Ausbildungs- oder Studienplätze, Aussehen, Zugehörigkeit zu einer Gruppe etc. Vielleicht scheiden sich hier die Geister. Ein gesundes Konkurrenzdenken und ein gesunder Konkurrenzkampf-Geist können starke Motivatoren sein. Allerdings wird es problematisch, wenn darunter das Fairplay leidet oder der Sportler verkrampft.

Minderwertigkeit: Durch permanentes Vergleichen ist es leicht, etwas zu finden, dass andere besser können oder wo andere erfolgreicher sind. Hier kommt es darauf an, inwieweit der Sportler sich durch das Vergleichen motivieren kann oder es ihn herunterzieht.

Das trifft natürlich nicht auf alle Bildungseinrichtungen zu und ist auch nicht auf alle Schüler anwendbar. Es können daraus jedoch neuronale Programme und prägende Lebensmuster entstehen.

MEDIEN

Medien (Internet, Social Media, Computerspiele, Fernsehen, Radio, Printmedien etc.) sind allgegenwärtig und werden rund um die Uhr an nahezu jedem beliebigen Ort konsumiert. Die vermeintliche Vielfalt der Medien kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass die wesentlichen Inhalte von wenigen globalen Medienkonzernen geliefert werden.

Wer hat nicht schon einmal den Eindruck gehabt, dass in den Nachrichten, egal auf welchem Sender oder in welcher Zeitung, immer wieder die gleichen Themen vorkommen, u. a. Finanzkrisen, Skandale, Krieg, Terror, Katastrophen. In allen Medien lassen sich bestimmte Muster erkennen.

Je mehr ein Mensch von diesen Medien konsumiert, desto mehr können sich diese Muster in seinen eigenen neuronalen Strukturen einbrennen. Da ein Großteil der Informationen unbewusst verarbeitet wird, können eben auch völlig unbewusst neuronale Programme entstehen. Meine Devise lautet hier: Achte darauf, welche Medien und welche Inhalte du konsumierst.

Informationen, die wir aufnehmen, haben eine viel größere Bedeutung, als die meisten Menschen denken, denn sie beeinflussen unseren mentalen Zustand und die Leistungsfähigkeit im Training und Wettkampf.

Als Autofahrer achten wir genau darauf, dass wir den richtigen Treibstoff tanken, denn wir wissen: Wenn wir Benzin anstatt Diesel oder umgekehrt tanken, wird unser Auto nicht richtig funktionieren und stehen bleiben.

Bei der Ernährung achten auch immer mehr Sportler genauer darauf, was sie essen und trinken. Nur bei den Informationen, die wir passiv oder aktiv aufnehmen, sind die meisten Menschen unachtsam. Ich empfehle, das zu ändern.16

Und noch etwas zum Schmunzeln: Es gab einmal eine TV-Werbung, die gleich eine ganze Reihe von Programmen bediente, u.a. übertriebene Macht, Wettbewerb, Minderwertigkeit. In der Werbung wird sehr anschaulich dargestellt, wie sich nach langer Zeit zwei alte Freunde wiedertreffen. Es dauert nicht lange, bis einer der beiden damit beginnt zu berichten, was er bereits alles in seinem Leben erreicht hat, und belegt dies mit schönen Fotos: „Mein Haus (große Villa), mein Auto (Porsche), mein Pferd (Araber).“ Der andere kontert sofort und holt die passenden Fotos zu seinem Besitz heraus: „Mein Haus (Schloss), mein Auto (Ferrari), mein Pferd (eine ganze Herde) und mein Boot (eine Luxusyacht).“

Und die Moral aus der Werbung: Durch permanentes Vergleichen ist es leicht, etwas zu finden, dass andere besser können oder wo andere erfolgreicher sind. Meine Empfehlung: Vergleiche dich nicht mit anderen, schaue stattdessen auf deine persönliche Entwicklung.

8 Vgl. Discover Magazine (2012); Laboratory of Neuro Imaging (2017).

9 Vgl. Tolle (2000).

10 Vgl. Mlodinow (2012).

11 Goder (2011).

12 Ein Reinschneider ist ein Autofahrer, der auf der Autobahn plötzlich knapp vor einem auf die eigene Spur wechselt, was dazu führt, dass man selbst ausgebremst wird.

13 Ursula Haller ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und mit zahlreichen anderen psychologischen Methoden.

14 Duden (2019): Talent.

15 Vgl. Birkenbihl (2008).

16 Vgl. Jaerschke (2016): Mentaler Wächter.

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