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3.8 Behandlung und Prognose

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In verschiedenen kontrollierten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die kognitive Verhaltenstherapie sowie die Pharmakotherapie als wirksame Therapien bei Zwangsstörungen angesehen werden können (Torp et al., 2015; Franklin et al., 2015; Wewetzer & Wewetzer, 2014).

Das Behandlungsverfahren der Wahl bei Zwangsstörungen ist eine kognitive Verhaltenstherapie. Bestandteile einer kognitiven Verhaltenstherapie sind eine tägliche Exposition gegenüber den unangenehmen Reizen bzw. der gefürchteten Situation, eine Reaktionsprävention, bei der keine Rituale oder Reaktionen (etwa Waschen von Händen bei einem Waschzwang) über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden dürfen (für wenigstens eine Stunde bzw. bis die Anspannung nachlässt). Ein weiterer Bestandteil ist das Training von Entspannungstechniken, um ein Unbehagen bei der Exposition zu reduzieren. In Anbetracht der Bedeutung von kognitiven Verzerrungen für das Entstehen von Zwangsgedanken ist die Erweiterung dieser klassischen verhaltenstherapeutischen Ansätze durch eine kognitive Therapie, die auf eine Klärung von widersprüchlichen Gedanken und Gefühlen in Bezug auf die im Vordergrund stehenden Befürchtungen sowie die Korrektur der Verzerrungen durch Testung der Annahmen in der Realität zielt (Henin & Kendall, 1997), Erfolg versprechend. Daneben dürfte auch eine Verbesserung der sozialen Interaktionen mit anderen Kindern bzw. Jugendlichen ein wichtiger Bestandteil der Behandlung sein. In einer Metaanalyse – zur Prüfung der Effekte von Verhaltenstherapie und kognitiver Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen mit Zwangsstörungen – konnten acht randomisierte kontrollierte Evaluationsstudien mit 343 TeilnehmerInnen einbezogen werden. Die Autoren bestätigten, dass diese Therapie ebenso effektiv war wie eine medikamentöse Therapie alleine und dass zudem bessere Ergebnisse erzielt werden konnten, wenn CBT zusätzlich zur Psychopharmakotherapie erfolgte, als wenn nur Psychopharmaka alleine verabreicht wurden (O'Kearney, Anstey, von Sanden, & Hunt, 2006). Bei Erwachsenen konnten für psychologische Interventionen sogar noch wesentlich deutlichere Effekte gezeigt werden. Im Vergleich zwischen psychologischen Interventionen und keiner Behandlung, Warteliste oder der üblichen Behandlung mit Psychopharmaka konnte gezeigt werden, dass die PatientInnen, die eine kognitive Verhaltenstherapie oder Verhaltenstherapie erhielten, nach der Behandlung eine deutlich stärkere Reduktion der klinischen Symptome erlebten als die PatientInnen der anderen Behandlungsformen. Allerdings waren keine Aussagen über die längerfristigen Effekte möglich (Gava, Barbui, Aguglia et al., 2007).

Die Effektivität einer Behandlung hängt von verschiedenen Prädiktoren ab. So zeigte die Pediatric OCD Treatment Study (POTS), dass Kinder mit einer schweren Form der Zwangsstörung, starker funktioneller Beeinträchtigung, geringer Einsicht in die Unsinnigkeit der Symptome und einer größeren Familieneinbindung in die Zwänge eine schlechtere Prognose aufwiesen (Garcia et al., 2010). Die Einsicht in die Unsinnigkeit der Symptome scheint von großer Bedeutung zu sein, da Kinder und Jugendliche mit geringer oder fehlender Einsicht einerseits von sich aus keine Hilfe suchen und andererseits auch nachgewiesen wurde, dass bei diesen Kindern die kognitive Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie nur eine geringe Wirkung gezeigt hatten. Zudem kann sich auch die Dauer der Therapie verlängern (Bloch & Storch, 2015). Nach der Nordic Long-term OCD Treatment Study (NordLOTS) scheint vor allem das Alter ein wichtiger Prädiktor zu sein. Den AutorInnen zufolge sprechen präpubertäre Kinder besser auf die Behandlung an als ältere Kinder (Torp et al., 2015).

Eltern benötigen eine intensive Beratung, um nicht zu sehr als Gehilfen in die Zwänge ihrer Kinder eingebunden zu werden. Hier haben sich Selbsthilfegruppen bewährt, weiters gibt es für die Eltern auch Bücher und Internetadressen zur Selbsthilfe (siehe etwa Rapoport & Swedo, 2002). Spezielle Unterstützungen und Erleichterungen für Betroffene (z. B. mehr Zeit bei Schularbeiten) können auch von den Schulen angeboten werden.

Medikamentöse Behandlung

Bei der Behandlung von Zwangsstörungen bei Kindern mit Psychopharmaka ist eine ganze Reihe an kritischen Aspekten zu bedenken: Zum einen sind die meisten Medikamente lediglich für Erwachsene entwickelt, geprüft und zugelassen worden. Kinder sind jedoch nicht kleine Erwachsene, sie verfügen über eine vollkommen andersartige Physiologie. Von der Wirkungsweise eines Medikamentes bei Erwachsenen kann daher nicht auf die Wirkung bei Kindern geschlossen werden. Dennoch geschieht dies häufig, weil Vergleichsstudien bei Kindern fehlen. Allerdings ist hier besondere Vorsicht geboten.

