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2.11 Therapie

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In der Behandlung von Phobien bei Kindern gibt es nach Miller, Barrett und Hampe (1974) sowie Silverman und Rabian (1994) neben dem Aufbau einer helfenden bzw. unterstützenden Beziehung zwei unterschiedliche Vorgehensweisen. Einmal steht nach einer Klärung der Auslösesituation für die Ängste und der Aufstellung einer Hierarchie von Angst auslösenden Merkmalen die stufenweise Konfrontation mit den gefürchteten Situationen oder Gegenständen im Vordergrund. Manche Kinder und Jugendliche haben jedoch große Scheu vor einer Konfrontation. Dann muss dieses Bemühen um eine allmähliche Desensibilisierung begleitet werden von Versuchen, die Angst der Kinder direkter zu reduzieren bzw. kompetentes Verhalten und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit der Situation fertig zu werden, zu stärken. Als solche Maßnahmen bieten sich folgende Vorgehensweisen an:

– Erfahrung mit Modellen, die ohne Angst mit den gefürchteten Situationen umgehen: Dies kann direkt oder über Videodemonstrationen erfolgen.

– Erlernen von Entspannungstechniken sowie im Anschluss daran das klassische Vorgehen der systematischen Desensibilisierung in der Vorstellung.

Belohnung von Annäherung und kompetentem Umgehen mit der gefürchteten Situation: Diese Belohnung soll durch relevante Bezugspersonen erfolgen. Dazu wird oft eine formelle Vereinbarung mit dem Kind getroffen.

Selbstkontrolle negativer Gedanken: Diese Gedanken können sowohl die Gefährlichkeit der gefürchteten Situation als auch die eigene Unfähigkeit, die Situation zu bewältigen, betreffen. Die Kinder sollen lernen, solche negativen Gedanken zu vermeiden und sie durch positives Denken zu ersetzen.

Bei komplexeren Phobien ist die Kombination verschiedener Vorgehensweisen nötig. Die Familie als Ganzes muss andere Bewältigungsformen entwickeln. Dabei ist es wichtig, die Ambivalenz bezüglich der Ablösung und Verselbstständigung der Kinder und des Bedürfnisses nach Nähe zu lösen. In der Behandlung ist auch zu berücksichtigen, dass die Kinder oft lernen, ihren Ängsten durch Vermeidung zu entkommen oder andere zu manipulieren.

Die bisher am besten untersuchte und wirksamste Therapieform bei Angststörungen von Kindern ist die kognitive Verhaltenstherapie. Metaanalysen sprechen davon, dass 60 % der Kinder nach der Therapie als störungsfrei berichtet wurden. Kritisch anzumerken ist bei diesen Analysen, dass die häufige Komorbidität von Angststörungen dazu führen kann, dass die Kinder und Jugendlichen nach der Therapie zwar von der einen Angststörung geheilt wurden, jedoch trotzdem noch unter anderen klinischen Symptomen litten. Um dies auszuschließen, konzentrierte sich die Metaanalyse von Warwick et al. (2017) auf die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen nach der Therapie frei von klinischen Symptomen waren und gar keine psychische Störung mehr hatten. Sie konnten nachweisen, dass zwischen 48 % und 66 % der Kinder nach der Therapie keine Symptome einer psychischen Störung mehr aufwiesen.

Allerdings waren bei diesen Studien Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen nicht eingeschlossen. Bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen sind die Effekte deutlich geringer. Von Kindern mit ASS waren zwischen 12,2 und 36,7 % nach der Therapie ohne klinische Symptome. Die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie hängt bei diesen Kindern natürlich sehr stark von ihren kognitiven Fähigkeiten ab und damit von der Frage, wieweit sie die Konzepte verstehen und aktiv mitarbeiten können (Warwick et al., 2017).

Neuere Initiativen liegen zur Entwicklung von Computerspielen für die selbstständige Bearbeitung seitens der Kinder oder für die Begleitung der Psychotherapie vor. Ein Computerspiel kann Kinder schrittweise mit angstauslösenden Situationen konfrontieren und in spielerischer Weise das Verständnis für die eigenen Angstreaktionen sowie der kognitiven Konzepte der Verhaltenstherapie erleichtern und Spaß machen. Erste positive Erfahrungsberichte von Kindern und Therapeuten liegen vor. Es gibt aber noch keine kontrollierten Evaluationsstudien (Brezinka, 2016).

Ob die Therapie mit einer Gruppe von Kindern oder einzeln durchgeführt wird, hat auf die Effekte wenig Auswirkungen. Während einer Einzeltherapie kann sich der/die TherapeutIn individuell auf das Kind einstellen und die Therapie speziell an seine Bedürfnisse anpassen. In einer Gruppe hingegen erfahren die Kinder, dass sie nicht allein sind mit ihren Schwierigkeiten, und es wird gegenseitige Solidarität möglich. Insbesondere ist eine Gruppe dann hilfreich, wenn es um den Erwerb sozialer Kompetenzen bei Kindern mit sozialen Phobien geht (In-Albon, 2011).

