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Die Einführung der Böhm-Flöte

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Neben Eifersucht und Ärger über die Bevorzugung eines Starsolisten, der zudem Ausländer war und sich ungeschickt und arrogant verhielt, spielten bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Orchester und Mahler ästhetische und stilistische Fragen eine Rolle: Mit dem Engagement Ary van Leeuwens erklärte Mahler seine Absicht, die alte Wiener Flöte aufzugeben und auf das in Wien noch ungebräuchliche Böhm-System umzusteigen. Dies ist wohl das schlagendste Beispiel für den von Mahler in Gang gesetzten Modernisierungs- und Internationalisierungsprozess, der auf den Widerstand der Verteidiger der Wiener Schule stieß, war diese doch für sie ein unantastbares Erbe und eine heilige Tradition.

Die Flötisten der Wiener Schule spielten auf einem Instrument aus Ebenholz mit einfacher konischer und nicht zylindrischer Bohrung. In seiner Korrespondenz mit van Leeuwen informierte sich Mahler über die Vorteile der Böhm-Flöte, die bereits seit 40 Jahren am Pariser Konservatorium verwendet wurde, und erkundigte sich, ob sich die Klangfarbe der Böhm-Flöte wohl mit den in Wien gebräuchlichen Instrumenten vertrage. Mahler zögerte demnach, bevor er sich entschied. Als der Solist Eurysthenes Ghisas 1898 die Erlaubnis bekam, auf Kosten der Oper ein neues Instrument für 156 Gulden zu kaufen, handelte es sich noch um eine Flöte mit konischer Bohrung. Auch der von Mahler 1901 engagierte Willi Sonnenberg spielte noch auf einer Holzflöte, die heute im Historischen Archiv der Wiener Philharmoniker aufbewahrt wird. Van Leeuwens Auftritt mit seiner silbernen Barat-Flöte, mit zylindrischer Bohrung und beweglichen Klappen, vor allem aber mit ihrem strahlenden Timbre, das sich deutlich von dem weicheren Klang der traditionellen Wiener Flöte unterschied, kam einer Revolution gleich. Die Wiener Hofoper bestellte 1904 für Marko Radosavljevic eine Ritterhaus-Flöte (aus Holz, jedoch mit Böhm-System) für 350 Kronen (die Barat-Flöte van Leeuwens hatte 500 gekostet).

Roman Kukula, der Vorgänger van Leeuwens und Professor am Konservatorium seit 1881, führte als über 50-Jähriger in den letzten Jahren seiner Unterrichtstätigkeit ebenfalls die Böhm-Flöte ein, bis ihn 1909 van Leeuwen auch als Lehrer ablöste. Im philharmonischen Komitee war Kukula einer der treuesten Unterstützer Gustav Mahlers, der sich so sehr die Klangvorstellungen des Komponisten und Orchesterleiters zu eigen gemacht hatte, dass er sich selbst im fortgeschrittenen Alter noch die viel schwierigeren Fingersätze der Böhm-Flöte aneignete.

Zur selben Zeit wurde das Wiener Fagott, entweder von der Firma Stecher, Bradka oder Koktan gebaut, das seit Theobald Hürth benutzt wurde, nach und nach gegen das deutsche Fagott der Firma Heckel ausgetauscht, die eine noch nie dagewesene Werbekampagne betrieben hatte. Der Erste, der für die Oper ein Heckel-Fagott ankaufen durfte, war 1901 Karl Wittmann. Ihm folgten 1902 Otto Schieder, 1903 Hermann Thaten und Adolf Billino, 1904 Bruno Wesser und Karl Strobl, sodass 1904 die gesamte Fagottgruppe das deutsche Heckel-Modell besaß. Man kann von nun an zwar nicht mehr vom Wiener Fagott sprechen, wohl aber von einer Wiener Schule, da noch immer nach der Methode von Theobald Hürth aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterrichtet wurde, die zum Beispiel das Vibrato verbot. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Karl Öhlberger, der sämtliche Wiener Fagottisten zwischen 1938 und 1982 ausbildete: »Charakteristisch für die Wiener Schule ist, dass wir kein Vibrato haben.« Er betonte zwar, dass sein Lehrer, der von Mahler engagierte Karl Strobl, der seinerseits die Wiener Fagottisten der ersten Jahrhunderthälfte ausgebildet hatte, sehr wohl einen Kompromiss zwischen der deutschen und der französischen Schule gefunden hatte, ließ jedoch offen, worin dieser bestand.

Die Wiener Philharmoniker

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