Deshalb werden in den aktuellen Guidelines des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) sehr klare Richtlinien für die Anwendung einer Psychopharmakotherapie bei Zwangsstörungen vorgegeben, die auf aktuellen Metaanalysen beruhen (NICE, 2005). Grundsätzlich sollte eine Behandlung mit Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen nur in Erwägung gezogen werden, wenn kognitive Verhaltenstherapie nicht geholfen hat. Und selbst dann sollte parallel zu einer Therapie mit Psychopharmaka eine kognitive Verhaltenstherapie durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn einem Kind oder Jugendlichen eine Therapie mit SSRI verordnet wird, da SSRI bei Kindern und Jugendlichen eine Reihe an unerwünschten Nebenwirkungen hervorrufen können. Insbesondere besteht bei manchen Kindern und Jugendlichen die Gefahr eines erhöhten Suizidrisikos. Daher müssen die Kinder und ihre Eltern über mögliche Nebenwirkungen gut in Kenntnis gesetzt und diese Nebenwirkungen inklusive der erhöhten Gefahr für suizidale Gedanken oder Taten während der Therapie genau beobachtet werden (NICE, 2005).

Eine Behandlung mit antidepressiven Medikamenten, die spezifisch die Wiederaufnahme von Serotonin hemmen (v. a. Citalopram, aber auch Fluoxetin, Fluvoxamin, Sertralin, Paroxetin), kann bei Kindern wie bei Erwachsenen zu einer Abnahme der Zwangssymptome führen. Die Wirkung dieser Medikamente setzt allerdings erst nach einigen Wochen ein, was wahrscheinlich bedeutet, dass sie Folge einer längerfristigen Adaptation auf die geringere Verfügbarkeit von Serotonin ist. Die Wirkung ist nicht auf eine Verbesserung der Stimmungslage und eine allgemeinere Reduktion der Ängstlichkeit zurückzuführen, da sich in kontrollierten Untersuchungen gezeigt hat, dass sich die Zwangssymptome auch dann verringern, wenn keine Besserung in anderen Bereichen eintritt. Für eine Verringerung der Zwangssymptomatik ist die langfristige Einnahme der Medikamente notwendig, nach dem Absetzen kommt es zu einer neuerlichen Verstärkung der Symptome.

In den letzten Jahren sind auch Untersuchungen mit anderen Medikamenten mit dem gleichen Wirkungsmechanismus – Fluoxetin und Fluvoxamin – durchgeführt worden, die gleichfalls eine Verbesserung der Zwangssymptome bewirken, aber nach den bisherigen Berichten weniger Nebenwirkungen haben. Allerdings spricht nur die Hälfte der Kinder und Jugendlichen oder weniger auf die Behandlung mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern („Selective Serotonin Reuptake Inhibitors“, SSRIs) an. Zudem muss mit einer mehrjährigen Dauerbehandlung gerechnet werden. Eventuell kann ein Rückfall beim Absetzen der Medikamente durch eine kognitive Verhaltenstherapie verhindert werden (Rapoport & Swedo, 2002). Ein Review der Cochrane-Gruppe zur Wirkung der neueren Generation der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer versus Placebo bei Erwachsenen, das 17 Studien mit über 3.097 TeilnehmerInnen einschloss, konnte zeigen, dass die SSRI-Behandlung bei Erwachsenen zumindest doppelt so häufig einen deutlichen Rückgang in klinischen Symptomen bewirken konnte. Die unterschiedlichen SSRI-Medikamente glichen sich in ihren Effekten, allerdings waren die Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schlaflosigkeit unterschiedlich häufig und stark (Soomro, Altman, Rajagopal et al., 2008).

Alle weiteren Psychopharmaka sind für die Behandlung von OCD bei Kindern nicht geeignet. Insbesondere besteht für Benzodiazepine kein Nachweis der Wirksamkeit bei OCD (Ipser, Stein, Hawkridge, & Hoppe, 2009). Sie sind hierfür wegen der Gefahr von Abhängigkeit und kritischer Nebenwirkungen ungeeignet.

Nach diesen Leitlinien sollten für Kinder und Jugendliche keine anderen Trizyklischen Antidepressiva verwendet werden als Clomipramin und auch keine anderen Antidepressiva (MAOI, SNRI) (NICE, 2005).

Neben der medikamentösen Therapie gibt es auch eine Reihe an experimentellen Therapieverfahren, über deren Nützlichkeit bei Kindern und Jugendlichen allerdings noch kein abschließendes Urteil möglich ist (etwa die transkranielle Magnetstimulation; Rapoport & Swedo, 2002).

Zusammenfassung

Zwangsstörungen zählen mit einer Prävalenz von 1–3,6 % zu den häufigeren Störungen im Kindes- und Jugendalter. Sie werden unterteilt in Zwangshandlungen und Zwangsgedanken. Sie verlaufen meist chronisch mit geringer Tendenz zur Heilung. Eine Komorbidität mit anderen Störungen, v. a. der Depression, ist häufig. Ursächlich ist in vielen Fällen auch eine genetische Belastung beteiligt.

Hilfe besteht im Bewusstmachen der kognitiven Aspekte der Zwangshandlungen oder -gedanken und der Situationsexposition mit gleichzeitiger Verhinderung der Zwangshandlungen. Entspannungsübungen unterstützen dieses Vorgehen. Verschiedene Metaanalysen konnten die Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen nachweisen. Eine gute Psychotherapie kann dieselben, wenn nicht stabilere und mit weniger Nebenwirkungen verbundene Erfolge erzielen wie eine Behandlung mit Psychopharmaka (O’Kearney et al., 2006).

Eine Behandlung mit Psychopharmaka ist nur dann angezeigt, wenn verhaltenstherapeutische Programme sich nicht als wirksam erwiesen haben. Besondere Vorsicht und eine engmaschige Beobachtung der Kinder und Jugendlichen ist zu Beginn einer Behandlung mit SSRI notwendig.

Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter

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