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Ein Orchester der Dynastien

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Da in den 1880er Jahren keine neuen Stellen eingerichtet wurden, ging es bei Neueinstellungen nur um Nachbesetzungen. Abgesehen von den deutschen Posaunisten kamen hauptsächlich Österreicher zum Zug. Auch der dynastische Aspekt blieb erhalten. Als 1885 der Bratschist Rudolf Strebinger engagiert wurde, gab es fortan zwei Söhne des ehemaligen Ballettmusikdirektors Mathias Strebinger im Orchester, da Franz schon 1870 zu den Geigern gestoßen war. Ein weiteres Beispiel für die familiär bestimmte Nachfolge ist das Engagement des 18-jährigen Geigers Franz Heinrich jun., Sohn des Cellisten und Gründungsmitglieds Franz Heinrich sen., im Jahr 1886. Bei den Bläsern trat 1880 der Flötist Gustav Ibener jun., Sohn des Fagottisten Gustav Ibener sen., in das Orchester ein, im selben Jahr, in dem sein Vater es verließ. Das Jahr 1889 erlebte den gleichzeitigen Auftritt der Brüder Johann und Josef Klein als Geiger, gefolgt von ihrem jüngeren Bruder Franz, der 1898 als Cellist eingestellt wurde. Josef, der auch komponierte, sollte später Ballettdirigent werden, eine alte Tradition, die allerdings mit ihm erlosch. Er sollte 1924 die erste Schalltrichteraufnahme des Walzers An der schönen blauen Donau dirigieren. Auch der Familie Stiegler entstammen drei Philharmoniker: Die beiden Trompeter Adolf und Hans traten 1888 beziehungsweise 1902 ins Orchester ein, ihr Bruder, der Hornist Karl, 1899.

1886 erlebte die Dynastie Hellmesberger mit dem Eintritt des Cellisten Ferdinand, dem Sohn von Josef sen. und Bruder von Josef jun., ihre dichteste Orchesterpräsenz. Josef war auch Mitglied des Hellmesberger-Quartetts, aber das Ausscheiden des Vaters, des Gründers und Primarius, war laut dem Kritiker Max Kalbeck der Anfang vom Ende des Quartetts. (Die Nachfolge sollte das Rosé-Quartett übernehmen, welches der neue Konzertmeister Arnold Rosé 1882 gegründet hatte.) Denn seit Josef jun. als Primarius den Platz seines Vaters eingenommen hatte, ging dem Ensemble Kalbeck zufolge »seine Seele« verloren.21 Dem Sohn warf der Kritiker vor, keinen »Kunstverstand« zu besitzen.22 Zu diesem Zeitpunkt, als für die Hellmesbergers das Ende ihrer Dominanz nahte, trat Ferdinand in das Orchester ein. 1889 bewarb er sich um die Stelle eines ersten Solocellisten, doch war kein Posten als erster Solocellist frei, da weder Reinhold Hummer noch Josef Sulzer das Orchester verließen. So wurde Hellmesberger wohl als dritter Solocellist eingestellt, hinter Hummer und Sulzer, obwohl er beanspruchte, als gleichrangig anerkannt zu werden. Da seine Bemühungen vergeblich blieben, stellte er 1890 den Antrag, von seinem Posten als Solist entbunden zu werden und ging allem Anschein nach ins Tutti. Ferdinand Hellmesberger schien weder 1891 noch 1892 auf der Mitgliederliste der Philharmoniker auf und kündigte 1900, um Kapellmeister am Kaiser-Jubiläums-Stadttheater, später Ballettdirigent an der Königlichen Oper Berlin und Dirigent in verschiedenen Kurorten zu werden, ganz im Sinne der Familientradition.

Die Neuengagements in den 1880er Jahren zeichneten sich durch ihre starke Wiener Komponente aus: 56% der neuen Mitglieder waren in Wien geboren worden. Aber auch der Anteil der Musiker aus den Kronländern nahm nicht ab: 13 Philharmoniker kommen aus Böhmen, 5 aus Mähren, 5 aus Ungarn, 1 aus Galizien, einer heute in Polen und der Ukraine gelegenen Provinz, die seit dem 18. Jahrhundert zur Monarchie gehörte. Neu ist die Anwesenheit von 5 Deutschen im Orchester.

Die Wiener Philharmoniker

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