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7. KAPITEL 1908–1917. Die Ruhe nach dem Sturm

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Die Zeit des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der Habsburgermonarchie war politisch äußerst turbulent, doch für das Orchester war das Jahrzehnt nach Mahlers Direktorium eine Epoche der Stabilisierung. So wurde 1908 der Verein Wiener Philharmoniker gegründet. Damit hatten die Musiker erstmals die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit von der Oper erreicht. Am 19. Juni 1908 wurde der Verein behördlich genehmigt, am 13. Juli wurden die Statuten eingereicht, die von der Mehrheit der Orchestermitglieder mit nur fünf Gegenstimmen am 9. Juni gebilligt worden waren. Schon Otto Dessoff hatte 1873 einen entsprechenden Antrag gestellt, der aber keinen Erfolg hatte. Das Orchester hieß seit 1860 offiziell »Philharmonische Konzertunternehmung«. Da sie keinen rechtlichen Status besaßen, mussten die Musiker jedes Jahr eine Gehaltsliste unterzeichnen und sich verpflichten, bei den Abonnementkonzerten mitzuwirken. »Wiener Philharmoniker« war nun der offizielle Name des Orchesters, der sich bereits auf den Programmheften der Saison 1893/94 fand, aber laut Clemens Hellsberg am 27. Oktober 1844 zum ersten Mal verwendet worden war. Es hatte 66 Jahre gedauert, bis der Traum Otto Nicolais aus dem Jahre 1842 von einer stabilen, sozial abgesicherten Organisation verwirklicht werden konnte.

Auch der Personenstand zeigte sich stabil. Es gab nur wenige Neueinstellungen, 27 in zehn Jahren gegenüber 79 in derselben Zeit bei Mahler. Kein Wunder: Die meisten Stellen waren besetzt, und abgesehen von den üblichen Abgängen gab es keine größeren Fluktuationen. Zudem bremste der Krieg sämtliche Neueinstellungen. 26 Musiker mussten einrücken, einer fiel an der Front: der Trompeter Adolf Wunderer, für den Mahler eine sechste Trompetenstelle geschaffen hatte. Während der vier Kriegsjahre waren 20 Abgänge gegenüber 8 Zugängen zu verbuchen, es gab daher 12 Vakanzen. Die einzige größere Veränderung stellte die Einrichtung einer dritten Harfenstelle dar: Seit 1857 hatte man sich mit zwei begnügt. Ab nun schwankte die Zahl ständig zwischen zwei und drei Stellen. 1916 wurde Johannes Snoer nur dank einer der drei in den Statuten festgelegten »Reservestellen« Philharmoniker: Die 120 Philharmoniker setzten sich aus 117 festen Stellen und drei Stellen ohne feste Verwendung zusammen. Somit konnte gegebenenfalls ein Musiker engagiert werden, dessen Gruppe im Moment vollständig besetzt war.

Erwähnenswert ist ein Regelverstoß, der sich in diesen Jahren zutrug: Während immer feststand, dass nur Opernorchestermitglieder aktive Philharmoniker werden konnten, wurde der Flötist Alois Markl in seinem Amt als Vereinsvorstand verlängert, obwohl er 1914 in den Ruhestand gegangen war. Dieser über alle Lager respektierte Vorstand war 1903 gewählt und 1912 mit 97 von 99 Stimmen bestätigt worden, hätte aber seine Funktion zugleich mit seinem Pult räumen müssen. Dem Sekretär Franz Heinrich gelang es, seine Kollegen mit dem Argument zu überzeugen, dass das Ausscheiden Markls einen unwiederbringlichen Verlust für den Verein bedeuten würde, sodass die Vollversammlung einstimmig auf die Verpflichtung, in der Oper zu spielen, verzichtete und eine Delegation zu Markl schickte mit der Bitte, weiterhin als Vorstand tätig zu sein. Er willigte ein und legte seine Funktionen erst 1923 mit 67 Jahren zurück. Er wurde der erste Ehrenvorstand in der Geschichte der Philharmoniker. Später sollten es auch Alexander Wunderer und Otto Strasser zum Ehrenvorstand bringen.

Der Nachfolger Mahlers als Operndirektor war von 1908 bis 1911 Felix Weingartner (1863–1942), der außerdem bis 1927 als Leiter der Abonnementkonzerte der Philharmoniker tätig war. Während seines kurzen Direktoriums gelang es ihm genauso wenig wie seinem Vorgänger, den Posten des zweiten Solocellisten länger zu besetzen: Der Niederländer Kornelius van Vliet blieb nur drei Jahre. Wie einige andere Zeitgenossen folgte er dem Ruf der Neuen Welt und arbeitete in den Vereinigten Staaten als Solocellist in Minneapolis, New York und Pittsburgh.

Die einzige Neueinstellung von Bedeutung war in dieser Zeit der Paukist Arthur Schurig, eine wichtige Stütze des Orchesters, dem er 42 Jahre treu bleiben sollte. Von 1911 bis 1918 wurde Hans Gregor (1866–1945) Operndirektor. Ihm gelangen 1913 die letzten bedeutenden Engagements vor dem Ersten Weltkrieg: Harfenist Franz Jelinek und Kontrabassist Karl Schreinzer, später Solokontrabassist und Herausgeber der ersten Aufstellung sämtlicher Orchestermitglieder seit der Gründung. Als Archivar von 1928 bis 1945 sollte er einen erheblichen Beitrag zur Historiografie des Orchesters leisten. 1913 wurde auch Victor Polatschek als zweiter Klarinettist engagiert, wechselte aber schon im nächsten Jahr ans erste Pult, als die beiden Soloklarinettisten, Alois Schmidl und Franz Bartolomej, die beide 22 Jahre zuvor ins Orchester eingetreten waren, dieses verließen. Auch der legendäre Solooboist Richard Baumgärtel, der Erfinder der Wiener Oboe, und Solohornist Emil Wipperich schieden aus und hinterließen schwer zu schließende Lücken.

Unter den wenigen Neueinstellungen im Krieg ist der junge Kontrabassist Johann Krump zu nennen, späterer Solokontrabassist, Professor an der Akademie und Mitglied des Wiener Oktetts. Das Engagement von John Amans bewies, dass die Begeisterung für niederländische Flötisten keineswegs eine Vorliebe Mahlers war: 1915 stammten drei der fünf Flötisten des Orchesters aus den Niederlanden.

Die Wiener Philharmoniker

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