Читать книгу Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter - Christian Klicpera - Страница 58
4.7.1 Traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie (Tf-KVT)
ОглавлениеDie Traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie (Tf-KVT) nach Cohen, Mannarino und Deblinger (2009) ist eine multimodale Traumatherapie für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 3 und 17 Jahren und deren Bezugspersonen. Ursprünglich wurde dieses Therapiemodell für die Behandlung von traumatischen Ereignissen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern entwickelt. Heute dient die Therapie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die traumatische Ereignisse (gleich welcher Art) erlebt haben und infolgedessen unter einer PTBS leiden. Die Therapie ist für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund geeignet.
Die Therapie setzt sich aus acht Phasen, die unter dem Akronym PRAKTICE zusammengefasst wurden, zusammen (siehe unten). Diese Phasen werden in 90-minütigen wöchentlichen Sitzungen durchgeführt (Sachser, Rassenhofer, & Goldbeck, 2016). Die Anzahl der Sitzungen variiert zwischen 12 und 16 (Rodenburg et al., 2009).
P sychoedukation und Erziehungsfähigkeit
R elaxion (Entspannungstraining)
A ffektive Modulation
K ognitive Verarbeitung
T raumanarrativ
I nvivo-Bewältigung traumatischer Schlüsselreize
C onjoint (gemeinsame Eltern-Kind-Sitzungen)
E rleichtern (Sicherheitsplanung)
In der Psychoedukation werden dem Kind und den Bezugspersonen zu Beginn der Therapie die Symptomatik der PTBS, die Auswirkungen von traumatischen Erfahrungen und die üblichen Reaktionen von Kindern mit PTBS-Symptomatik nähergebracht. In dieser ersten Phase wird auch das Therapievorgehen erklärt.
Das Entspannungstraining zielt auf die Vermittlung von Strategien zum besseren Umgang mit Stress und Anspannung ab. Dem Kind werden leicht erlernbare und alltagstaugliche Methoden (z. B. Bauchatmung, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung – PMR) beigebracht.
Neben diesem Entspannungstraining ist auch die Affektregulation wichtig. Traumatische Ereignisse können bei vielen Kindern zu schmerzhaften Gefühlen führen. In der affektiven Modulation lernen die Kinder und ihre Bezugspersonen, wie sie diese Gefühle erkennen, benennen und mit ihnen umgehen können. Dabei soll auch der Einsatz von dysfunktionalem Vermeidungsverhalten reduziert werden.
In der darauffolgenden Phase steht die kognitive Umstrukturierung im Vordergrund, in der das Kind und die Bezugsperson geschult werden, die Zusammenhänge zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten zu erkennen. Der Schwerpunkt liegt in der Unterscheidung zwischen richtigen/falschen und hilfreichen/ nicht hilfreichen Gedanken.
Das Traumanarrativ bzw. der Traumabericht ist das zentrale Therapieelement der Tf-KVT, in dem über das traumatische Erlebnis berichtet wird. Dies kann entweder im Gespräch, in Form eines geschriebenen Narrativs oder in einer anderen Form, die dem Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen angemessen ist (z. B. Malen), passieren.
Die bisherigen Berichte zeigen, dass auch bei Kindern ein gemeinsames Durchsprechen der Erfahrungen bald nach dem traumatischen Ereignis dazu beiträgt, dass sie ihre eigenen Schwierigkeiten, mit dem Ereignis fertigzuwerden, als natürliche Reaktion ansehen. Weiters werden die quälenden Erinnerungen und Gedanken an das Trauma reduziert. Der Fokus des Durchsprechens liegt auf der Rekonstruktion des traumatischen Ereignisses.
Das Narrativ selbst beginnt mit einem Steckbrief, in dem das Kind etwas über sich berichtet (z. B. Wer bin ich? Wie alt bin ich? Hobbys etc.). Im nächsten Kapitel wird das traumatische Ereignis beschrieben – mit dem Ziel, die Erinnerungen, Gedanken und Gefühle einordnen zu können. Durch mehrfaches Vorlesen machen die Kinder die Erfahrung, dass die Gefühlsflut bei der Erinnerung an das Trauma stetig abnimmt und ausgehalten werden kann. So gewinnen die Kinder langfristig Kontrolle über die eigenen Erinnerungen und sind diesen nicht länger ausgeliefert. Im Schreibprozess wird das Kind auch nach der Beschreibung des „schlimmsten Moments“ gefragt. Mit dieser Beschreibung sollen kognitive Verzerrungen und Fehldeutungen des traumatischen Ereignisses aufgezeigt und korrigiert werden. Es werden aber auch positive Veränderungen bzw. Neubewertungen des Traumas festgehalten.
Das Schreiben dieser Erzählung kann somit als ein Prozess gesehen werden, der sich über mehrere Sitzungen hinweg entwickelt und in dem durch das wiederholte Schreiben, (Vor-)Lesen und Ergänzen des Textes die emotionale und kognitive Bewältigung des Traumas gefördert wird.
Mit dem Einverständnis des Kindes wird das Narrativ vom Therapeuten/von der Therapeutin fortlaufend mit den Bezugspersonen besprochen.
In der darauffolgenden Phase, der In-vivo-Bewältigung, kann das noch bestehende Vermeidungsverhalten (z. B. Vermeidung bestimmter Orte oder Tätigkeiten) abgebaut werden.
Danach folgen die Eltern-Kind-Sitzungen, in denen die Kinder die Möglichkeit bekommen, über das traumatische Erlebnis zu berichten, wozu auch das in der Einzelsitzung erarbeitete Narrativ genutzt werden kann. Diese Sitzungen sind nicht nur für das Kind, sondern auch für die Bezugspersonen wichtig, da diese anhand der Informationen eine Verknüpfung zwischen der Traumatisierung und den Problemen des Kindes herstellen können sowie auch lernen, das Kind bei der Traumabewältigung zu unterstützen.
Am Ende der Therapie wird mit dem Kind und der Bezugsperson ein Sicherheitsplan erstellt. Dabei werden Sicherheitsstrategien (z. B. kognitive Techniken, Selbstbehauptungsstrategien, Mobilisierung von sozialer Unterstützung) zur selbstverantwortlichen Lebensgestaltung erarbeitet. Wichtig ist es, einer erneuten Traumatisierung vorzubeugen. Kinder und Jugendliche üben in dieser Phase, gefährliche Situationen zu erkennen und auch, wie sie sich bei Bedrohungen verhalten können.