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Die Erfindung der Wiener Pauke

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Eine wichtige Entscheidung wurde 1894 mit dem Engagement von Hans Schnellar getroffen. Der geborene Böhme war erst ein Jahr zuvor vom Concertgebouw Orkest Amsterdam zum Solopaukisten ernannt worden. Von 1908 bis 1932 als Professor am Konservatorium und später an der Akademie tätig, erfand er ein Paukenmodell, das fortan seinen Namen trug: Das Patent für die Erfindung der Hebelpauke wurde 1920 eingereicht. Die jetzigen Paukisten des Concertgebouw Orkest, Marinus Komst und Nick Woud, sind noch im Besitz der Schnellar-Pauke. Das heute in Wien verwendete Instrument unterscheidet sich unwesentlich von Schnellars Modell mit seiner Regulierung durch Handhebel. Schnellars Pauke ersetzte das alte Dresdner Modell. Der wichtigste Unterschied bestand darin, dass der Kessel von Schnellars Pauke nicht fest, sondern dank eines Hebelsystems zum Spannen des Fells beweglich war. In seinen Zusatzbemerkungen zum Grand traité d’instrumentation et d’orchestration modernes von Berlioz lobte Richard Strauss die Schnellar-Pauke enthusiastisch. Seine Worte entpuppen sich nichtsdestoweniger als irreführend, da er darin das Hebelsystem mit dem Pedalsystem verwechselt. Hauptkennzeichen der Schnellar-Pauke ist ausgerechnet, dass sie über kein Pedal23 verfügt! Das schränkt gewisse moderne Spieltechniken ein, wie etwa das von Béla Bartók häufig verwendete Glissando: Da muss sich ein Kollege hilfsbereit zeigen und die Schraube drehen, während der Paukist spielt. Der Nachteil war damals gering, da das Glissando im nach wie vor hauptsächlich klassischen und romantischen Repertoire der Philharmoniker selten eingesetzt wurde.

Für diese wichtigen Beiträge zur Entwicklung des Instruments, die man Schnellar verdankte, war ein hoher Preis zu zahlen, denn Schnellar war eine extrem schwierige Persönlichkeit. 1909 wurde er zu einer Geldstrafe von 50 Kronen verurteilt, weil er den Posaunisten Franz Dreyer beleidigt hatte, und das, nachdem er sechs Jahre zuvor, 1903, eine Anzeige bekommen hatte, weil er seine Pauken mit Benzin gereinigt hatte, was gegen alle Sicherheitsbestimmungen verstieß und die Feuerwehr auf den Plan rief. Schnellar legte dennoch die Grundregeln für das Wiener Paukenspiel fest. Sie wurden von seinen Nachfolgern weitergeführt und dienten später dem Unterricht von Hans Gärtner und Richard Hochrainer an der Akademie als Grundlage: Die wichtigste Regel war, mit dem Schlegel das Fell wie ein Bogen die Saite zum Schwingen zu bringen, ohne das Abschwingen zu unterbrechen. Ganz anders die deutsche Schule, für die der Schlag wichtiger als das Abschwingen war. Als alle Orchester noch auf Naturfellen spielten, stellte die Wiener Pauke insofern eine Ausnahme dar, als auf Ziegen- und nicht auf Kalbsfellen gespielt wurde. Inzwischen haben sich so gut wie überall Plastikfelle verbreitet, auch wenn im Zusammenhang mit der historischen Aufführungspraxis immer mehr moderne Orchester wieder auf Kalbsfellen spielen. Die Wiener Paukisten bleiben den Ziegenfellen auch heutzutage treu.

Die Wiener Philharmoniker

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