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DER W(R)ESTBALKAN UND DIE EU Hängepartie statt dynamische Annäherung
ОглавлениеAm 1. Juli 2013 trat Kroatien der Europäischen Union bei. Die Feiern am kleinen Ban-Jelačić-Platz im Zentrum von Agram ließen wegen der aufgebauten Bühnen nur wenig Raum, sodass die Zahl der Kroaten, die tatsächlich mitfeiern konnten, wahrlich überschaubar war. Doch den meisten war ohnehin nicht zum Feiern zumute, und von einer EU-Euphorie konnte wahrlich nicht die Rede sein. Das Fehlen einer Feierlaune kam nicht überraschend, hatte sich diese Stimmung doch bereits beim Referendum zum EU-Beitritt gezeigt, das am 22. Jänner 2012 stattfand. Dabei stimmten etwa zwei Drittel der teilnehmenden Bürger für die Mitgliedschaft in der EU. Mit 43 Prozent war die Beteiligung an der Abstimmung jedoch gering, und zwar noch geringer als in Ungarn. Dort stimmten beim Referendum am 12. April 2003 nur knapp 46 Prozent der Stimmberechtigten ab, wobei damals 84 Prozent für den Beitritt votierten. Selbst wenn man die außerordentlich ungeordneten Wählerlisten in Kroatien in Rechnung stellt, so dürfte gerade einmal jeder zweite Kroate an der Abstimmung teilgenommen haben. Dagegen lag die Beteiligung im Nachbarland Slowenien bei 60 Prozent und für die EU stimmten sogar 90 Prozent der Slowenen.
Während die niedrige Beteiligung in Ungarn auch auf die bereits damals nicht rosige Wirtschaftslage zurückzuführen war, macht der Unterschied zwischen Slowenien und Kroatien die ungleichen Rahmenbedingungen deutlich, die zwischen den Jahren 2004 und 2012 liegen. Denn der kroatische EU-Beitritt fand unter bisher einzigartigen Vorzeichen statt, steckt doch nicht nur Kroatien, sondern auch die EU in einer tiefen Krise. Insbesondere die Euro-Zone hat ihre Probleme noch nicht überwunden. Dass die Mehrheit der Kroaten trotzdem für die EU stimmte, hatte vor allem drei Gründe: Erstens sahen die Bürger keine vernünftige Alternative zum Beitritt; zweitens war praktisch die gesamte politische Elite dafür, und drittens hofften die Kroaten auf einen Geldsegen aus Brüssel, um ihr Land – von der Mülldeponie bis hin zur Verwaltung – modernisieren zu können.1) Auf dem Weg Richtung EU war Kroatien ein Nachzügler. Das hängt mit der nationalistischen Politik von Staatsgründer Franjo Tudjman zusammen, der sein Land nicht nur in die Unabhängigkeit, sondern auch in die politische Isolation führte. Somit war Kroatien nach Griechenland (1981) das bisher einzige Land, das allein in die EU aufgenommen wurde. Die Verhandlungen dauerten fast sechs Jahre. Sie begannen wegen der mangelnden Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal mit einer Verspätung von sechs Monaten und waren durch den Grenzstreit mit Slowenien fast ein Jahr lang blockiert, obwohl auf technischer Ebene natürlich weiter gearbeitet wurde. Anders als bei der Erweiterung von 2004 galt für Kroatien das sogenannte „Benchmark-Verfahren“. So forderte die EU von Kroatien im Unterschied zu den bisherigen Beitrittsbedingungen für die Eröffnung und die Schließung eines jeden Verhandlungskapitels zumindest den Beginn der Umsetzung von Maßnahmen noch vor dem Beitritt – wie beispielsweise die Reform und die Entpolitisierung der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten. Auch diese erstmals angewandte Form der Verhandlungen macht die kroatischen Erfahrungen für die anderen Beitrittswerber so wertvoll. Anders als im Fall Kroatiens wurden für Montenegro, dessen Beitrittsverhandlungen formell am 29. Juni 2012 begannen, nun die Kapitel 23 und 24 (Justiz und Grundrechte sowie Justiz, Freiheit und Sicherheit) sofort eröffnet. Das wird auch in künftigen Fällen so gehandhabt werden. Denn diese beiden Kapitel sind besonders schwierig und sensibel, und die Umsetzung der verhandelten Maßnahmen soll von einem regelmäßigen Monitoring der EU-Kommission begleitet werden. Dieses Monitoring galt in abgeschwächter Form für Kroatien sogar bis zum Beitrittstermin.