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3. Teil Der Anwendungs- oder Geltungsvorrang des Unionsrechts › A. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts

A. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts

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Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit[1]

I. Hinreichende Bestimmtheit der Norm und

II. inhaltliche Unbedingtheit der Norm und

III. kein nationaler Ermessensspielraum für die Anwendbarkeit der Unionsrechtsnorm und

IV. Auferlegung von Handlungs- und Unterlassungspflichten für die Mitgliedstaaten und

V. subjektiv unmittelbare Wirkung der Norm oder

VI. objektiv unmittelbare Wirkung der Norm.

Einen Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten genießen die Normen des Unionsrechts, die unmittelbar anwendbar sind. Die Frage, ob eine Unionsrechtsnorm unmittelbar anwendbar ist, ist aber nur dann relevant, wenn diese für denselben Sachverhalt eine Rechtsfolge vorsieht, die der des nationalen Rechts widerspricht. In Art. 288 Abs. 2 AEUV n.F. ist nur die Verordnung ausdrücklich als unmittelbar anwendbar bezeichnet.

Hinweis

Begrifflich bedeuten unmittelbare Wirkung bzw. „Direktwirkung“ dasselbe wie die „unmittelbare Anwendbarkeit“.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung im Laufe der Zeit die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit herausgearbeitet. Unmittelbar anwendbar können danach auch Bestimmungen des Unionsrechts sein, die den Einzelnen zwar nicht begünstigen, aber hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt formelle Anforderungen des Unionsrechts aufstellen (objektiv unmittelbare Wirkung).

Beispiel zur objektiv unmittelbaren Wirkung

Die aus Art. 2, 3 und 8 der UVP-Richtlinie[2] folgende Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung haben die deutschen Genehmigungsbehörden unabhängig davon zu beachten, ob sich die von den jeweiligen Projekten Betroffenen auf diese Richtlinie berufen können oder nicht.[3]

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Eine unmittelbar anwendbare Norm vermittelt dem Einzelnen gegenüber einem Mitgliedstaat ein eigenes, subjektives Recht und wirkt wie ein innerstaatliches Gesetz. Unmittelbar anwendbares Unionsrecht geht dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten vor,[4] wenn die übrigen Voraussetzungen des Anwendungsvorrangs erfüllt sind.

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Die Europäische Union kann autonom von der Willensbildung in den Mitgliedstaaten in bestimmten von diesen Mitgliedstaaten übertragenen Bereichen für diese unmittelbar verbindliche Rechtsregeln erlassen. Allerdings hat die EU keine eigene Kompetenz zur Begründung neuer, noch nicht von den Mitgliedstaaten auf sie übertragenen Kompetenzen.[5] Aus Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV wird das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung abgeleitet. Hier wird deutlich, dass die Rechtsetzungsorgane der Union einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung in den Gründungsverträgen bedürfen. Es sei aber besonders auf Art. 352 AEUV verwiesen, der für unvorhergesehene Fälle der Europäischen Union eine Kompetenzergänzung einräumt.[6] Abweichend von der außer Kraft getretenen Regelung in Art. 308 EGV soll die Union jedoch gem. Art. 352 AEUV lediglich im Rahmen der in den „Verträgen“[7] festgelegten Politikbereiche und zur Verwirklichung eines der Ziele der Verträge tätig werden dürfen. In Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 3 des AEUV wird dem Rat die Kompetenz eingeräumt, je nach Entwicklung der Kriminalität einen Beschluss zu erlassen, in dem andere als die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des AEUV bestimmten Kriminalitätsbereiche von ihm bestimmt werden können. Diese anderen Kriminalitätsbereiche müssen die Kriterien des Art. 83 Abs. 1 AEUV erfüllen.

JURIQ-Klausurtipp

Nur wenn wirklich keine andere Kompetenzgrundlage erkennbar ist, sollten Sie als ultima ratio die Kompetenzergänzung gem. Art. 352 AEUV prüfen.

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