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Das Dilemma des Künstlers
ОглавлениеIn Theaterbetrieben befinden sich Künstler in einem Dilemma. Sie sind eingezwängt zwischen einer kreativen, feinfühligen Arbeitsaufgabe und den oft zermürbenden Rahmenbedingungen. Wie die Abbildung zeigt, müsste der feinfühlige Künstler gleichzeitig ein »dickes Fell« haben; im Grunde also künstlerisch sensibel und gleichzeitig menschlich stark sein. Dass das funktioniert, ist unbestritten. Nur wird ein »dickes Fell«, worunter ich in seiner positiven Ausprägung ein geerdetes Selbstbewusstsein, gelassene Souveränität, hohes empathisches Vermögen, einen wertschätzenden höflichen Umgang miteinander und eine gute Konfliktfähigkeit verstehe, weniger intensiv entwickelt als eine oft überbordende Sensibilität. Wie der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun in seinem Werte-Quadrat1 beschreibt, wandelt sich jede einseitig geförderte Tugend oder Qualität in eine entwertete Übertreibung, wenn nicht die entsprechend ausgleichende Schwesterntugend gefördert wird.
Übertragen auf den Künstler heißt das: Wird ausschließlich die Sensibilität und das auf sich selbst gerichtete Empfindsame gefördert, entwickelt sich ein egozentrischer Gefühlskloß, der nur mit Samthandschuhen berührt werden darf. Umgekehrt wird ein mit allzu dickem Fell versehener Künstler starr, unflexibel, gleichförmig und farblos wirken und das Publikum wenig emotional berühren – wie eine zwar verlässliche, aber künstlerische Dampfwalze.
Diese beiden Schwesterntugenden des Künstlers, das »Feinfühlige« und das »menschlich Starke«, gilt es ergänzend auszubilden. Da das Erstere im jeweiligen künstlerischen Ausbildungsweg intensiv entwickelt wird, geht es in diesem Buch um die andere Seite: um das »menschlich Starke«.
Das Dilemma des Künstlers