Читать книгу Die Wiener Philharmoniker - Christian Merlin - Страница 26

Der Generationswechsel und die Wiener Oboe

Оглавление

Das Ausscheiden von sieben Orchestermitgliedern im Jahr 1880 erfolgte überwiegend aus banalen Gründen, abgesehen von einigen recht merkwürdigen Sonderfällen. Man denke an den Cellisten Ferdinand Albrecht, der am 8. Dezember 1881 beim Ringtheaterbrand zu Tode kam. Laut offiziellen Angaben sollen 384 Personen dieser Katastrophe zum Opfer gefallen sein, wahrscheinlich waren es mehr. Das Ringtheater war 1874 als Komische Oper Wien eröffnet worden. Am Abend des Brandes, der vom versagenden Zündsystem der Gasbeleuchtung ausgelöst wurde, stand Hoffmanns Erzählungen auf dem Spielplan, was erheblich zum schlechten Ruf von Offenbachs Oper als dämonischem Werk beitrug. Albrechts Unglück war allerdings das Glück seines Kollegen Josef Sulzer, der nun Solocellist wurde. Abenteuerlich war auch das Schicksal des Geigers Johann Amsler: Nachdem er ein Gesuch um Beurlaubung für zwei Monate gestellt sowie genehmigt bekommen und im Herbst 1883 eine Kur angetreten hatte, gab es kein Lebenszeichen mehr. Sein Verschwinden ist nie geklärt worden; seine Leiche blieb unauffindbar. In einem Brief vermutet Operndirektor Wilhelm Jahn, Amsler habe Selbstmord begangen; in einem anderen wird die Frage gestellt, wer nun seinen Substituten bezahlen wird, was normalerweise der Musiker macht, der sich vertreten lässt: Doch was tun, wenn dieser spurlos verschwunden ist?

Als für den 12. April 1885 ein großes Galakonzert im Musikverein in Anwesenheit Kaiser Franz Josephs organisiert wurde, schickte man 27 pensionierten Mitgliedern eine Einladung und bat den ehemaligen Konzertmeister Hellmesberger sen., ausnahmsweise seinen Platz am ersten Pult wieder einzunehmen. Einige konnten der Einladung aus gesundheitlichen Gründen nicht Folge leisten. Vom Geiger Karl Mayer jedoch gibt es einen in zittriger Schrift abgefassten Brief, in dem er erklärt, dieses Festkonzert habe in ihm Erinnerungen an das erste Konzert von 1842 unter der Leitung Otto Nicolais geweckt: Außer Mayer sind von der Gründungsbesetzung nur noch der Geiger Franz Dobyhal, der Klarinettist Thomas Klein und der Trompeter Adalbert Maschek am Leben.

In den 1880er Jahren verließen weitere Pioniere das Orchester, so der Bratschist Johan Král, für den extra eine Solistenstelle eingerichtet worden war; dafür kamen neue Instrumentalisten, die zu dem besonderen Profil des Orchesters einiges beitragen sollten. Mit Roman Kukula, der Franz Doppler nachfolgte, Alois Markl und Gustav Ibener wurde die Flötengruppe in zwei Jahren zu drei Vierteln erneuert. Mit dem neuen Solohornisten Emil Wipperich kam 1882 ein Aushängeschild der Wiener Hornschule in die Gruppe. Er war außerdem Wagner-Spezialist und sollte in Bayreuth zwischen 1896 und 1904 mehr als 50 Mal den berühmten Hornruf im Siegfried spielen.

Auch das Engagement des Solooboisten Richard Baumgärtel 1880 war für das Orchester unumstritten eine Bereicherung: Der 22-jährige Dresdner gilt als Erfinder der sogenannten Wiener Oboe. Er brachte sein in Sachsen gespieltes, von Carl Golde gebautes Instrument mit, passte es aber mithilfe des österreichischen Oboenmachers Joseph Hajek dem Wiener Stimmton an, der nach der Internationalen Stimmton-Conferenz von 1885 um 6 Hertz herabgesenkt wurde. Als Lehrer an der Akademie für Musik und darstellende Kunst (der heutigen gleichnamigen Universität) war er für die Ausbildung der meisten seiner Nachfolger von Alexander Wunderer über Armin Tyroler bis Hans Kamesch verantwortlich und ohne jeden Zweifel Begründer der Wiener Oboenschule. So ist die Wiener eigentlich eine Dresdner Oboe! Das neue Instrument ersetzte praktisch die in den 1820er Jahren von Joseph Sellner entwickelte Oboe. Sellner war Oboist am Kärntnertortheater und Lehrer am Wiener Konservatorium von 1841–1843 gewesen.

Die Wiener Philharmoniker

Подняться наверх