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Kroatien als Beispiel und Vorbild

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Welche positiven und auch negativen Lehren lassen sich nun aus dem kroatischen EU-Beitritt für eine Region ziehen, die inklusive Kroatien Westbalkan hieß, nun aber wohl de facto zum Restbalkan geworden ist? Positiv ist zu vermerken, dass ein Land trotz enormer Herausforderungen den Beitritt schaffen kann. So war Kroatien das erste Land im ehemaligen Jugoslawien, das von dessen Zerfallskriegen (Flüchtlinge, Vertreibung, Haager Tribunal) voll getroffen worden ist. Zweitens machte sich der Kampf gegen Korruption, organisierte Kriminalität und für den Rechtsstaat für das Land selbst bezahlt – sprich, schmerzliche Reformen wurden von der EU anerkannt. Zwar ist in der kroatischen Justiz bei weitem noch nicht alles Gold, was glänzt, doch es wurde wahrlich vieles erreicht. Dazu zählen eine weisungsfreie Anklagebehörde und ein transparentes Punktesystem für die Ernennung von Richtern, Bestimmungen, die bei weitem nicht in allen EU-Altmitgliedsstaaten gegeben sind. Schlagendes Beispiel dafür war der Prozess gegen den früheren Ministerpräsidenten Ivo Sanader, der wegen Korruption zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde. Eine „Ent-Sanaderisierung“ steht auch praktisch allen anderen Staaten des Restbalkans bevor, für deren politische Eliten das Handeln der kroatischen Justiz Ansporn und Abschreckung zugleich sein kann. Die dritte ermutigende Lehre ist, dass schwierige bilaterale Probleme wie der Grenzstreit mit Slowenien auch mit einem EU-Mitglied lösbar sind, wenn entsprechender politischer Wille auf beiden Seiten besteht. Doch der Grenzstreit birgt auch eine negative Lehre: Bilaterale Probleme, die es auf dem Restbalkan in großem Maß gibt, dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden, damit sie die Dynamik der Beitrittsverhandlungen nicht beeinträchtigen. Angesichts der Natur des „Homo politicus“, die erfahrungsgemäß nicht dazu neigt, schwierige Probleme zeigerecht zu lösen, werden auf diesem Gebiet wohl Brüssel und einige einflussreiche Mitgliedsstaaten die Rolle des Zuchtmeisters spielen müssen. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zeigt, dass eine derartige Strategie durchaus erfolgversprechend ist, wenn bei dem jeweiligen Beitrittswerber der Wunsch nach dem Beitritt tatsächlich stark genug ausgeprägt ist. Zu den kroatischen Versäumnissen, die anderen Beitrittswerbern als Lehre dienen können, zählt ebenso die Tatsache, dass die Regierung in Agram viel zu spät damit begonnen hat, Experten für EU-Projekte auszubilden. So konnten nur 30 Prozent der EU-Mittel abgerufen werden, die aus Vor-Beitrittsfonds zur Verfügung standen, und auch bei der Ausarbeitung von großen Projekten (Infrastruktur, Umweltschutz) ist Kroatien nicht besonders zügig unterwegs, können diese doch nun nach dem Beitritt von der EU mitfinanziert werden. Zu nennen ist schließlich trotzdem die positive Botschaft der kroatischen Mitgliedschaft, die darin besteht, dass die Tür der EU trotz aller internen Probleme und aller Erweiterungsmüdigkeit offen steht, obwohl mit einem raschen Beitritt weiterer Staaten des ehemaligen Jugoslawiens nicht zu rechnen sein wird.

