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Das Engagement von Willi Boskovsky

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Unter den von Krauss vorgenommenen Neueinstellungen ging eine vollkommen unbemerkt über die Bühne, da es sich lediglich um eine Tuttistelle bei den Sekundgeigen handelte: Aber indem Krauss den 24-jährigen Willi Boskovsky 40 anderen Kandidaten vorzog, bewies der Operndirektor ein gutes Gespür. Der Schüler von Rosé und Mairecker sollte bald als Konzertmeister der Philharmoniker zu einem Publikumsliebling werden. Da war Krauss nicht mehr Operndirektor, aber er hatte Boskovsky noch am 1. September 1934 zum Stimmführer der Primgeigen ernannt, sodass er bei einer Vorstellung der von ihm dirigierten Frau ohne Schatten an der Seite Rosés am ersten Pult saß.

Nicht nur durch Engagements neuer Mitglieder trug Clemens Krauss wesentlich zur Verjüngung und zur Verbesserung der musikalischen Qualität des Orchesters bei: Er systematisierte die Besetzungspolitik, die schon sein Mentor Strauss befürwortet hatte, indem er die jüngsten Musiker möglichst bald von den hinteren Pulten nach vorne rücken ließ. So verdankten ihm mehrere Musiker, die noch Schalk engagiert hatte, dass sie an die ersten Pulte kamen: Der Geiger Otto Strasser wurde Stimmführer der Sekundgeigen, während sein Kollege und Freund Alfons Grünberg die Geigengruppe verließ und Solobratschist wurde. Damit trat er die Nachfolge einer historischen Persönlichkeit des Orchesters an: Anton Ruzitska, Mitglied des Rosé-Quartetts, der noch Schönbergs Verklärte Nacht mit uraufgeführt hatte: Ein neues Kapitel in der Orchestergeschichte begann.

Ein Brief vom 2. Dezember 1934 bestätigte Grünberg, dass er die Bratsche von Anton Ruzitska benutzen dürfe, unter der Bedingung, sie auf eigene Kosten gegen Diebstahl zu versichern, sie nur für die großen Soli zu benutzen und sie nicht auf Tourneen mitzunehmen, außer nach Salzburg, und sie selbst dort nur in der Kammermusik und für die großen Soli einzusetzen.

Auch die von Schalk engagierten Bläser brauchten nicht lange auf Beförderung zu warten. Der Flötist Josef Niedermayr wurde nach dem Ausscheiden Jacques van Liers, dem letzten der von Gustav Mahler hochgeschätzten Niederländer, Soloflötist, während Hans Kamesch die Nachfolge von Anton Jandourek als Solooboist antrat.

Keinen Nachfolger gab es indessen für den legendären Paukisten Hans Schnellar, den Erfinder der nach ihm benannten Pauke, und auch nicht für den sagenumwobenen Solohornisten Karl Stiegler, der 1932 an den Folgen eines Raucherbeins, das eine Amputation nach sich zog, starb. Man löste nicht so leicht einen Musiker ab, der die Solohorn-Partien bei der Uraufführung der Ariadne auf Naxos und der Frau ohne Schatten gespielt hatte, den Mahler überallhin mitnahm, um die Soli in seinen Symphonien zu spielen, der 59 Mal in der Oper den Hornruf in Siegfried gespielt und nicht weniger als elf zukünftige Philharmoniker ausgebildet hatte.

Rückblickend sind Clemens Krauss’ Leistungen für das Orchester qualitativ höher zu bewerten als quantitativ. Er hat das instrumentale Niveau beträchtlich gehoben und für den notwendigen Generationswechsel gesorgt. Trotz der vielen aufreibenden Konflikte war er ein Gewinn für das Orchester und ging als einer der mutigsten und modernsten künstlerischen Leiter der Wiener Philharmoniker in die Geschichte ein. Es ist eine paradoxe Situation, dass ein Orchester, das sich so sehr auf seine wienerische Identität beruft, seinen einzigen echten Wiener Chefdirigenten mit der größten Feindseligkeit behandelt hat.

Die Wiener Philharmoniker

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