Читать книгу Yasemins Kiosk - Eine bunte Tüte voller Lügen - Christiane Antons - Страница 14
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ОглавлениеSie hatte nicht lange nach einer geeigneten Unterkunft suchen müssen. Ihre magischen Bücher hatten ihr einmal mehr die Lösung präsentiert. Sie hatten bereits ihre Tränen im dunkelsten Moment aufgefangen, um ihr dann den Weg aus der Krise aufzuzeigen.
Hier im Wald würde sie niemand stören. Die paar Wanderer, die am Wochenende oberhalb des leer stehenden Hauses entlangschritten, stellten keine Gefahr dar. Um sicherzugehen, hatte sie das als Allererstes im Vorfeld getestet. Dazu hatte sie ein Radio in voller Lautstärke in den Keller gestellt und auf dem Wanderweg gelauscht. Es war nichts zu hören gewesen. Danach hatte sie den Raum nach ihren Vorstellungen ausgestattet.
Sich selbst hatte sie eine Leseecke eingerichtet mit einem Tisch, einem Stuhl und einer batteriebetriebenen Lampe. Für das Miststück hatte sie eine Matte, eine Decke, einen Stuhl und einen Eimer mitgebracht.
Sie musste fast lachen, weil das Laufband, das sie zudem aufgestellt hatte, so absurd in diesem alten, feuchten Kellerraum wirkte. Es hatte sie an ihre körperlichen Grenzen gebracht, das Stromaggregat hier hochzuhieven, aber sie hatte es geschafft. Trotz Wadenkrampf. Das Miststück vom Parkplatz in der Schubkarre hierher zu transportieren, war dagegen ein Kinderspiel gewesen.
Nun saß sie in ihrer Leseecke und wartete darauf, dass ihre Gefangene, die vier Meter vor ihr geknebelt und gefesselt auf dem Stuhl saß, aufwachte. Sie mochte die Zahl vier, deshalb hatte sie diesen Abstand gewählt.
Die Zeit vertrieb sie sich damit, Radio zu hören und lustlos in einer Modezeitschrift zu blättern. Wäre sie Chefin dieses armseligen Blatts, hätte sie die Moderedakteurin gefeuert.
Nach einer weiteren Stunde gab die Frau endlich erste Laute von sich und bewegte ihren Kopf. Dann versuchte sie, ihre Arme zu bewegen, registrierte aber offenbar, dass etwas nicht stimmte, dass dies kein normales Erwachen am Morgen in ihrem Bett war. Ihre Bewegungen wurden hektischer, das Miststück öffnete die Augen, hob den Kopf, blickte sie nun direkt an und verstand – nichts.
Für einige Minuten betrachtete sie lächelnd dieses Schauspiel und die aufsteigende Panik in den Augen ihrer Gefangenen, ehe sie schließlich zu ihr schritt. Mit dem Zeigefinger bedeutete sie ihr, leise zu sein, und nahm ihr den Knebel aus dem Mund.
Als das Miststück trotz der Warnung laut: »Hilfe, was … wo bin ich?«, brüllte, gab sie ihr mit der flachen Hand eine Ohrfeige, die sie abrupt zum Schweigen brachte.
»Wenn du weiterleben willst, gehorche mir.«
Die Frau sah sie ungläubig an. »Wer bist du wirklich? Was habe ich dir getan?«
Sie lächelte süß und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich bin deine Vergangenheit, die dich einholt.«