Dass bis zur Aufnahme eines 29. EU-Mitglieds einige Zeit vergehen wird, zeigt eine einfache Rechnung: Beitrittsverhandlungen dauern in der Regel fünf Jahre, wenn keine zusätzlichen politischen Probleme auftauchen. Hinzu kommt der Prozess der Ratifizierung des Beitrittsvertrages durch die 28 Mitgliedsstaaten, der ebenfalls zwei Jahre benötigt. Bisher verhandelt die EU nur mit Montenegro, und diese Gespräche stehen in vielerlei Hinsicht noch am Beginn. Somit ist mit einem montenegrinischen Beitritt wohl erst um 2020 zu rechnen. In diesen sieben Jahren wird sich wohl auch die EU noch weiter verändern. Trotzdem stellt sich nach dem Beitritt Kroatiens für die restlichen Staaten des sogenannten Westbalkans sowie für die EU und ihre Mitglieder zwangsläufig die Frage nach der künftigen Vorgangsweise. Dazu gehört die Grundfrage, ob es weitere Einzelaufnahmen auf dem „Restbalkan“ geben soll oder ob nun eine Blocklösung angestrebt wird und wie groß dieser Block sein soll. Für die Blocklösung spricht vor allem die Erweiterungsmüdigkeit; dagegen sprechen die doch beträchtlichen Unterschiede in der Entwicklung und in der Problemstellung der verbliebenen Länder sowie der Umstand, dass eine Abkehr vom sogenannten „Regatta-Prinzip“ demotivierend wirkt, weil der Schnellste und Reformfreudigste auf den Langsamsten warten muss. Gegen das Regatta-Prinzip spricht der Umstand, dass durch die Krise der EU und die Erfahrungen mit Rumänien, Bulgarien und nun auch Griechenland, und vielleicht künftig auch Kroatien, die Erweiterungsmüdigkeit natürlich zusätzlich verstärkt wurde. Eine Block-Lösung hätte daher aus der Sicht der Erweiterungsskeptiker den Vorteil, diesen Prozess noch viel weiter hinauszuschieben. Im Gegenzug dazu sind die EU-Kommission sowie grundsätzliche Befürworter einer Erweiterung unter den Mitgliedsstaaten bestrebt, dass der Erweiterungsprozess ein Mindestmaß an Dynamik behält. Diese Politik liegt natürlich auch im Interesse des Balkans, hängt aber vom Reformeifer der jeweiligen Länder ab.

Stärker bewusst werden sollten sich die EU und ihre Mitglieder aber auch der Tatsache, dass das weitgehende Fehlen einer effizienten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik den Weg des Restbalkans in die EU verlängert und damit die endgültige Stabilisierung dieser Region verzögert, die ja gerade aus diesem Grund in die EU (und in die NATO) geführt werden soll. Die Unabhängigkeit des Kosovo haben nach wie vor fünf EU-Staaten (Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern) aus rein innenpolitischen Gründen nicht anerkannt. Das macht die Annäherung des Kosovo aus vielen Gründen noch komplizierter, weil damit die Aufnahme selbst in die Europol erschwert wird, obwohl der Kampf gegen Korruption und Kriminalität zum ständigen Mantra gegenüber dem Kosovo zählt. Da die EU-Delegation in Prishtina „statusneutral“ agieren muss, darf sie natürlich auch nicht den Begriff „Staat“ für den Kosovo verwenden, obwohl natürlich nur Staaten der EU beitreten können. Ein noch gravierenderes Beispiel bildet der Namensstreit zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und Mazedonien, der bereits die Aufnahme in die NATO im Jahr 2008 blockierte. Der Streit ist auch ein Hemmschuh für den Beginn der Gespräche über einen EU-Beitritt, obwohl die EU Mazedonien bereits vor acht Jahren (Dezember 2005) den Status eines Beitrittskandidaten gewährt und die EU-Kommission bereits vier Mal den Beginn von Beitrittsverhandlungen empfohlen hat. Dieser Namensstreit zeigt, wie schwer sich die EU mit Konflikten tut, die ein Mitgliedsstaat mit einem Beitrittswerber hat, obwohl gerade Griechenland innerhalb der EU zweifellos keine starke Stellung einnimmt. Doch diesem Sorgenkind will man offenbar keine weiteren sensiblen Fragen zumuten: Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass der Konflikt dem eigentlichen Ziel der EU zuwiderläuft, das in der dauerhaften Stabilisierung des Balkans durch EU-Integration besteht.

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