Eine besonders kosteneffektive Methode der kognitiven Verhaltenstherapie stellt das „One-session treatment“, die Behandlung in nur einer Sitzung, dar. Dabei werden innerhalb einer ein- bis dreistündigen Sitzung die besonders effektiven Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie wie In-vivo-Exposition, teilnehmendes Modelling, Verstärkung, Psychoedukation, kognitive Herausforderungen und Fertigkeitentraining kombiniert. Erstaunlicherweise sind diese Kurzzeittherapien bei den spezifischen Phobien annähernd so wirksam wie längere Therapien. Allerdings benötigt die Durchführung einen gut geschulten und sorgfältig arbeitenden Therapeuten. Auch die Kinder empfanden die Therapie als hilfreich und sie erfüllte ihre Erwartungen. Diese Möglichkeit sollte daher gerade bei den spezifischen Phobien in Betracht gezogen werden (Ill, Ollendick, & Öst, 2009).

Für die Behandlung von Angststörungen bei Kindern werden auch Psychopharmaka (Benzodiazepine) eingesetzt. Ihr Einsatz wird jedoch kritisch gesehen. Sie bringen zwar kurzfristig Erleichterung, verändern aber weder die kognitiven Denkmuster noch die sozialen Verhaltensweisen. Hinzu kommt die Gefahr von Abhängigkeit. Ihr Einsatz wird daher lediglich begleitend und nur dann empfohlen, wenn sich die Psychotherapie nicht als wirksam erwiesen hat (Schneider, 2014).

Zusammenfassung

Nachdem Angst und Furcht in der Entwicklung von Kindern häufig vorkommen, erscheint die Frage wichtig, was dazu führt, dass sich aus diesen entwicklungsbedingten passageren Ereignissen eine klinisch relevante Störung entwickelt. Hier spielt zum einen die Prädisposition der Kinder, zum anderen eine Verzerrung der kognitiven Informationsverarbeitung und schließlich die Erziehung und das Interaktionsverhalten der Eltern eine wichtige Rolle. Neuere Untersuchungen berichten, dass zumindest in einem Teil der Fälle die Störung bis ins Erwachsenenalter andauert. Spontane Rückbildung ist nicht zu erwarten, daher ist eine therapeutische Intervention nötig. Am wirksamsten waren bisher Maßnahmen der Verhaltenstherapie. Diese bestehen in einem Entspannungstraining, einer Desensibilisierung oder einem direkten Expositionstraining. Hinzu kommt der Aufbau sozialer Kompetenzen, wenn es für die Kinder nötig erscheint.

Die Angststörungen bei Kindern werden in Trennungsangst, generalisierte Angststörung, Panikstörung, Sozialphobie und spezifische Phobien unterteilt.

Die Trennungsangst ist die am frühesten auftretende Angststörung im Kindesalter und durch große Besorgnis sowie Angst bei der Trennung von vertrauten Bezugspersonen gekennzeichnet. Dies hat damit zu tun, dass die Kinder Angst haben, sie könnten ihre Bezugspersonen dauerhaft verlieren, weil diesen etwas zustoßen könnte.

Im Gegensatz dazu ist die generalisierte Angststörung durch überdauernde Besorgnis in Bezug auf Gegenwart und Zukunft gekennzeichnet. Zudem klagen die Kinder häufig über körperliche Beschwerden.

Lange Zeit war umstritten, ob akute Panikattacken bei Kindern auftreten können, da dies kognitive Fähigkeiten verlangt, die die Kinder erst spät erwerben. Zumindest mit dem Eintritt in die Pubertät scheinen spontane Angstanfälle jedoch vorzukommen. Ursächlich wird die Sensitivität gegenüber körperlichen und psychischen Stressreaktionen für diese Störung verantwortlich gemacht.

Genauso intensive Angstanfälle erleben manche Kinder in sozialen Situationen. Die Sozialphobie wird im Kindesalter meist durch das Sprechen vor einer größeren Gruppe ausgelöst. Andere soziale Situationen wie Essen vor anderen, eine Party besuchen etc. können jedoch ebenfalls phobische Reaktionen auslösen. Meist versuchen die Kinder dann, die Situationen zu vermeiden. Dies erhöht jedoch die Gefahr einer Generalisierung der Angst.

Spezifische Phobien bei Kindern beginnen meist im 5. Lebensjahr. Die Kinder zeigen intensive Angstreaktionen bei bestimmten Gegenständen oder Lebewesen. Diese Phobien können durch Modelllernen und Entspannungstechniken relativ gut behandelt werden.

Im DSM-IV wurden PTSB und Zwangsstörungen unter den Angststörungen klassifiziert, im DSM-5 ist dies nicht mehr der Fall. Daher werden diese Störungsbilder nachfolgend in gesonderten Kapiteln beschrieben.

Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter

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